Loading...
© Brandon Bell-Getty Images

Presse © Brandon Bell-Getty Images

USA: Polizei muss Demonstrierende schützen

23. Oktober 2020

Zusammenfassung

  • Über 200 gewaltsame Zusammenstöße bei Demonstrationen mit Gegenprotesten seit Mai 2020
  • Neuer Amnesty-Bericht zeigt: Polizei versagt, Störung friedlicher Versammlungen zu verhindern und Protestierende vor Gewalt zu schützen
  • Amnesty International fordert umfassende und nachhaltige Polizeireformen

Die Polizei in den USA schützt das Grundrecht auf friedliche Versammlung nicht ausreichend. Außerdem werden Proteste und Gegenproteste nicht angemessen vor gewaltsamer Störung durch bewaffnete Gruppen geschützt. Das zeigen aktuelle Amnesty-Recherchen, die in dem Bericht Losing the Peace: US Police Failures to Protect Protesters from Violence heute veröffentlicht werden.

Seit der Tötung von George Floyd durch die Polizei im Mai 2020 finden überall in den USA friedliche antirassistische und politische Proteste sowie Gegenproteste statt. In beinahe 200 Fällen kam es zu Gewalt zwischen den Teilnehmer*innen verschiedener Demonstrationen.

Amnesty International dokumentierte und verifizierte von Mai bis September 2020 in etwa 75 Prozent aller US-amerikanischen Bundesstaaten gewaltsame Zusammenstöße zwischen Teilnehmer*innen von Protesten und Gegenprotesten. In ungefähr der Hälfte aller Bundesstaaten sorgte die Polizei nicht dafür, dass Versammlungen friedlich blieben und dass die Teilnehmenden vor gewaltsamen Zusammenstößen geschützt wurden.

„Angesichts der beispiellosen Zunahme von Gewalt und politischer Unbeständigkeit müssen die US-Regierung und die Strafverfolgungsbehörden auf allen Ebenen akribisch dafür sorgen, dass die Menschenrechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung geschützt werden“, sagt Erika Guevara-Rosas, Expertin für die Region Amerikas bei Amnesty International, und sagt weiter: „Vor dem Hintergrund heiß umkämpfter Wahlen und einer landesweiten Bürgerrechtsbewegung sollte niemand Angst um sein Leben haben müssen, wenn er wählen geht oder an friedlichen Versammlungen teilnimmt.“

Vor dem Hintergrund heiß umkämpfter Wahlen und einer landesweiten Bürgerrechtsbewegung sollte niemand Angst um sein Leben haben müssen, wenn er wählen geht oder an friedlichen Versammlungen teilnimmt.

Erika Guevara-Rosas, Expertin für die Region Amerikas bei Amnesty International

Bei mehr als einem Dutzend der gewaltsamen Zwischenfälle zwischen Protestierenden, die von Amnesty International dokumentiert wurden, war die Polizei entweder kaum oder gar nicht anwesend. Der Auslöser für die Gewalt waren häufig bewaffnete Bürgerwehr-Gruppierungen. Die Rhetorik, Positionen und Praktiken der Trump-Regierung scheinen die Mitglieder bewaffneter Gruppen anzuspornen, Protestierende und Gegenprotestierende im ganzen Land rechtswidrig anzugreifen.

„Präsident Trump hat seine Unterstützer*innen aufgefordert, zu den Wahllokalen zu gehen und diese zu ‚beobachten‘. Rechtsextreme bewaffnete Gruppen wurden von ihm gebeten, sich während der Wahlen ‚bereitzuhalten‘. Die Ordnungskräfte sollten vor diesem explosiven Hintergrund besonders wachsam sein, um politische Gewalt zu verhindern“, sagt Rachel Ward, leitende Researcherin bei Amnesty International USA: „Die Regierungsbehörden und ihre Sicherheitskräfte müssen neue Maßnahmen und Strategien einführen, um friedliche Protestveranstaltungen zu ermöglichen und um zu verhindern, dass diese Versammlungen durch bewaffnete Gruppen oder andere gewaltsame Akteure gestört werden.“

Die Regierungsbehörden und ihre Sicherheitskräfte müssen neue Maßnahmen und Strategien einführen, um friedliche Protestveranstaltungen zu ermöglichen.

Rachel Ward, leitende Researcherin bei Amnesty International USA

Amnesty fordert Reformen

Sowohl die US-Regierung als auch Strafverfolgungsbehörden aller Ebenen müssen dringend die Strategien und Praktiken der Sicherheitskräfte reformieren. Da die Regierung auf Bundesebene nicht für den nötigen Schutz sorgt, sollten die jeweiligen Kommunalregierungen Gewalt bei Protesten verhindern, indem sie für die Zeit der Präsidentschaftswahlen befristete Verfügungen erlassen, um das Tragen von Waffen an öffentlichen Orten, in Parks und Wahllokalen uns bei friedlichen Versammlungen einzuschränken. Zudem müssen sie ihre Ordnungskräfte anweisen, bewaffnete Personen und Gruppen daran zu hindern, friedliche Proteste zivile Aktionen zu stören.

Polizeikräfte auf Kommunen-, Landkreis-, Bundesstaats- und Bundesebene sind aufgefordert, ihre Arbeitsweise umgehend zu reformieren und Schulungen durchzuführen, um den Schutz der Menschenrechte und die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. Hierzu sind sie gemäß der US-amerikanischen Verfassung und laut Best-Practice-Standards verpflichtet.

Hintergrund

Am 4. August veröffentlichte Amnesty International den Bericht The World is Watching: Mass Violations by US police of Black Lives Matter protesters rights.

Am 6. Oktober forderte Amnesty International US-amerikanische Gouverneur*innen auf, Verfügungen zu erlassen, um für die Dauer der Wahlen nichtstaatlichen Akteuren das Mitführen von Schusswaffen in oder in der Nähe von Wahllokalen zu verbieten. Die Bundesstaaten Arizona, California, Florida, Georgia, Louisiana und Texas sind dieser Aufforderung bereits nachgekommen.

Am 20. Oktober wandte sich Amnesty International gemeinsam mit Human Rights Watch und Physicians for Human Rights an die Kommunalregierungen der USA und forderte die Verhängung vorübergehender Sondermaßnahmen, um zu verhindern, dass bewaffnete Personen bzw. Gruppierungen Protestierende oder Wähler*innen während oder nach den Wahlen einschüchtern oder bedrohen.


Die Karte zeigt fälle von Gewalt zwischen demonstrant*innen und gegendemonstrant*innen*

*Die Liste ist nicht als vollständiges Verzeichnis aller Fälle zu verstehen.