„Systematisch und vorsätzlich“
Dabei handelt es sich nicht um isolierte Ereignisse. Die schiere Zahl an Fällen und die Übereinstimmung der Vorwürfe lassen auf eine systematische und vorsätzliche Politik von Seiten der kroatischen Behörden schließen.
Gleichzeitig wurden auch Fälle von Hassreden und Intoleranz gegenüber Asylsuchenden und Migrant*innen in der gesamten Region verzeichnet – darunter auch Versuche, diese als Hauptverbreiter*innen des Corona-Virus und als Bedrohung der öffentlichen Gesundheit zu diffamieren.
Etliche Länder haben Asyl- und Migrant*innenlager unter verpflichtende Quarantäne gestellt, ohne den darin eingesperrten Menschen die grundlegendste Unterstützung oder die nötigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, um sich selbst gegen eine Infektion zu schützen.
In ihren öffentlichen Erklärungen wiederholten sowohl der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, als auch die Kommissarin für Inneres, Ylva Johannson, beständig ihr Bekenntnis zu den Grundrechten, zum Recht auf Asyl und zur Notwendigkeit Extremismus und Fremdenhass zu bekämpfen.
Während seiner Anhörung vor den Europaabgeordneten, ehe er als Kommissionsmitglied bestätigt wurde, definierte Schinas „unsere europäische Lebensweise“ als „offen der Welt gegenüber, Herz und Heimat jenen gegenüber ausgebreitet, die weniger Glück haben“.
„Im Kern“, so meinte er, „bedeutet Europäer zu sein, die Verletzlichsten in unserer Gesellschaft zu schützen“.
Auch Europäische Verträge und Gesetze betonen den Respekt gegenüber den Grundrechten, darunter das Recht auf Asyl und Respekt gegenüber den Prinzipien der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement).
Ohrenbetäubendes Schweigen in Brüssel
Der Schengener Grenzkodex, der die Regeln zur Kontrolle der EU-Grenzen aufführt, hält ausdrücklich fest, dass Grenzkontrollen mit höchstem Respekt für Menschenwürde durchgeführt werden sollen.
Dennoch ist das Schweigen der Kommission zu den besorgniserregenden Vorkommnissen an der kroatischen Grenze geradezu ohrenbetäubend.
Es gab keinerlei öffentliche Verurteilung, keine Aufforderung an die Regierung Kroatiens, den Sachverhalt zu untersuchen oder ernsthafte Bestrebungen, eine unabhängige Überwachung einzusetzen.
Wiederholte Aufforderungen des Europäischen Parlaments, die Verstöße zu untersuchen, hatten nur zögerliche Reaktionen zur Folge, wobei unbestimmt auf Schwierigkeiten bei der Überprüfung von Behauptungen verwiesen wurde sowie auf die unvermeidliche Leugnung jeglicher Verfehlungen durch die kroatischen Behörden.