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© Stefanie Hilgarth/Amnesty International

Welche Chancen und Gefahren die Digitalisierung für Menschenrechte bringt © Stefanie Hilgarth/Amnesty International

Von Big Data bis zur Künstlichen Intelligenz birgt die Digitalisierung viele Gefahren für Menschenrechte – aber auch Chancen.

Vor ein paar Jahren sah das Leben komplett anders aus: Google wurde 1997 gelauncht, Facebook 2004, das erste iPhone erschien 2007. Das ist alles noch nicht ewig her. Und doch kann man sich eine Welt ohne sie kaum mehr vorstellen. Die Digitalisierung verändert sie in einem immer schnelleren Ausmaß, berührt alle Bereiche unseres Lebens, auch auf die Menschenrechte. Etwa das Recht auf Privatsphäre, das Recht auf Menschenwürde oder der Schutz vor Diskriminierung.

Gefahren: Überwachung und Datenkartelle

Daten sind eine entscheidende Ressource unserer Zeit. Internetgiganten wie Google, Twitter und Facebook haben ein Geschäftsmodell entwickelt, das auf der digitalen Erfassung des Menschen basiert. Die schiere Größe der Unternehmen macht die Tatsache, dass sie eigenhändig bestimmen können, was auf ihren Plattformen erscheinen darf und was nicht, problematisch. Im Bericht „Surveillance Giants“ zeigte Amnesty auf, wie die allgegenwärtige Überwachung von Milliarden Menschen durch Facebook und Google eine Bedrohung für die Menschenrechte darstellt.

Die Konzerne berufen sich auf den Standpunkt, ihre Geschäftsmodelle beruhen auf Zustimmung der Nutzer*innen. Das stimmt und ist doch nur die halbe Wahrheit

Die Konzerne berufen sich auf den Standpunkt, ihre Geschäftsmodelle beruhen auf Zustimmung der Nutzer*innen. Das stimmt und ist doch nur die halbe Wahrheit: Als User*innen können wir uns heute kaum mehr im Netz bewegen, ohne Dienste der großen Internetgiganten zu nutzen. Ihre Marktdominanz macht sie zu Konzernen, die irgendwo zwischen Privatunternehmen und kritischer Infrastruktur anzusiedeln sind. Wenn wir heute zum Verbreiten unserer Meinung weder die Dienste von Facebook noch Google nutzen können, ist das keine klassische Zensur. Dennoch verändert sich dadurch unser Recht auf freie Meinungsäußerung.

Auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz stecken Herausforderungen für Menschenrechte. Die Einteilung von Menschen in Risikogruppen birgt die Gefahr von Diskriminierung. Ein vermeintlich objektiver Algorithmus setzt die individuelle Bewertung des Individuums außer Kraft und kann so ohnehin marginalisierte Gruppen noch weiter benachteiligen. Man spricht dabei von einem Bias, einer Befangenheit der Algorithmen.

Chancen: Zusammenarbeit und neue Mittel

Es wäre allerdings falsch, den digitalen Wandel zu verteufeln. Nicht nur, weil er sich ohnehin nicht aufhalten lässt. Sondern weil neue Instrumente natürlich nicht nur die Chance auf Missbrauch bieten, sondern eine Menge Chancen. Mit einem Messer lässt sich Gemüse schneiden wie Verbrechen begehen.

Neue Instrumente bringen nicht nur die Gefahr von Missbrauch, sondern auch eine Menge Chancen.

Ein positives Beispiel ist das Citizen Evidence Lab von Amnesty International. Seit 2014 unterstützt die Initiative zivilgesellschaftliche Organisationen, Journalist*innen und andere darin, die Möglichkeiten, Menschenrechtsverletzungen aufzudecken, mithilfe digitaler Mittel noch besser zu nutzen. Konkrete Projekte, die in den letzten Jahren unter Mithilfe des Labs umgesetzt wurden: Amnesty Decoders, eine Plattform, mit der große Projekte – wie das Auswerten von Datensätzen an Satellitenbildern auf zehntausende Aktivist*innen aufgeteilt werden können.

Oder das Digital Verification Corps, ein Netzwerk von Studierenden an sechs Partneruniversitäten, die sich auf die Verifizierung von Online-Videos spezialisiert haben. Das alles hat konkrete Auswirkungen auf die reale Welt: Wir konnten Umweltverschmutzung in Nigeria aufdecken, Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei in Hongkong und Irak sichtbar machen. Im Zuge von „Decode Darfur“ analysierten knapp 28.600 Freiwillige insgesamt 326.000 Quadratkilometer an Satellitenbildern, um bedrohte und abgelegene Dörfer in der Region zu identifizieren. Und damit auch wieder zu zeigen: Der digitale Wandel ist nur so gut oder so schlecht, wie wir ihn regulieren und nutzen.

Text: Jonas Vogt

Dieser Text erschien im Amnesty Magazin.

Digitaler Einsatz für Menschenrechte

  • In den sozialen Medien kursieren riesige Mengen an Videos und Fotos. Einige davon können Beweise für Menschenrechtsverletzungen darstellen. Für Amnesty stellte sich die Frage: Wie können wir diese Menge an Information aus den Social Media für unsere Recherchen nutzen? Die Antwort: Gemeinsam mit Student*innen von Universitäten weltweit, arbeitet das Amnesty Digital Verification Corps (DVC) daran, Videos und Fotos auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Relevanz zu überprüfen. In speziellen Trainings lernen die Student*innen digitale Tools zu nutzen, um Material zu recherchieren und zu verifzieren. (c) Amnesty International
  • © Amnesty International
    Die Amnesty Decoders sind ein globales Netzwerk von digitalen Freiwilligen, die gemeinsam mit Amnesty Menschenrechtsverletzungen anhand großer Datenmengen recherchieren und aufdecken. Bild: Mit ihren Computern und Smartphones trugen 28.600 Decoder mehr als 9.000 Stunden lang dazu bei, abgelegene und gefährdete Dörfer in Darfur zu kartieren (Projekt Decode Darfour). Auf Satellitenbilder suchten sie nach Beweisen für Angriffe des Militärs auf Dörfer, wie signifikante Veränderungen an Gebäuden und Strukturen. (c) Amnesty International
  • Das Citizen Evidence Lab von Amnesty International nutzt Open-Source-Informationen und neue Methoden, um Beweismaterial für Menschenrechtsverletzung zu verifizieren. Open-Souce-Material wird zur Recherche herangezogen aber auch für mögliche, weitere Recherchen gesichert, da es jederzeit durch Uploader oder von Online-Plattformen gelöscht werden könnte. Das Citizen Evidence Lab arbeitet außerdem an der Ausbildung der nächsten Generation von Menschenrechtsresearcher*innen und vermittelt die notwendigen Werkzeuge und Fähigkeiten. Bild: Verifizieren von Videomaterial im Citizen Evidence Lab von Amnesty International (c) Amnesty International

video: Wie Amnesty digitale Mittel nutzt, um Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen welt aufzudecken

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