Uigurin Mahira Yakub erneut in Haft
7. Jänner 2021Update März 2021:
Diese Urgent Action ist abgelaufen. Vielen Dank für deinen Einsatz!
Mahira Yakub wurde Ende November 2020 erneut inhaftiert und hat seitdem weder Kontakt zu ihrer Familie noch zu einem Rechtsbeistand. Die uigurische Mitarbeiterin eines Versicherungsunternehmens verschwand im April 2019 und wurde im Januar 2020 wegen "materieller Unterstützung terroristischer Aktivitäten" angeklagt, weil sie Geld an ihre Eltern in Australien überwiesen hatte. Am 4. September 2020 entließen die chinesischen Behörden sie vorübergehend aus der Haft und brachten sie aus unbekannten Gründen in ein Krankenhaus. Es besteht große Sorge um ihr Wohlergehen und ihre Gesundheit, da sie bei einer früheren Inhaftierung einen Leberschaden erlitten hat.
Amnesty fordertE:
- Bitte sorgen Sie dafür, dass Mahira Yakub umgehend und bedingungslos freigelassen wird – es sei denn, es liegen ausreichende, glaubwürdige und zulässige Beweise vor, nach denen sie eine international anerkannte Straftat begangen hat, und sie erhält einen Prozess, der internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
- Stellen Sie bitte sicher, dass Mahira Yakub Zugang zu ihrer Familie sowie unverzüglich eine angemessene medizinische Versorgung erhält. Gewährleisten Sie auch, dass sie ihr Recht auf eine effektive rechtliche Vertretung ihrer Wahl wahrnehmen kann und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt ist.
- Ich fordere Sie höflich und mit Nachdruck auf, jegliche Schikane und Einschüchterung der Familienmitglieder von Mahira Yakub einzustellen.
Sachlage
Mahira Yakub (玛依拉‧亚库甫), eine uigurische Versicherungsangestellte, wird zurzeit ohne Kontakt zu ihrer Familie und einem Rechtsbeistand ihrer Wahl in der Haftanstalt von Yining festgehalten. Nach ihrem Verschwinden im April 2019 wurde sie im Januar 2020 im Bezirk Ili der Autonomen Provinz Xinjiang wegen der "materiellen Unterstützung terroristischer Aktivitäten" (资助恐怖活动罪) angeklagt. Die Anklagen beziehen sich auf eine 2013 getätigte Geldüberweisung an ihre Eltern in Australien. Mahira Yakub kam am 4. September 2020 aus der Haft frei und wurde danach aus unbekannten Gründen in ein Krankenhaus gebracht. Im November 2020 brachten die Behörden sie jedoch wieder in die Haftanstalt von Yining zurück. Während dieser Zeit versuchte ihre Familie erfolglos, Kontakt zu ihr aufnehmen.
Da im Ausland lebende Verwandte von Mahira Yakub in den Sozialen Medien Informationen über ihre Lage geteilt haben, schikanieren die chinesischen Behörden auch ihre in Xinjiang wohnenden Familienmitglieder. Diese Art von Einschüchterung zielt allein darauf ab, das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken.
Da die chinesischen Behörden ihr den Kontakt zu ihrer Familie und einem Rechtsbeistand ihrer Wahl verwehren, herrscht große Sorge um das Wohlergehen und den Gesundheitszustand von Mahira Yakub – zumal sie keine angemessene medizinische Behandlung erhielt, als sie zwischen März und Dezember 2018 in einer Einrichtung für "Transformation durch Erziehung" einen Leberschaden erlitt.
Hintergrundinfo
Mahira Yakub arbeitete für das Versicherungsunternehmen China Life Insurance Co. Außerdem verkaufte sie Walnüsse auf lokalen Märkten und erteilte uigurischen Kindern abends Sprachunterricht in Mandarin. Nach Mahira Yakubs Verschwinden im April 2019 wandte sich ihre in Australien lebende Schwester an die dortigen Behörden. Erst im September 2019 erfuhr sie durch einen Austausch zwischen den australischen Behörden und der chinesischen Botschaft in Canberra, dass Mahira Yakub am 15. Mai 2019 wegen des Verdachts der Finanzierung terroristischer Aktivitäten festgenommen und "im Juli 2019 wegen der mutmaßlichen Finanzierung terroristischer Aktivitäten strafrechtlich verfolgt wurde und sich derzeit bei guter Gesundheit befindet".
