Pufferzone zum Gazastreifen: Verwüstung durch israelisches Militär muss als Kriegsverbrechen untersucht werden
5. September 2024-
Eine neue Untersuchung von Amnesty International zeigt, dass Bulldozer landwirtschaftliche Flächen und Gebäude sowie Wohnblocks im östlichen Gazastreifen zerstören
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Satellitenbilder und Videos in Sozialen Medien zeigen das Ausmaß der Verwüstung
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Tausende Häuser zerstört und ganze Landstriche unbewohnbar
Die massive Ausdehnung einer „Pufferzone“ an der Grenze zum besetzten Gazastreifen sollte als Kriegsverbrechen untersucht werden. Laut neuer Recherchen von Amnesty International handelt es sich bei den Verwüstungen durch das israelische Militär möglicherweise um mutwillige Zerstörung und Kollektivbestrafung.
Mit Bulldozern und von Hand gelegten Sprengsätzen hat das israelische Militär rechtswidrig landwirtschaftliche Flächen und zivile Gebäude zerstört. Ganze Stadtviertel mit Häusern, Schulen und Moscheen wurden dem Erdboden gleichgemacht.
Durch die Analyse von Satellitenbildern und Videos, die von israelischen Streitkräften zwischen Oktober 2023 und Mai 2024 in Sozialen Medien gepostet wurden, konnte das Crisis Evidence Lab von Amnesty International entlang der östlichen Grenze des Gazastreifens einen neu gerodeten Landstrich identifizieren, der zwischen 1 km und 1,8 km breit ist. In einigen Videos sind israelische Armeeangehörige zu sehen, die für Fotos posieren oder auf den Abriss von Gebäuden anstoßen.
Die unerbittliche Verwüstung, die das israelische Militär im Gazastreifen anrichtet, ist ein Akt der mutwilligen Zerstörung. Unsere Untersuchungen zeigen, wie die israelischen Streitkräfte Wohnhäuser zerstörten, Tausende Familien aus ihren Häusern vertrieben und ihr Land unbewohnbar machten.
Erika Guevara-Rosas, leitende Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International
Mutwillige Zerstörung
„Unsere Recherchen decken auf, dass entlang der östlichen Grenze des Gazastreifens ein Muster systematischer Zerstörung angewendet wird. Diese Häuser wurden nicht im Zuge von Kampfhandlungen zerstört. Vielmehr machte das israelische Militär das Gebiet vorsätzlich dem Erdboden gleich, nachdem es die Kontrolle darüber bereits erlangt hatte.
Die Einrichtung einer ‚Pufferzone‘ darf nicht auf die kollektive Bestrafung der palästinensischen Zivilbevölkerung in diesen Gebieten hinauslaufen. Israels Maßnahmen zum Schutz seiner Bevölkerung vor Angriffen aus dem Gazastreifen müssen im Einklang mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen durchgeführt werden, und das Völkerrecht verbietet mutwillige Zerstörung und Kollektivbestrafung.“
Israelische Behörden haben eingeräumt, dass es nach den Angriffen vom 7. Oktober 2023 durch die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen aus Sicherheitsgründen zur Zerstörung von Gebäuden entlang der Ostgrenze des Gazastreifens gekommen sei, um Menschen in Israel vor weiteren Angriffen zu schützen. Das israelische Militär rechtfertigt den Abriss von Gebäuden im Gazastreifen mit der Angabe, dadurch Tunnel und andere „terroristische Infrastruktur“ zerstört zu haben.
Am 2. Juli 2024 richtete sich Amnesty International mit Fragen bezüglich der Verwüstungen an die israelischen Behörden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des vorliegenden Amnesty-Berichts lag noch keine Antwort vor.
Untersuchungen von Amnesty International
Die erweiterte „Pufferzone“ entlang der Grenze zu Israel umfasst rund 58 km², was etwa 16 % des gesamten besetzten Gazastreifens entspricht. Im Mai 2024 schienen mehr als 90 % der Bauten in diesem Gebiet (mehr als 3.500 Gebäude) zerstört oder schwer beschädigt zu sein. Auf mehr als 20 km² bzw. 59 % der landwirtschaftlichen Flächen in dieser Gegend wuchsen aufgrund des anhaltenden Konflikts weniger und kränkere Nutzpflanzen.
