Solidarisch mit Sexarbeiter*innen
4. Juni 2021Das Amnesty-Netzwerk Frauenrechte zeigt jedes Jahr besonders am Internationalen Hurentag am 2. Juni Solidarität mit den Anliegen von Sexarbeiter*innen. Auch heuer waren wir bei der von LEFÖ organisierten Aktion am Wiener Urban-Loritz-Platz dabei.
Die Sexarbeiter*innen-Selbstorganisationen sexworker.at und Red Edition, sowie die Beratungseinrichtungen maiz (Linz), PiA (Salzburg), iBUS (Innsbruck), SXA-Info (Graz) und LEFÖ (Wien) machten auf zahlreiche Missstände aufmerksam:
- Informationsmangel und Rechtsunsicherheit bezüglich Sexarbeit
- behördliche Willkür und diskriminierende Ungleichbehandlung in Bezug auf die Pflichtuntersuchungen
- Verbote, Illegalisierung und Einschränkung der Erwerbsfreiheit von Sexarbeiter*innen
Die bestehenden Probleme haben sich durch die Corona-Situation weiter verschärft. In dieser Pandemie, die für Sexarbeiter*innen von Berufsverboten und Diskriminierung gekennzeichnet war und noch immer ist, wurde das Problem von Informationsmangel bzw. -klarheit sowie der Uneinheitlichkeit von Informationen besonders auffällig. Sowohl Sexarbeiter*innen als auch die Beratungseinrichtungen bekamen nur unter großen Mühen Informationen über die rechtliche Situation und das weitere Vorgehen. Dieses Problem war bundesweit bemerkbar. Somit mussten die Sexarbeiter*innen in großer Rechtsunsicherheit leben, was nicht selten zu ungerechtfertigten Anzeigen und somit zu einer Verdrängung in eine noch prekärere und verwundbarere Situation führte.
Gesetzlich werden den Sexarbeiter*innen sehr viele Pflichten auferlegt, so u.a. die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen: Sehr oft während dieser Pandemie hatten die Sexarbeiter*innen aber keine Möglichkeit einen Termin dafür zu bekommen, wodurch legales Arbeiten in Österreich nicht möglich war. Aus diesen Missständen heraus wird noch deutlicher, dass es sich bei diesen Pflichtuntersuchungen um Kontrollinstrumente handelt, die einer Diskriminierung Tür und Tor öffnet. Die Berufsverbote und die weitere Illegalisierung der Sexarbeit führten zu Einkommensverlusten, Wohnungslosigkeit und Isolation.
Die Forderungen der Organisationen:
- kompetente und durchsichtige Regelungen und Kommunikation mit den zuständigen Ämtern
- mehrsprachige, leicht zugängliche Informationen über Verordnungen und Regelungen
- situationsunabhängiger, niederschwelliger Zugang zu den gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtuntersuchungen
- Gleichstellung von Sexarbeit mit anderen Berufen
- ein Ende der Kriminalisierung und Illegalisierung von Sexarbeit
Das fordert Amnesty: COVID-19 MASSNAHMEN FÜR SEXARBEITER*INNEN
Während die Welt durch COVID-19 erschüttert wurde, sind die am stärksten marginalisierten, stigmatisierten und kriminalisierten Menschen weiter in die Armut gedrängt worden, was ihre Gesundheit und ihre Menschenrechte massiv beeinträchtigt hat. Für Sexarbeiter*innen hatte nicht nur die Pandemie alleine gravierende Folgen, sondern auch die Notmaßnahmen der Regierungen, die in vielen Kontexten strafend, überbordend und/oder diskriminierend waren.
Amnesty International fordert die Regierungen nachdrücklich auf, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um den unverhältnismäßig schweren Auswirkungen von COVID-19 auf Sexarbeiter*innen entgegenzuwirken und ihre Gesundheit und andere Menschenrechte zu schützen. Das bedeutet u.a., dass Regierungen dringend notwendige Schlüsselfragen angehen müssen, auf die Sexarbeiter*innen seit dem Ausbruch von COVID-19 hinweisen.
Darunter fallen z.B.:
- der Ausschluss von sozialen und wirtschaftlichen Unterstützungsprogrammen
- die zunehmende Kriminalisierung und der mangelnde Schutz vor Gewalt
- der eingeschränkte Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen.
Empfehlungen an die Regierungen
- Stellen Sie sicher, dass Sexarbeiter*innen im Rahmen der COVID-19-Bekämpfung und der Wiederaufbaumaßnahmen nicht ausgeschlossen oder diskriminiert werden.
- Sorgen Sie dafür, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sowie alle Selbstständigen und informell Beschäftigten ohne Diskriminierung in die Arbeitslosenhilfe und andere finanzielle und soziale Unterstützungsprogramme einbezogen werden.
- Verzichten Sie auf die Durchsetzung von Gesetzen, die Sexarbeit und andere Formen einvernehmlicher sexueller Aktivität kriminalisieren, da solche Strafgesetze abschreckend wirken, wenn es darum geht, Gesundheitsversorgung und Schutz vor Gewalt zu suchen.
- Stoppen Sie alle Zwangsräumungen und stellen Sie den Zugang zu angemessenen Notunterkünften für alle sicher, die diese benötigen, einschließlich Sexarbeiter*innen.
- Stellen Sie COVID-19-bezogene Informationen, Prävention und Gesundheitsversorgung für alle Menschen ohne Diskriminierung bereit, wobei den am stärksten Ausgegrenzten besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird.
- Stellen Sie eine sinnvolle Beteiligung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern an der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen gegen COVID-19 sicher, auch durch die Zusammenarbeit mit Organisationen und Gruppen, die sich für die Rechte von Sexarbeiter*innen einsetzen.
Hier findet ihr das vollständige Public Statement im englischen Original.