Saudi-Arabien: weitere drohende Abschiebungen nach China
6. April 2022Die Uigurin Buheliqiemu Abula und ihre 13-jährige Tochter wurden am 31. März in der Nähe der saudi-arabischen Stadt Mekka festgenommen. Sie sind laut Angaben der Polizei in Gefahr, gemeinsam mit zwei bereits inhaftierten uigurischen Männern nach China abgeschoben zu werden. Buheliqiemu Abula ist die Ex-Frau von Nuermaimaiti Ruze, der seit November 2020 zusammen mit Aimidoula Waili ohne Anklage festgehalten wird. Allen vier Uigur*innen droht nun die Abschiebung nach China, wo sie mit willkürlicher Inhaftierung, Folter und Verfolgung rechnen müssten. Die saudi-arabischen Behörden müssen die Abschiebung daher stoppen, da sie gegen das Völkerrecht verstößt.
Sachlage
Am 31. März wurden die Uigurin Buheliqiemu Abula und ihre 13-jährige Tochter in der Nähe von Mekka festgenommen. Laut Angaben einiger Freund*innen von Buheliqiemu Abula erfuhren sie und ihre Tochter daraufhin von der Polizei, dass sie nach China abgeschoben werden sollen. Buheliqiemu Abula ist die Ex-Frau von Nuermaimaiti Ruze, der seit November 2020 zusammen mit Aimidoula Waili ohne Anklage festgehalten wird. Beiden Männern droht ebenfalls die Abschiebung nach China. Saudi-Arabien muss von der Abschiebung der vier Uigur*innen absehen, da das Königreich damit gegen das Non-Refoulement-Prinzip verstoßen würde.
Die chinesische Regierung unternimmt große Anstrengungen, um die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang zu vertuschen und Angehörige der uigurischen Diaspora daran zu hindern, darüber zu sprechen. Das ist auch der Grund, warum die chinesische Regierung die Auslieferung zahlreicher im Ausland lebender Uigur*innen gefordert hat und diese allein aufgrund ihres friedlichen Aktivismus des "Terrorismus" oder "Extremismus" beschuldigt. Im chinesischen Recht sind "Terrorismus" und "Extremismus" unverhältnismäßig breit ausgelegt und vage formuliert, und die Gesetze werden dazu benutzt, hart gegen Uigur*innen und andere muslimische ethnische Minderheiten vorzugehen.
Unzählige Beweise, darunter an die Öffentlichkeit geratene Regierungsdokumente, Hunderte von Zeugenaussagen sowie Drohnenvideos und Satellitenbilder, belegen, dass die chinesische Regierung Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, darunter die Inhaftierung, Folter und Verfolgung von Uigur*innen und anderen meist muslimischen ethnischen Minderheiten in Xinjiang auf der Grundlage ihrer Religion und ethnischen Zugehörigkeit.
Sollten Buheliqiemu Abula, ihre Tochter, Nuermaimaiti Ruze und Aimidoula Waili nach China abgeschoben werden, würden ihnen dort willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen drohen. Mit der Abschiebung würde Saudi-Arabien gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen verstoßen.
Hintergrundinformation
Buheliqiemu Abula ist eine Uigurin mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung in Saudi-Arabien und der Türkei. Bis Mitte März stand sie in regelmäßigem Kontakt mit ihrem Ex-Mann Nuermaimaiti Ruze. Zuletzt telefonierte sie am 20. März mit ihm, als er ihr mitteilte, dass er den saudi-arabischen Behörden gesagt habe, er und Aimidoula Waili "würden lieber hier sterben als nach China zurückgeschickt zu werden". Nuermaimaiti Ruze kam zum ersten Mal im Juni 2013 für die Pilgerfahrt Umrah aus China nach Saudi-Arabien. Er blieb in Mekka und arbeitete unter dem Sponsorensystem in einem Restaurant. Aimidoula Waili ist ein chinesischer Rechtsgelehrter der muslimischen Minderheit der Uigur*innen. Diese Bevölkerungsgruppe wird in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang im Nordwesten Chinas seit 2017 brutal verfolgt. Aimidoula Waili war im August 2013 in Xinjiang festgenommen worden, weil einer seiner Fabrikangestellten beschuldigt wurde, einen Aufstand angezettelt zu haben. Er sagte Amnesty International, dass er im Gewahrsam gefoltert wurde, indem man ihm Elektroschocks verabreichte und ihn zwang, bis zu drei Stunden täglich in Unterwäsche und Pantoffeln auf einer Eisfläche zu stehen. Nach Ableisten seiner Strafe wurde er 2016 freigelassen und reiste in die Türkei, wo er eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Im Februar 2020 reiste er mit einem Touristenvisum nach Saudi-Arabien, um dort mit seinem Freund Nuermaimaiti Ruze die Pilgerfahrt Umrah anzutreten.
Xinjiang ist eine ethnisch äußerst vielfältige Region in China. Mehr als die Hälfte der dort lebenden 22 Millionen Menschen gehören zu überwiegend turksprachigen und meist muslimischen ethnischen Gruppierungen, darunter Uigur_innen (etwa 11,3 Millionen), Kasach_innen (etwa 1,6 Millionen) und andere Bevölkerungsgruppen, deren Sprachen, Kultur und Lebensweise stark von den Han-Chines*innen abweichen, die in China in der Mehrheit sind.
Seit 2017 verübt die chinesische Regierung unter dem Deckmantel einer Kampagne gegen "Terrorismus" und "religiösen Extremismus" schwere und systematische Menschenrechtsverstöße gegen Muslim*innen in Xinjiang. Schätzungen zufolge werden seit 2017 über eine Million Menschen willkürlich in Internierungslagern in ganz Xinjiang festgehalten.
Im Juni 2021 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, der aufdeckte, dass in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang in China Hunderttausende Muslim*innen willkürlich inhaftiert, gefoltert und politisch indoktriniert sowie zu kultureller Anpassung gezwungen werden. In Zeugenaussagen von ehemaligen Inhaftierten werden die extremen Maßnahmen beschrieben, die die chinesischen Behörden seit 2017 ergreifen, um die religiösen Überzeugungen und Traditionen sowie die kulturellen Praktiken und lokalen Sprachen der muslimischen ethnischen Gruppen in der Region auszumerzen. Weitere Amnesty-Recherchen aus dem Jahr 2021 zeigen auf, dass die Kinder der Inhaftierten häufig in staatliche "Waisenkinderlager" geschickt werden, wo sie keinen Kontakt zu ihren Eltern haben und Indoktrination ausgesetzt sind.
In einer internationalen Kampagne fordert Amnesty International die Schließung der Internierungslager und beruft sich dabei auf mehr als 79 detaillierte Fallakten aktuell inhaftierter Personen. Bis September 2021 wurden weltweit mehr als 300.000 Unterschriften gesammelt, um die Freilassung all jener zu fordern, die sich aktuell in Internierungslagern und Gefängnissen in Xinjiang befinden.
Laut Artikel 3 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ist Vertragsstaaten untersagt, eine Person in ein anderes Land auszuliefern oder abzuschieben, in der sie Gefahr liefe, gefoltert zu werden. Saudi-Arabien hat das Übereinkommen am 23. September 1997 unterzeichnet.
Die Amnesty International vorliegenden Belege bieten eine Faktengrundlage für den Schluss, dass die chinesische Regierung mindestens die folgenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat: Inhaftierung, Folter und Verfolgung von Uigur*innen, Kasach*innen und anderen meist muslimischen ethnischen Minderheiten.