Paraguay: Indigene Aktivistin Bernarda Pesoa angegriffen
29. Oktober 2020Diese Urgent Action ist beendet - vielen dank für deinen einsatz!
Die Behörden in Paraguay haben im November eine Untersuchung zu dem tätlichen Angriff auf Bernarda Pesoa eingeleitet und ihr Schutz bereitgestellt. Die Sprecherin einer indigenen Qom-Gemeinschaft war Ende Oktober im Zuge eines Landkonflikts von neun Männern und Frauen im Gesicht und am Kopf verletzt worden. Amnesty wird die Lage weiter beobachten, da der Konflikt im Zusammenhang mit der Holzwirtschaft auf Qom-Gemeindeland noch nicht vorbei ist.
Am 27. Oktober wurde Bernarda Pesoa, die Sprecherin einer indigenen Qom-Gemeinschaft, von ungefähr neun Personen auf ihrem Gemeindegebiet in Benjamín Aceval tätlich angegriffen. Sie hatte sich zuvor gegen eine Eukalyptus-Plantage auf dem Land der Gemeinschaft ausgesprochen. Die Projektleitung hatte ihr Vorhaben nicht ausreichend mit den indigenen Gemeinschaften konsultiert und nicht deren freie, vorherige und informierte Zustimmung eingeholt.
Amnesty forderte:
- Ich fordere Sie auf, umgehend eine unabhängige und umfassende Untersuchung des Angriffs gegen Bernarda Pesoa einzuleiten, und sie und ihre Familie angemessen zu schützen.
Sachlage
Eine Gruppe von ungefähr neun Frauen und Männern verübte am 27. Oktober einen Angriff auf Bernarda Pesoa, die Vertreterin einer indigenen Qom-Gemeinde. Dabei wurde sie im Gesicht und am Kopf verwundet.
Die Angreifer*innen sind laut Bernarda Pesoa Bewohner*innen einer Nachbargemeinde. Sie drohten damit, ihr Haus niederzubrennen und sie noch schwerwiegender zu verletzen. Verwandte der Angreifer*innen hatten mit einer privaten Stiftung ein Übereinkommen getroffen, das auch die Ländereien der Gemeinde von Bernarda Pesoa und andere Gemeinden betrifft: Die Stiftung wollte auf diesen Ländereien eine Eukalyptus-Plantage anlegen. Bernarda Pesoa und andere indigene Sprecher*innen lehnen die Plantage aus umweltpolitischen und kulturellen Gründen ab und bemängeln, dass nicht alle betroffenen Gemeinden dem Projekt zugestimmt haben.
Hintergrundinfo
Bernarda Pesoa ist ein Mitglied der Organisation von Kleinbäuer*innen und indigenen Frauen CONAMURI sowie einer Gruppe von traditionellen Kunsthandwerker*innen in ihrer Gemeinde Santa Rosa. Seit 28 Jahren setzt sie sich zusammen mit anderen Angehörigen der Qom-Bevölkerung für die Landrechte ihrer Gemeinschaft und die Umwelt ein. Laut Bernarda Pesoa waren die Qom ursprünglich Waldbewohner*innen, die als Jäger*innen und Sammler*innen ihre Existenz sicherten. Seit den 1970er-Jahren leben sie auf dem heutigen Gebiet, das als Gemeindeland ausgewiesen ist. Die Qom verdienen ihre Lebensgrundlage heute als Handwerker*innen, die Produkte aus örtlichen Pflanzen fertigen oder als Kleinbäuer*innen, die Nutztiere wie Ziegen, Schafe oder Hühner züchten. Ihre Ländereien sind in den vergangenen Jahren auf Interesse bei Viehzüchter*innen oder privaten Firmen gestoßen, die für die lokalen Ökosysteme schädliche Projekte durchführen wollen.
Die private Stiftung Fundación Paraguaya plant die Anlage einer Eukalyptus-Plantage auf einer Fläche von ungefähr 20 Hektar auf dem Gemeinschaftsgebiet San Francisco Asis, wo auch die Gemeinde von Bernarda Pesoa liegt. Laut der Stiftung wurde mit zwei Gemeinde-Sprecher*innen eine Vereinbarung getroffen. Die Gemeindeländereien des Gebiets San Francisco umfassen aber acht verschiedene indigene Gemeinschaften. In ihren Gemeindeabkommen ist festgeschrieben, dass Angelegenheiten, die das Land aller betreffen, mit jeder Gemeinde in einem Konsulationsprozess behandelt werden müssen. Verschiedene Vertreter*innen der indigenen Gemeinschaften, darunter auch Bernarda Pesoa, prangerten an, dass auf dem Gebiet, wo die Eukalyptus-Plantage entstehen soll, Heilpflanzen sowie einheimische Bäume und Arten existieren, die sie für ihr Handwerk und ihre Lebensgrundlage benötigen. Sie betonten außerdem den bedeutenden Verlust von Biodiversität, das Austrocknen des Bodens wegen der Erosion und die Auswirkungen auf den Wasserverbrauch, der mit der Einführung dieser Monokultur einhergehen würde. Alle diese Faktoren würden das einheimische Ökosystem nachhaltig beeinträchtigen. Laut der Fundación Paraguaya zielt das Projekt darauf ab, die Biomasse und das Holz der Eukalyptusbäume über die nächsten zehn Jahre zu verkaufen.
Sprecher*innen der indigenen Gemeinschaften haben ihre Bedenken über die geplante Eukalyptus-Plantage geäußert. Sie reichten zudem Klage ein und besuchten eine Anhörung mit der Kommission zum Schutz von natürlichen Ressourcen des paraguayischen Senats (Comisión Nacional de Defensa de los Recursos Naturales, Conaderna). Außerdem bestätigte das Paraguayische Institut für Indigene Angelegenheiten (INDI) am 28. Oktober, dass im Zusammenhang mit der von der Stiftung Fundación Paraguayana geplanten Eukalyptus-Plantage keine freie, vorherige und informierte Zustimmung der indigenen Bevölkerungsgruppen eingeholt wurde. Paraguay ist Mitgliedsstaat des Übereinkommens 169 der Internationalen Arbeitsorganisation und hat die rechtsverbindlichen Verpflichtungen dieses Vertrags in die nationale Rechtsprechung integriert. In dem Übereinkommen ist festgeschrieben, dass bei Projekten, die indigene Bevölkerungsgruppen betreffen, eine angemessene Konsultation der Gemeinschaften stattfinden muss, um ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung zu gewährleisten – bevor jegliche Arbeiten begonnen werden.