Amnesty International hat mit betroffenen Bewohner*innen und Bäuer*innen gesprochen, Satellitenbilder ausgewertet, 25 Videos aus diesem Grenzgebiet überprüft und Angaben des israelischen Militärs, der Hamas und anderer bewaffneter Gruppen untersucht, um festzustellen, ob die Zerstörung rechtmäßig war, also ob sie z. B. durch zwingende militärische Notwendigkeit gerechtfertigt werden konnte.
In vier von Amnesty International untersuchten Gebieten kam es zu Verwüstungen, nachdem die israelische Armee bereits die Kontrolle über die Gebiete übernommen hatte, was bedeutet, dass die Schäden nicht durch direkte Kämpfe zwischen dem israelischen Militär und der Hamas bzw. anderen bewaffneten palästinensischen Gruppen verursacht wurden. In diesen Teilen des Gazastreifens wurden Gebäude vorsätzlich und systematisch zerstört.
Die Vermutung liegt nahe, dass viele der Bauten abgerissen wurden, weil sie sich in der Nähe des von Israel errichteten Grenzzauns befanden. Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass manche der Gebäude in der Vergangenheit von bewaffneten Gruppen genutzt wurden, rechtfertigt eine mögliche künftige Nutzung von zivilen Objekten durch bewaffnete Gruppen nicht per se die Ausweisung von Häusern, Schulen oder Moscheen als militärische Ziele – sei es aufgrund ihrer Nähe zum Grenzzaun oder aus anderen Gründen. Darüber hinaus verbietet es das Völkerrecht, zivile Objekte lediglich zur Bestrafung der Zivilbevölkerung abzureißen, weil die Gebäude von bewaffneten Gruppen genutzt worden waren – dies stellt eine Form der Kollektivbestrafung dar.
© 2024 Planet Labs, Inc.
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Militärische Notwendigkeit und das humanitäre Völkerrecht
Das humanitäre Völkerrecht, das für alle an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien verbindlich ist, verbietet die Zerstörung von Eigentum des Gegners, es sei denn, es liegt eine zwingende militärische Notwendigkeit vor. Direkte Angriffe auf zivile Objekte sind ebenfalls verboten.
Für das Verbot der Zerstörung gegnerischen Eigentums gibt es eine ausdrückliche Ausnahme: die „zwingende militärische Notwendigkeit“. In diesem Fall ist die Zerstörung von Eigentum erlaubt, wenn sie einem legitimen militärischen Zweck dient und nicht gegen andere Bestimmungen des humanitären Völkerrechts verstößt, z. B. das Verhältnismäßigkeitsprinzip oder das Verbot der Kollektivbestrafung.
© 2024 Planet Labs, Inc
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Ein Beispiel für einen legitimen Zweck wäre die Zerstörung eines Gebäudes, das dem Feind Deckung bietet, um die gegnerischen Truppen während aktiver Kampfhandlungen zu beschießen. Diese taktische Anwendung ist in den hier dokumentierten Fällen nicht gegeben, da die israelischen Streitkräfte die Gebiete zum Zeitpunkt der Verwüstung bereits kontrollierten und die Kampfhandlungen weitgehend eingestellt worden waren. Selbst wenn angerichtete Zerstörung einem legitimen militärischen Zweck dient, sind ihr in Vorgehensweise und Ausmaß gewisse Grenzen gesetzt, u. a. durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip und andere Bestimmungen des humanitären Völkerrechts wie z. B. die Regeln für militärische Besetzungen.
Die weitläufige und systematische Verwüstung bei der Erweiterung der „Pufferzone“ im östlichen Gazastreifen steht in keinem Verhältnis zu einem möglichen legitimen militärischen Zweck. Amnesty International fordert deshalb, das sie als Kriegsverbrechen der mutwilligen Zerstörung untersucht wird. Zudem sollte geprüft werden, ob das Kriegsverbrechen der Kollektivbestrafung begangen wurde, indem Wohnhäuser und zivile Objekte zerstört wurden, um die Bevölkerung für Angriffe bewaffneter Gruppen zu bestrafen.
© 2024 Planet Labs, Inc
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