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© Amnesty International/Alli Jarrar

Presse © Amnesty International/Alli Jarrar

USA: Dutzende Menschenrechtsverletzungen innerhalb weniger Tage bei Black Lives Matter-Protesten

4. August 2020

Zusammenfassung

  • Amnesty International dokumentierte 125 Fälle von Polizeigewalt gegen Protestierende, Sanitäter*innen, Journalist*innen und Rechtsbeobachter*innen in 40 US-Bundesstaaten und Washington, D.C. zwischen 25. Mai und 5. Juni

  • Neuer Bericht beschreibt Dutzende Fälle während Black Lives Matter-Protesten

Innerhalb weniger Tage haben Polizist*innen in den USA immer wieder die Menschenrechte von Protestierenden, Sanitäter*innen, Journalist*innen und Rechtsbeobachter*innen verletzt: Ein neuer Bericht von Amnesty International dokumentiert über 125 Fälle von Polizeigewalt in 40 US-Bundesstaaten und Washington, D.C. zwischen 26. Mai und 5. Juni. Menschen, die lediglich ihr Recht auf friedliche Proteste ausübten, wurden brutal geschlagen, schwer verletzt und in einigen Fällen mit solcher Gewalt konfrontiert, dass sie sogar ihr Augenlicht verloren.

Der unnötige und manchmal exzessive Einsatz von Gewalt durch die Polizei gegen Demonstrant*innen verdeutlicht genau den systemischen Rassismus und die Straflosigkeit, wegen der die Menschen auf die Straßen gegangen sind.

Ernest Coverson, Leiter der Kampagne "End Gun Violence" bei Amnesty International USA

Die Recherchen von Amnesty International verdeutlichen ein weiteres Mal, dass Polizeiarbeit in den USA dringend reformiert werden muss: „Die Herangehensweise des Landes an die polizeiliche Überwachung von Protesten muss sich auf lokaler, bundesstaatlicher und föderaler Ebene von Grund auf ändern“, sagt Justin Mazzola, Researcher bei Amnesty International USA.

Die Menschenrechtsverletzungen geschahen im Kontext von Veranstaltungen, auf denen gegen die rechtswidrige Tötung Schwarzer Menschen protestiert wurde und systemische Polizeireformen gefordert wurden. Der Bericht baut auf der von Amnesty entwickelten und im Juni veröffentlichten interaktiven Karte von Gewalt gegen Protestierende sowie auf neuen Erkenntnissen über den Einsatz tödlicher Polizeigewalt auf.

Die Herangehensweise des Landes an die polizeiliche Überwachung von Protesten muss sich auf lokaler, bundesstaatlicher und föderaler Ebene von Grund auf ändern.

Justin Mazzola, Researcher bei Amnesty International USA

Dutzende Menschenrechtsverletzungen innerhalb weniger Tage

Mitarbeiter*innen von Amnesty International führten im Juni 2020 mehr als 50 Gespräche mit Personen, die über ihre Erfahrungen bei den Protesten gegen die Tötung von George Floyd sprachen.

Vom 26. Mai bis 5. Juni 2020 dokumentierte Amnesty International u. a.

  • mindestens sechs Vorfälle, bei denen Sicherheitskräfte Schlagstöcke einsetzten;

  • 13 Fälle in 13 Städten landesweit, in denen Schaumstoff- oder Gummigeschosse abgefeuert wurden;

  • zahlreiche Fälle, in denen Tränengas und Pfefferspray als Mittel erster Wahl verwendet wurde, um große Gruppen friedlicher Protestierender aufzulösen: In 89 Fälle wurde in den Städten von 34 Bundesstaaten gezielt Tränengas eingesetzt. In 21 Fällen in 15 Bundesstaaten und in Washington, D.C. wurde Pfefferspray unverhältnismäßig eingesetzt.

Derart exzessives und unverhältnismäßiges Vorgehen von Polizeikräften dokumentierte Amnesty auch gegen Sanitäter*innen, Rechtsbeobachter*innen und Medienschaffende.

Schläge, Tränengas und Geschosse als erste Wahl

Sicherheitskräfte in den USA griffen immer wieder als Mittel erster Wahl auf körperliche Gewalt, chemische Reizstoffe wie Tränengas und Pfefferspray sowie den Einsatz von Geschossen gegen friedliche Protestierende zurück – anstatt diese Taktiken als letztes Mittel und nur als Reaktion auf tatsächliche Bedrohungen oder Gewalt anzuwenden. Der Einsatz von Tränengas ist während der COVID-19-Pandemie besonders unverantwortlich. Auch bei der Festnahme und Inhaftierung von Protestierenden kam es zuMenschenrechtsverletzungen, kritisiert Amnesty International.

Historische Chance für Polizeireformen

Amnesty International fordert das Justizministerium und die Generalstaatsanwält*innen aller US-Bundesstaaten auf, die Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen – auch den rechtswidrigen Einsatz von Gewalt – durch Polizist*innen bei öffentlichen Versammlungen umgehend wirksam und unparteiisch zu untersuchen. Alle Verantwortlichen auch hochrangige Beamt*innen sind in Straf- oder Disziplinarverfahren zur Rechenschaft zu ziehen, und die Betroffenen müssen umfassend entschädigt werden.

Amnesty International fordert den US-amerikanischen Kongress auf, das Gesetz zum Schutz von Protestierenden (Protect our Protestors Act of 2020 HR 7315) zu verabschieden. Die Organisation appelliert zudem an alle Strafverfolgungsbehörden, ihre Richtlinien und Praktiken für die Polizeiarbeit bei Protestveranstaltungen zu überarbeiten, um sie mit internationalenMenschenrechtsstandards in Einklang zu bringen. Hierzu zählen unter anderem der Verhaltenskodex der Vereinten Nationen für Beamt*innen mit Polizeibefugnissen und die Grundprinzipien der Vereinten Nationen für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen – die Leitprinzipien für alle Einsätze vor, während und nach Demonstrationsveranstaltungen.

Hintergrund: Polizeigewalt & rassistische Diskriminierung in den USA

Jedes Jahr werden in den USA über 1.000 Menschen von der Polizei getötet. Die Regierung erhebt keine Daten zu diesen Tötungen, daher ist die genaue Zahl unbekannt. Aus existierenden Statistiken geht hervor, dass unverhältnismäßig viele Schwarze Menschen von der Polizei getötet werden. Schwarze Menschen machen 13,2 Prozent der US-Bevölkerung aus, während 24,2 Prozent der von der Polizei durch Schusswaffen getöteten Menschen Schwarz sind.

Rassistische Polizeigewalt und Diskriminierung von Schwarzen in den USA drückt sich – neben dem Einsatz tödlicher Gewalt gegen People of Colour – u. a. auch in unbegründeten Personenkontrollen, unverhältnismäßiger Gewaltanwendung und Racial Profiling (die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen nach phänotypischen Kriterien) aus. Jede Form von Diskriminierung verstößt gegen die Menschenrechte.

 

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