Welche Folgen hatten die Enthüllungen für die Verantwortlichen in US-Armee und US-Regierung?
So hoch das Strafmaß für Chelsea Manning war, so glimpflich kamen die Piloten der beiden US-Kampfhubschrauber davon, die für den Tod von 12 Zivilisten und zwei Reuters-Reportern verantwortlich sind. Die US-Armee untersuchte den Vorfall, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass das Verhalten der Piloten und der Angriff konform mit den Einsatzregeln des US-Militärs im Irak seien. Ein Gerichtsverfahren gab es deshalb nicht.
Brigadegeneral Janis Karpinski, die zeitweise Kommandantin von Abu Ghraib war, wurde 2005 zum Oberst degradiert. Ein Prozess hat nie stattgefunden. Die Soldat*innen, die Folter im Gefängnis von Abu Ghraib begangen haben, wurden meist zu drei bis zehn Jahren Gefängnis verurteilt, viele jedoch bereits vorzeitig aus der Haft entlassen. Gegen die unzähligen CIA-Agenten, die in Guantánamo und Abu Graib sogenannte „erweiterte Verhörtechniken“ einsetzten, die der Folter von Gefangenen des "Kriegs gegen den Terror" gleichkamen, gab es keine Strafverfolgung.
Auch von politischer Seite der US-Regierung im Weißen Haus, Pentagon oder der CIA wurde nie jemand für die Menschrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen – oder hat die Verantwortung übernommen. Die Behörden haben darin versagt, die Verantwortlichen auf allen Ebenen zur Rechenschaft zu ziehen. Irakischen Opfern der Menschenrechtsverletzungen durch die USA wird die Möglichkeit der Erhebung
einer Klage bei US-Gerichten verweigert.
Die Menschenrechtsverletzungen in Guantánamo, dessen Schließung bereits 2009 vom damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden angekündigt wurde, halten an: Noch immer werden in dem Gefangenenlager 40 Menschen festgehalten. Amnesty fordert weiterhin, die unzähligen unter internationalem Recht begangenen Straftaten während der letzten 19 Jahre vollständig aufzuklären und das Gefangenenlager zu schließen (mehr dazu im Amnesty Bericht vom Jänner 2021: USA, Right the Wrong: Decision Time on Guantánamo). Für Joe Biden sollte in seiner Amtszeit als US-Präsident nun der Zeitpunkt kommen, alte Versprechen endlich einzulösen.
Die Soldatin jedoch, die ohne Furcht vor den Konsequenzen die geheime Informationen veröffentlichte, und so auf mögliche Menschenrechtsverletzungen durch das US-Militär im Irak und in Afghanistan hinwies, wurde zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt. Es scheint klar, dass dieses Urteil nur dem Zweck diente, ein Exempel an einer Soldatin zu statuieren, die die wahren Kosten des Krieges aufzeigen wollte.
„Die Behandlung von Chelsea Manning ist besonders abstoßend angesichts der Tatsache, dass niemand für die mutmaßlichen Verbrechen verantwortlich gemacht wurde, die sie ans Licht gebracht hat. Wir werden weiterhin darauf drängen, dass eine unabhängige Untersuchung zu den mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen stattfindet, die sie öffentlich gemacht hat. Zudem verlangen wir, dass Schutzmechanismen eingesetzt werden, die sicherstellen, dass Whistleblower*innen wie Chelsea Manning nie wieder so entsetzlich behandelt werden“, sagte Margaret Huang, Direktorin von Amnesty USA.
Headerbild: Briefe für die Freilassung von Chelsea Manning beim Amnesty International Briefmarathon 2014