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Coronavirus in Jammu und Kaschmir: Das Recht auf Information muss wiederhergestellt werden

19. März 2020

Zusammenfassung

  • Bereits seit Anfang August 2019 wurde der Zugang zum Internet in Jammu und Kaschmir stark eingeschränkt.
  • Besonders jetzt, während der Coronavirus-Pandemie, haben die Menschen in diesen indischen Territorien das Recht auf Information und Gesundheit.
  • Amnesty fordert von der Regierung, den vollen Zugang zum Internet umgehend wiederherzustellen.

Am 19. März 2020 zählte die indische Regierung 166 bestätigte Fälle in Indien, davon vier in Jammu und Kaschmir. Trotz der steigenden Krankheitsfälle hat die Regierung von Jammu und Kaschmir am 17. März die Einschränkungen des Internets, die nach der Aufhebung des Sonderstatus' im August 2019 beschlossen wurde, bestätigt. In grossen Teilen der Region bleibt die Leistung des Internet auf 2 G limitiert. In manchen Gebieten ist das Internet ganz abgeschaltet. Um die Verbreitung des Corona Virus zu verlangsamen, hat die Regierung auch alle Schulen, öffentlichen Parks, Hotels und Restaurants geschlossen sowie öffentliche Versammlungen verboten.

"Die Angst der Menschen in Jammu und Kaschmir vor der Pandemie nimmt zu", sagt Avinash Kumar, Direktor von Amnesty Indien. 

Die Einschränkungen des Zugangs zu Informationen tragen zu einer wachsenden Panik bei. Die Abschaltung oder Verlangsamung des Internets macht es für die Menschen noch schwieriger, eine ohnehin schon schwierige Situation zu meistern.

Avinash Kumar, Direktor von Amnesty Indien

"Auch verspielt sich die Regierung das Vertrauen, das sie bräuchte, um der Pandemie angemessen zu begegnen. Die indische Regierung muss das Recht der Menschen auf Information respektieren und die Einschränkungen des Internets umgehend aufheben" sagt Avinash Kumar weiter.

Die universelle Menschenrechtserklärung garantiert das Recht auf Gesundheit. Die öffentliche Gesundheit muss auch für die verletzlichsten Mitglieder der Gesellschaft gewährleistet sein. Die Menschenrechte müssen auch bei Prävention und Behandlung von Virenerkrankungen respektiert werden. Dazu gehören der Zugang zu gesundheitsrelevanten Informationen und zu adäquater gesundheitlicher Versorgung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfahl zuletzt am 17. März 2020, dass die Öffentlichkeit informiert werden muss, damit alle Menschen die nötigen Schritte einleiten können, um sich und ihre Familien zu schützen. Durch den Zugang zu vertrauenswürdiger Information können die Risiken einer Pandemie besser eingeschätzt werden, so die WHO. Damit wirke der Zugang zu Informationen möglichen Panikreaktionen entgegen.

Menschen in Jammu und Kaschmir haben das Recht auf Informationen zur aktuellen Krise rund um COVID-19. Sie haben das Recht, zu wissen, wie sie sich schützen können, und was die Regierung unternimmt, um das Virus einzudämmen. Nur so können die Menschen angemessen reagieren und die richtigen Entscheidungen zu ihrem Schutz treffen. Durch die Einschränkung des Zugangs zu Informationen nehmen Angst, Wut und Frustrationen zu; dies schadet dem Schutz der persönlichen und öffentlichen Gesundheit. Diese Einschränkungen können gar einer Verletzung der Menschenrechte gleichkommen.

"Die Situation rund um das Coronavirus entwickelt sich laufend. Die zuständigen Behörden müssen die Einschränkungen des Internets umgehend aufheben, damit sich die Menschen adäquat informieren und verhalten können. Die Bemühungen, das Coronavirus einzudämmen, dürfen nicht mit Intransparenz, Zensur und möglichen Verletzungen der Menschenrechte einher gehen", sagt Avinash Kumar.

HINTERGRUND

Im August 2019 hob die Regierung den in Artikel 370 der indischen Verfassung garantierten Sonderstatus von Jammu und Kaschmir auf und spaltete den Bundesstaat in zwei Unionsterritorien. Davor und danach kam es in der gesamten Region zu einem scharfen Vorgehen gegen die bürgerlichen Freiheiten, einer verstärkten Militarisierung, einem Ausfall der Kommunikation und zur Inhaftierung wichtiger PolitikerInnen. Die daraufhin von der Regierung verhängte Beschränkungen hinderten JournalistInnen und AktivistInnen daran, die Situation unabhängig zu dokumentieren und über die Lage zu berichten, darunter auch über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen. Der Zugang zu Notfalldiensten, Gesundheitsversorgung, Bildung und anderen Versorgungsleistungen war stark eingeschränkt.

Während zahlreiche Kommunikationsdienste wie Telefon, Mobilfunk, SMS wiederhergestellt wurden, blieb das Internet weiterhin abgeschaltet. Das Kaschmir-Tal verzeichnete die Hälfte aller Internet-Abschaltungen in Indien, dem Land, das für die höchste Anzahl von Abschaltungen weltweit steht.