© Richard Burton
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Menschenrechtsaktivistin freigesprochen!

19. September 2019

Die 18-jährige Aktivistin Maissa al-Oueslati filmte am 4. September einen Bekannten, der sich aus Protest vor einer Polizeiwache in Brand setzen wollte. Die Polizei nahm sie und ihren 16-jährigen Bruder willkürlich fest und verhörte sie unter Missachtung des tunesischen Rechts ohne einen Rechtsbeistand. Dann brachte die Polizei die beiden in ein Gefängnis, wo sie die Nacht verbringen mussten. Maissa al-Oueslati werden nun konstruierte Anklagen zur Last gelegt, für die ihr bis zu vier Jahren Haft drohen.

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, alle Anklagen gegen Maissa al-Oueslati und ihren minderjährigen Bruder fallenzulassen.
  • Bitte untersuchen Sie die willkürliche Inhaftierung von Maissa al-Oueslati und ihrem Bruder und die Weigerung, ihnen beim Verhör einen Rechtsbeistand zur Seite zu stellen.
  • Beenden Sie bitte die Straffreiheit von Sicherheitskräften und führen Sie eine Untersuchung über die Anwendung von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs durch, mit deren Hilfe friedliche Protestveranstaltungen und Aktionen bestraft werden.

Sachlage

Am 4. September nahm die tunesische Polizei in Jbal El Jloud, einem Vorort der Hauptstadt Tunis, Maissa al-Oueslati und ihren 16-jährigen Bruder fest. Maissa al-Queslati hatte erfahren, dass sich ein Nachbar vor einer Polizeiwache in Brand setzen wollte, um damit gegen seine sozialen Bedingungen zu protestieren. Sei eilte mit ihrem jüngeren Bruder aus dem Haus, um den Protestierenden zu beruhigen, bis seine Familie käme.

Mehr als fünf Polizeibeamt*innen begannen, auf den unbewaffneten Protestierenden einzuschlagen. Maissa al-Oueslati schrie und forderte die Polizei auf, ihn ihn Ruhe zu lassen. Gleichzeitig versuchte sie, das Geschehen mit ihrem Handy zu filmen. Ein Polizist entriss ihr das Handy und verdrehte ihr den Arm. Ihr Bruder rannte zu ihr und bat den Beamten, sie loszulassen. Daraufhin drückte der Polizist den halbwüchsigen Jungen zu Boden und legte Maissa al-Oueslati und ihm Handschellen an. Auf der Wache in Jbal El Jloud verhörten Polizeibeamt*innen die Geschwister ohne einen Rechtsbeistand oder ein Elternteil, obwohl das tunesische Recht dies für Minderjährige vorschreibt. Als ihr Vater zur Polizeiwache kam, händigten die Beamt*innen ihm einen Bericht aus, den er aber nicht unterschreiben wollte. Darin stand, er bestätige, dass die Kinder keinen Rechtsbeistand benötigten. Später am Abend wurden Maissa al-Oueslati und ihr Bruder in das Gefängnis Bouchoucha in einem anderen Teil von Tunis gebracht. Dort mussten sie über Nacht bleiben. Am nächsten Morgen wurden die beiden in einem Polizeifahrzeug zum Untersuchungsrichter gebracht. Er klagte Maissa al-Oueslati dreier Straftaten an: „Beleidigung eines Staatsbeamten im Dienst, übermäßige Gewalt gegen einen Staatsbediensteten und Weigerung, einer Anordnung Folge zu leisten“. Bei einer Verurteilung könnten ihr mit diesen drei Anklagen bis zu vier Jahre Haft drohen und sie könnte die Schule nicht beenden. Ihr Verfahren ist für den 19. September anberaumt. Ihr Bruder ist der „Verleumdung eines Staatsbediensteten und Weigerung, einer Anordnung Folge zu leisten“ angeklagt. Sein Prozess soll am 23. Oktober stattfinden. Bei einem Schuldspruch droht auch ihm eine Gefängnisstrafe.

Hintergrundinformation

Maissa al-Oueslati tritt trotz ihres Alters schon aktiv für die Menschenrechte ein. Sie bringt Betroffene von Menschenrechtsverletzungen mit Menschenrechtsorganisationen und Rechtsbeiständen in Kontakt. Sie berichtete Amnesty International, dass sie schon viel über Haftbedingungen gehört habe, aber nie daran gedacht habe, dass sie selbst in Haft kommen könnte. Sie beschrieb die Zustände im Bouchoucha-Gefängnis als schlecht und unhygienisch.

Tunesien wird weltweit für den demokratischen Fortschritt gelobt, den das Land seit 2011 gemacht hat, doch gegen die Freiheiten der Tunesier*innen wird weiterhin oft verstoßen. Die tunesischen Behörden scheinen das Strafgesetzbuch dazu zu missbrauchen, friedliche Protestteilnehmende strafrechtlich zu verfolgen und Andersdenkende zu unterdrücken.