Venezuela: Politologe freigelassen
Der venezolanische Politologe Nicmar Evans wurde am 1. September zusammen mit 110 anderen Gefangenen, die Nicolás Maduro kürzlich begnadigt hatte, bedingungslos freigelassen. Er verbrachte über 50 Tage in Gewahrsam der militärischen Spionageabwehr (DGCIM), nachdem er sich in den Sozialen Medien kritisch über die Politik von Nicolás Maduro geäußert haben soll.
Am 13. Juli 2020 erschienen unbekannte Sicherheitskräfte in der Wohnung von Nicmar Evans in Caracas, schikanierten seine Familie und nahmen ihn willkürlich fest. Bis zum 17. Juli befand er sich ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft, dann wurde er vor ein Gericht gebracht, ohne dass seine Rechtsbeistände oder Familienangehörigen darüber informiert wurden. Ihm wurde also das Recht auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren verwehrt.
In der Anhörung warf man Nicmar Evans „Eintreten für Hass“ vor. Die Vorwürfe basieren auf Nachrichten in den Sozialen Medien, mit denen er Meinungen ausgedrückt haben soll, „die der Ideologie von Nicolás Maduro zuwiderlaufen“. Laut Angaben seiner Rechtsbeistände wurden in dem von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweismaterial die Twitternachrichten bzw. öffentlichen Äußerungen, in denen ihr Mandant mutmaßlich für Hass eingetreten sein soll, nicht näher spezifiziert. Die Akten enthalten keinerlei Abschriften oder Screenshots der mutmaßlich zu Hass aufrufenden Beiträge. Seit dieser Anhörung befand Nicmar Evans sich im Gewahrsam der DGCIM.
Am 31. August kündigten die Behörden eine Begnadigung von 110 Gefangenen an. Viele der unter Auflagen Freigelassenen haben mittlerweile bei ausländischen Botschaften in Caracas Schutz gesucht oder sind aus dem Land geflüchtet. Unter den 110 Begnadigten befinden sich neben Nicmar Evans mehrere Menschen, für die sich Amnesty International eingesetzt hatte, so zum Beispiel der Gewerkschafter Rubén González, Maury Carrero, Gilber Caro und Renzo Prieto.
Amnesty International weist den Eindruck zurück, dass diese Maßnahme der Begnadigung auf eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Nicmar Evans oder anderen hindeutet. Allerdings begrüßt Amnesty die Maßnahme insofern, als dass sie vielen Menschen die bedingungslose Freiheit zurückgibt, die nie hätten inhaftiert, strafrechtlich verfolgt oder durch ungerechtfertigte Einschränkungen und Bedingungen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden sollen.
Amnesty International hat zahlreiche Berichte erhalten, die die Wirksamkeit von Aktionen für gefährdete Personen in Venezuela bestätigen. Die Aktionen beeinflussen Entscheidungsträger*innen und tragen zur Solidarisierung mit Betroffenen und ihren Familien bei.
Vielen Dank allen, die sich eingesetzt haben.