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„Wir setzen alles aufs Spiel, um unsere Heimat zu verteidigen“

25. Oktober 2018

Tep Vanny ist eine kambodschanische Menschenrechtsverteidigerin, die für ihren friedlichen Protest mehr als 700 Tage im Gefängnis verbringen musste. Ihr einziges „Verbrechen“ war es, gegen ein touristisches Luxusbauprojekt zu mobilisieren. Dafür mussten tausende Menschen ihre Häuser im Gebiet des Boeung-Kak-Sees in Phnom Penh verlassen. Sie ist erst seit kurzem wieder in Freiheit und erzählt Amnesty International, wie sie selbst im Gefängnis die Hoffnung nicht verlor und weiterhin für ihre Gemeinschaft kämpfen wird.

Es ist kaum vorstellbar: Sich aktiv dafür einsetzen zu müssen, weiterhin im eigenen Haus leben zu dürfen. Schlimmer noch: Dafür festgenommen und eingesperrt zu werden.

Ich verbrachte zwei Jahre und fünf Tage im Gefängnis. Meine Kinder und meine Mutter, die schon alt und krank ist, fehlten mir sehr. Sie brauchten mich und es war schrecklich, nicht bei ihnen sein zu können. Ich wusste nicht, wie ich diese Zeit überstehen sollte. Daher versuchte ich, mich mit Arbeit abzulenken und strickte viel. Das half mir dabei, mir weniger Sorgen zu machen und ich dachte weniger nach.

Es gab nämlich viel nachzudenken. Bevor das Bauprojekt begonnen wurde, lebten auf dem betroffenen Gebiet 4252 Familien. 3000 wurden bereits vertrieben, um so Platz für ein Luxus-Bauprojekt zu schaffen. Häuser wurden dem Erdboden gleichgemacht und der See ist verschwunden. Die übrigen Familien brauchen nun Eigentumsnachweise, um bleiben zu dürfen; nur 676 Familien wurde ein solcher Nachweis bis jetzt ausgestellt.

Die Bewohner*innen des Boeung-Kak-Gebiets protestierten erstmals im Jahr 2007; ich brachte mich erst ab 2010 ein. Mit der Zeit schlossen sich uns immer mehr Menschen an. Ihnen wurde klar, dass es schließlich die Zukunft ihrer Kinder geht. Wir demonstrierten jeden Tag. Viele von uns wurden festgenommen und eingesperrt. Ich wurde viermal inhaftiert und mindestens zehnmal festgenommen. Viele andere aus unserer Gemeinschaft machten ähnliche Erfahrungen. Wir protestieren weiter, weil wir bereit sind, für unsere Heimat und unser Zuhause alles aufs Spiel zu setzen.

Seit meiner Freilassung kümmere ich mich in erster Linie um meine Familie. Ich kämpfe aber weiter, um die Landstreitigkeiten in Boeung Kak zu beenden. Derzeit setze ich mich vor allem für zwei Familien ein;  ich habe für sie bei der Regierung die Ausstellung von Eigentumsnachweisen beantragt. Diese Familien haben es in Boeung Kak schon lange nicht mehr leicht – seit zehn Jahren sind ihre Zukunftsperspektiven von großer Unsicherheit geprägt.

Ich selbst fühle mich nicht sicher und sorge mich sehr um die Sicherheit meiner Familie. Ich habe das Gefühl in Gefahr zu sein, obwohl ich frei bin. Regierungsspitzel verfolgen mich und manchmal fahren gewalttätige Sicherheitsbeamte aus dem Daun-Penh-Bezirk mit Motorrädern nachts vor meinem Haus auf und ab, um mich zu fotografieren.

Ich möchte, dass die Welt weiß, was hier vorgeht. Die Kampagne zu meiner Freilassung und zur Freilassung anderer Aktivist*innen war enorm wichtig: Nicht nur, weil sie uns den Rücken gestärkt hat, sondern weil sie Aufmerksamkeit auf die Ungerechtigkeiten lenkt, gegen die wir hier kämpfen. Den kambodschanischen Behörden wäre es lieber, wenn diese Vorgänge im Dunklen bleiben würden.

Ich will, dass die Vertreibungen aufhören und möchte hier frei leben und mich sicher fühlen. Ich möchte, dass sich die Regierung so um die Aufrechterhaltung der Menschenrechte sorgt, wie um das Geld, das sie durch solche Bauprojekte verdient.

Ich bin sehr stolz darauf, was ich für die Boeung-Kak-Gemeinschaft erreicht habe. Vorher war ich nur eine wenig gebildete, gewöhnliche Hausfrau und hatte wenig Ahnung von sozialen Themen und der Welt. Wir haben für fast alle Betroffenen eine Lösung gefunden. Darauf bin ich stolz; auch wenn es bedeutete, dass ich dafür eine Haftstrafe absitzen musste.

Wenn wir Probleme haben und die Hoffnung schwindet, schwächt uns das und wir verlieren daher möglicherweise unser Ziel aus den Augen. Ich möchte, dass die Menschen hoffnungsvoll bleiben. Wir sind unschuldige Menschen, keine Verbrecher*innen. Daher werden wir erfolgreich sein; wenn wir darauf vorbereitet sind, für unser Ziel mit vollem Einsatz zu kämpfen.

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal hier, in meinem Zuhause, vor meiner Familie und Gemeinschaft mit Amnesty International sprechen würde. Einfach mein Haus betreten und verlassen zu können und mich draußen frei zu bewegen ist für mich noch ganz neu.

Ich möchte mich bei all jenen bedanken, die sich für meine Freilassung eingesetzt haben und die es mir so ermöglicht haben, wieder zu meinen Kindern und Eltern zurückzukehren. Ihr habt mich getröstet und ich fühlte mich daher weniger allein. Ich danke euch für euren unermüdlichen Einsatz, damit die Menschenrechte überall auf der Welt respektiert werden.