Die Eltern von Mahira Yakub werden von den chinesischen Behörden als "Terroristen auf der Flucht" bezeichnet, konnten China aber 2015 und 2016 unbehelligt besuchen. Sie standen auch bei den australischen Behörden in keiner Weise wegen mutmaßlicher krimineller Aktivitäten in Verdacht.
Nach Angaben ihrer Schwester hat Mahira Yakub im Juni und Juli 2013 Geld an ihre Eltern überwiesen, um diese beim Kauf eines Hauses in Australien zu unterstützen. Mahira Yakubs Schwester ist im Besitz der entsprechenden Unterlagen, darunter Belege der getätigten Überweisungen und eine Bestätigung des Hauskaufs. Die chinesischen Behörden behaupteten auch, dass Mahira Yakub im Besitz von Gegenständen sei, die Extremismus förderten, darunter 66 Fotos. Ihre Schwester geht jedoch davon aus, dass auf den Fotos sie selbst, Mahira Yakub und ihre Mutter zu sehen sind, jeweils bekleidet mit einem Kopftuch. Für die Inhaftierung von Mahira Yakub in der Einrichtung zur "Transformation durch Erziehung" von März bis Dezember 2018 wurden keine Gründe genannt. Es war unklar, ob diese Inhaftierung in einem Zusammenhang mit den Geldüberweisungen an ihre Eltern stand.
Xinjiang gehört zu ethnisch vielfältigsten Regionen Chinas. Mehr als die Hälfte der 22 Millionen Einwohner*innen der Region gehören überwiegend turksprachigen und meist muslimischen ethnischen Gruppen an, darunter Uigur*innen (rund 11,3 Millionen), Kasach*innen (rund 1,6 Millionen) und andere Bevölkerungsgruppen, deren Sprache, Kultur und Lebensweise sich deutlich von denen der Han-Chines*innen unterscheiden, die im "inneren" Chinas die Bevölkerungsmehrheit bilden.
Im März 2017 erließ die Autonome Region Xinjiang eine Verordnung zur "Entextremisierung", die ein breites Spektrum an Handlungen beschreibt und diese als "extremistisch" verbietet. Dazu zählen unter anderem "Verbreitung von extremistischem Gedankengut", die Verunglimpfung von staatlichen Radio- oder Fernsehsendern und die Verweigerung, diese zu konsumieren sowie das Tragen von Burkas oder "ungewöhnlichen" Bärten. Darüber hinaus zählen Widerstand gegen die nationale Politik sowie das Publizieren, Herunterladen, Aufbewahren und Lesen von Artikeln oder Publikationen und audiovisuellen Beiträgen mit "extremistischem Inhalt" zur Liste dieser "extremistischen" Handlungen. Aufgrund der Verordnung wurde zudem ein "Zuständigkeitssystem" eingerichtet, mit dem die "Antiextremismus-Arbeit" der Regierung in verschiedene Bereiche eingeteilt und jährlich überprüft wird.
Es werden schätzungsweise eine Million Uigur*innen, Kasach*innen und Angehörige anderer mehrheitlich muslimischer Bevölkerungsgruppen in sogenannten Einrichtungen für "Transformation durch Erziehung" festgehalten. Die chinesischen Behörden bestritten bis Oktober 2018 die Existenz dieser "Umerziehungseinrichtungen". Danach erklärten sie, die Menschen seien freiwillig in diesen Lagern und würden eine Berufsausbildung erhalten. Ziel dieser Einrichtungen sei es, den Menschen eine technische und berufliche Ausbildung zu bieten und ihnen zu ermöglichen, eine Arbeit zu finden und sich zu "nützlichen" Bürger*innen zu entwickeln. Im Widerspruch zu diesen Erläuterungen stehen allerdings die Berichte von ehemaligen Insass*innen dieser Lager, die Schläge, Nahrungsentzug und Isolationshaft beschreiben. China ist bisher den Aufforderungen der internationalen Gemeinschaft und auch von Amnesty International nicht nachgekommen, unabhängige Expert*innen uneingeschränkt nach Xinjiang einreisen zu lassen. Stattdessen versucht die chinesische Regierung, kritische Stimmen zu unterdrücken, indem sie sorgfältig ausgewählte Delegationen aus verschiedenen Ländern zu streng durchgeplanten und überwachten Besuchen nach Xinjiang einlädt.