Kasachstan: Bloggerin gegen ihren Willen in Psychiatrie eingewiesen
23. November 2020Update Feber 2021
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Die Bloggerin und Journalistin Aigul Utepova wurde am 23. November gegen ihren Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Sie stand bereits seit dem 17. September unter Hausarrest. Ihr wird die "Beteiligung an einer extremistischen Organisation" vorgeworfen, da sie in YouTube-Videos und in den Sozialen Medien die Regierung kritisierte. Aigul Utepova ist eine gewaltlose politische Gefangene, die nur wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung verfolgt wird, und muss umgehend freigelassen werden.
Sachlage
Aigul Utepova wurde am 23. November in das Zentrum für Psychiatrische Gesundheit in der kasachischen Hauptstadt Nursultan zwangseingewiesen. Am 19. November hatte ein Gericht in Nursultan einem Antrag der Ermittlungsbehörden stattgegeben, sie für zwei Wochen "zur Beobachtung" in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung zu bringen. Zuvor war die Journalistin und Bloggerin willkürlich nach Paragraf 405 Teil 2 des Strafgesetzbuches ("Beteiligung an einer extremistischen Organisation") angeklagt worden. Sie stand seit dem 17. September 2020 unter Hausarrest.
Es gibt keinen Grund, Aigul Utepova in das Zentrum für Psychiatrische Gesundheit einzuweisen. Nach kasachischem Recht kann eine verdächtige Person unter psychiatrische Beobachtung gestellt werden, wenn sie eines Verbrechens beschuldigt wird, das mit lebenslanger Haft oder der Todesstrafe geahndet wird. Auch in Fällen, in denen die psychische Gesundheit der verdächtigen Person angezweifelt wird, ist dies möglich. Doch Aigul Utepova war noch nie in psychiatrischer Behandlung. Außerdem gab sie an, dass sie sich erst vor kurzem einem umfassenden medizinischen Check-Up unterzogen habe – wobei von ärztlicher Seite bestätigt wurde, dass sie gesund sei.
Aigul Utepova wird wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung strafrechtlich verfolgt. Folglich betrachtet sie Amnesty International als gewaltlose politische Gefangene, die umgehend und bedingungslos freigelassen werden muss. Ihre Strafverfolgung muss sofort eingestellt werden.
Hintergrundinfo
Aigul Utepova ist eine bekannte Bloggerin und Aktivistin. Sie hat 8.000 Follower auf Facebook und eine große Fangemeinde sieht die Beiträge auf ihrem YouTube-Kanal. 2015 kandidierte sie bei den Präsidentschaftswahlen, doch zog sie ihre Kandidatur später wieder zurück. Sie wird beschuldigt, eine Anhängerin der Oppositionspartei Demokratischen Wahl Kasachstans zu sein. Am 13. März 2018 wurde die Partei willkürlich zu einer "extremistischen" Organisation erklärt, weil sie "zur nationalen Zwietracht aufstachelte". Grundlage für diese Einordnung sind die vage formulierten Anti-Extremismus-Gesetze in Kasachstan.
Nach der Zwangseinweisung von Aigul Utepova in die Psychiatrie fürchtet ihr Rechtsbeistand, dass eine willkürliche psychiatrische Diagnose zum Vorwand genommen wird, um sie zwangsweise "behandeln" und lange in der Anstalt festhalten zu können. Bei einem Versuch, Aigul Utepova am 23. November zu besuchen, wurde dem Rechtsbeistand und einer Familienangehörigen mitgeteilt, dass die Jorunalistin keinen Kontakt zur Außenwelt haben dürfe.
Dass Personen, die die Regierung kritisieren oder sich gegen bestimmte Interessengruppen stellen, zwangsweise unter psychiatrische Beobachtung gestellt werden, ist in Kasachstan nicht ungewöhnlich. 2019 entschied der UN-Menschenrechtsausschuss, dass Zinaidi Mukhortova willkürlicher Inhaftierung, Folter und anderer Misshandlung ausgesetzt war. Die Anwältin war fünf Mal gegen ihren Willen in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen und dort "behandelt" worden.
Aigul Utepova hätte niemals strafrechtlich verfolgt und unter Hausarrest gestellt werden dürfen. Diese Maßnahme verstößt gegen kasachisches Recht, das Hausarrest nur in Fällen vorsieht, bei denen die Höchststrafe fünf Jahre oder mehr beträgt. Außerdem muss sachlich begründet werden, weshalb weniger restriktive Maßnahmen nicht angewendet werden können. Die Verfolgung und der Hausarrest von Aigul Utepova sind als Vergeltungsmaßnahmen für ihre unverblümte Kritik an der Regierung einzuordnen.
Weitere Informationen finden Sie in der englischsprachigen Erklärung: https://www.amnesty.org/en/documents/eur57/3357/2020/en/.