Wie ist Femizid als Menschenrechtsverletzung definiert?
In den internationalen Menschenrechtsstandards wurden eine Reihe von Normen und Grundsätzen entwickelt, um Rechte von Frauen zu gewährleisten. Das Recht der Frauen auf ein Leben frei von Gewalt ist im internationalen Menschenrechtssystem verankert.
Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) wurde 1979 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Konsens angenommen. CEDAW verpflichtet zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen und dazu, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um diskriminierende Gesetze, Vorschriften, Bräuche und Praktiken zu ändern oder aufzuheben. Die 1993 verabschiedete Erklärung zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen enthält Normen und Grundsätze, die zu Quellen des Völkerrechts geworden sind.
In Lateinamerika wurde 1994 das Interamerikanische Übereinkommen zur Verhütung, Bestrafung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, auch bekannt als das Übereinkommen von Belém do Pará, verabschiedet. Das Übereinkommen war der erste verbindliche internationale Vertrag, der das Recht auf ein Leben frei von Gewalt sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich als Menschenrecht anerkennt (Artikel 3). Er definiert Gewalt gegen Frauen als "jede Handlung oder jedes Verhalten aufgrund des Geschlechts, das Tod oder körperliche, sexuelle oder seelische Schäden oder Leiden für Frauen verursacht, sei es im öffentlichen oder privaten Bereich" (Artikel 1). Die Vertragsstaaten des Übereinkommens von Belém do Pará sind verpflichtet, mit allen geeigneten Mitteln und unverzüglich Maßnahmen zur Verhütung, Bestrafung und Beseitigung aller Formen von Gewalt gegen Frauen zu ergreifen (Artikel 7). Aus dieser von den Vertragsstaaten übernommenen Verpflichtung folgt, dass ein Staat, der Frauenmorde nicht mit der gebotenen Sorgfalt verhindert, untersucht oder bestraft, seiner Verpflichtung, unter anderem das Recht auf Leben zu garantieren, nicht nachkommt. Das Fehlen eines angemessenen Schutzes für Frauen durch den Staat und das Versäumnis, Gewalt gegen sie zu verhindern und zu untersuchen, ist eine Verletzung der Verpflichtung des Staates, die völkerrechtlich anerkannten Menschenrechte zu achten, zu schützen und zu erfüllen.
Im Jahr 2009 fällte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IACtHR) ein wegweisendes Urteil im berüchtigten Femizid-Fall González y otras "campo algodonero" vs. México (spanisch für „González et al. "Baumwollfeld" gegen Mexiko) über die bereits oben erwähnten Serienmorde an Frauen in Ciudad Juárez in Mexiko. Das Urteil bestätigte das Konzept des Femizids als geschlechtsbasierter Mord und die klare Verpflichtung des Staates, das Problem anzugehen und die Täter vor Gericht zu bringen.
Auch die Europäische Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (so genannte „Istanbul-Konvention”) hat zum Ziel, insbesondere Frauen vor jeglicher Form geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen, solche Gewalt zu verhindern und die Täter*innen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Istanbul-Konvention wurde 2011 vom Ministerkomitee des Europarates verabschiedet und ist das erste Instrument in Europa, das rechtsverbindliche Standards zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt setzt. Sie wurde von allen EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet und von 21 Staaten ratifiziert (Österreich, Belgien, Kroatien, Zypern, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien und Schweden).
Das Protokoll zur Afrikanischen Menschen- und Völkerrechtscharta betreffend Frauenrechte in Afrika (das so genannte „Maputo-Protokoll”) wurde von der Afrikanischen Union am 11. Juli 2003 verabschiedet und trat am 25. November 2005 in Kraft. 43 Staaten haben es inzwischen unterzeichnet. Das Dokument formuliert in insgesamt 31 Artikeln spezifische Rechtsansprüche zum Schutz von Frauen und Mädchen in Afrika unter Berücksichtigung der sozio-kulturellen Rahmenbedingungen. Das umfasst die Garantie und Anerkennung ziviler, politischer, ökonomischer und kultureller Rechte für Frauen aber auch besonderen Schutz von Frauen in bewaffneten Konflikten, vor Ausbeutung und vor Entwürdigung sowie vor gesundheitsschädigenden traditionellen Praktiken, etwa der weiblichen Genitalverstümmelung.
Statistiken über Femizide und Gewalt an Frauen weltweit und in Österreich
Laut einem UN-Bericht wurden im Jahr 2022 rund 89.000 Frauen und Mädchen vorsätzlich getötet – der höchste Stand seit 20 Jahren.
Die meisten Tötungen von Frauen und Mädchen haben geschlechtsspezifische Motive. Im Jahr 2022 wurden weltweit rund 48.800 Frauen und Mädchen von ihren Partnern oder anderen Familienmitgliedern getötet. Das bedeutet, dass im Durchschnitt jeden Tag mehr als 133 Frauen oder Mädchen von einer Person aus ihrer eigenen Familie getötet wurden.
Die meisten vorsätzlichen Tötungsdelikte an Frauen und Mädchen sind geschlechtsspezifisch. Das wahre Ausmaß des Problems könnte allerdings noch größer sein. Die Schätzungen sind möglicherweise zu niedrig angesetzt, da in etwa vier von zehn Fällen nicht ausreichend Informationen vorhanden sind, um geschlechtsspezifische Motivationen zu identifizieren.