Indonesien: Menschenrechtsaktivist*innen unter Anklage
2. November 2021Gegen Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti laufen nach der Veröffentlichung eines YouTube-Videos strafrechtliche Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verleumdung. In dem Video unterhalten sich die beiden Menschenrechtsverteidiger*innen über die Ergebnisse eines kürzlich erschienenen Berichts, in dem die mutmaßliche Beteiligung mehrerer Militärs an der Bergbauindustrie thematisiert wird. Sollte die Polizei die Anzeige weiterverfolgen, drohen den beiden wegen der Ausübung des Menschenrechts auf Meinungsfreiheit bis zu sechs Jahre Gefängnis.
Die Menschenrechtsverteidiger*innen Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti wurden vom Minister für Meeres- und Investitionsangelegenheiten wegen angeblicher Verleumdung im Rahmen des Gesetzes über elektronische Informationen und Transaktionen (ITE) bei der Polizei angezeigt. Dieses Gesetz wird seit 2016 dazu benutzt, Hunderte von Menschen zu kriminalisieren, nur weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen.
Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti werden möglicherweise strafrechtlich verfolgt, nur weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben, ein Menschenrecht, das sowohl nach internationalem als auch nach nationalem Recht garantiert ist. Die Vorwürfe beziehen sich auf ein Video auf Haris Azhars YouTube-Kanal, in dem er und Fatia Maulidiyanti einen Bericht über angebliche Verbindungen zwischen Militäroperationen und Bergbauaktivitäten im Bezirk Intan Jaya in Papua diskutieren.
Indonesien zeigt einen alarmierenden Trend bei der Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger*innen und der Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Abgesehen von dem Verfahren gegen Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti hat Amnesty International Indonesien festgestellt, dass zwischen Januar und Oktober 2021 mindestens 282 Aktivist*innen von verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren verfolgt, festgenommen, angegriffen und eingeschüchtert wurden. Es ist alarmierend, dass dies geschieht, während das Land einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat innehat.
Hintergrund
Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti sind bekannte indonesische Menschenrechtsverteidiger*innen. Haris Azhar ist Dozent, Anwalt und Geschäftsführer der Lokataru Foundation, einer zivilgesellschaftlichen Menschenrechtsorganisation. Fatia Maulidiyanti ist Koordinatorin von KontraS, einer Organisation, die seit der Soeharto-Ära in Indonesien dafür bekannt ist, Menschenrechtsverletzungen aufzudecken und sich für die Betroffenen einzusetzen.
Am 20. August 2021 stellte Haris Azhar ein Video eines Gespräches zwischen ihm und Fatia Maulidiyanti auf seinen YouTube-Kanal. Sie sprachen über einige Unternehmen, die an Bergbauarbeiten in der Goldmine Wabu Block in Intan Jaya, Papua, beteiligt sein sollen. Nach der Veröffentlichung des Videos hat der Minister für Meeres- und Investitionsfragen, Luhut Binsar Pandjaitan, ihnen am 26. August und 2. September zwei Vorladungen geschickt. Nach Angaben seines Sprechers sollten Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti ihm das Motiv, die Absicht und den Zweck des Videodialogs erklären. Der Minister war der Ansicht, dass das Video unwahre Aussagen, Rufmord und Fake News beinhaltet.
Am 29. August erklärte Haris Azhar, dass die in dem Gespräch genannten Daten aus einem Bericht mit dem Titel "Political Economy Study of Military Placement in Papua: The Case of Intan Jaya" stammten. Darin wird die mutmaßliche Verwicklung mehrerer Angehöriger des Militärs in der Bergbauindustrie beschrieben. Der Bericht wurde am 12. August 2021 von mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht, darunter Legal Aid Institute, WALHI National Executive, Pusaka Bentala Rakyat, WALHI Papua, LBH Papua, KontraS, JATAM, Greenpeace Indonesia und Trend Asia.
Am 22. September zeigte der Minister Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti auf der Grundlage des Gesetzes über Elektronische Informationen und Transaktionen (ITE-Gesetz) bei der Polizei an. Er verlangte außerdem, dass ihm beide je 100 Milliarden Rupiah (etwa 6 Millionen Euro) als Entschädigung zahlen. Am 21. Oktober wurden Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti von der Polizei in Jakarta zu einem Vermittlungsgespräch vorgeladen. Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti waren an dem Datum anwesend, der Minister Pandjaitan fehlte jedoch. Deshalb wurde das Gespräch auf unbestimmte Zeit verschoben.
Amnesty International Indonesien hat von Januar bis Oktober 2021 mindestens 282 Fälle von Verfolgungen, Festnahmen, Angriffen und Einschüchterungen von Menschenrechtsverteidiger*innen durch verschiedene Akteure registriert. Bisher wurden etwa 81 Personen unter dem ITE-Gesetz angeklagt, die meisten von ihnen wegen Verleumdung.
Bitte unterschreiben bis 1. Jänner 2022