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Gerechtigkeit für vergewaltigte Frauen!

20. November 2021

Im letzten Jahr wurden 11.200 Vergewaltigungen in Nigeria angezeigt. Unter den Betroffenen waren auch Kinder. Doch Versäumnisse der Polizei bei der Strafverfolgung sexualisierter Gewalt verhindern Gerechtigkeit für Überlebende, wie ein neuer Bericht von Amnesty International darlegt.

Trotz des von den nigerianischen Behörden ausgerufenen «Notstands» in Bezug auf sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt kommt es immer noch zu Vergewaltigungen in krisenhaftem Ausmaß. Den meisten Überlebenden wird Gerechtigkeit verwehrt, Vergewaltiger entziehen sich der Strafverfolgung, und Hunderte von Vergewaltigungen werden aufgrund der weit verbreiteten Korruption, Stigmatisierung und Beschuldigung der Betroffenen nicht gemeldet. Zu dieser Erkenntnis kommt Amnesty International im neuen Bericht «Nigeria: A Harrowing Journey - Access to Justice for Women and Girls Survivors of Rape».

Der Bericht dokumentiert erschütternde Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter eine Sechs- und eine Elfjährige, die so brutal angegriffen wurden, dass sie starben. Er zeigt auf, wie kulturelle Stereotype, Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden bei der Untersuchung von Vergewaltigungen, eine weit verbreitete Frauenfeindlichkeit und unzureichende Unterstützung für Überlebende eine Kultur des Schweigens und der Straflosigkeit geschaffen haben, die den Schutz von Hunderten von Frauen und Mädchen jedes Jahr weiterhin verhindern.

Die Angst, dass dir nicht geglaubt wird oder du sogar für die Vergewaltigung verantwortlich gemacht wirst, führt zu einer gefährlichen Kultur des Schweigens, die Überlebende davon abhält, Gerechtigkeit zu suchen.

Osai Ojigho, Direktorin von Amnesty International Nigeria

«Die Angst, dass dir nicht geglaubt wird oder du sogar für die Vergewaltigung verantwortlich gemacht wirst, führt zu einer gefährlichen Kultur des Schweigens, die Überlebende davon abhält, Gerechtigkeit zu suchen», sagt Osai Ojigho, Direktorin von Amnesty International Nigeria. «Es ist nicht akzeptabel, dass Überlebende von Vergewaltigungen solch qualvolle Torturen durchmachen müssen, um zu ihrem Recht zu kommen. Der ‚Notstand‘ hat bisher nichts zum Schutz von Frauen und Mädchen in Nigeria beigetragen.»

Der Bericht basiert auf Recherchen, die zwischen März 2020 und August 2021 durchgeführt wurden, darunter Interviews mit 14 Frauen und Mädchen im Alter zwischen 12 und 42 Jahren, die eine Vergewaltigung überlebt haben.

Anstieg von Vergewaltigungen während des Lockdowns

Im Lockdown, der 2020 verhängt wurde, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie einzudämmen, kam es zu einem Anstieg der Vergewaltigungsfälle. Im April 2020 sagte die nigerianische Frauenministerin Pauline Tallen, dass während des Lockdowns mindestens 3600 Vergewaltigungen registriert wurden. Im Juni 2020 gab die nigerianische Polizei bekannt, dass sie zwischen Januar und Mai letzten Jahres 717 Vergewaltigungen registriert hätte. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) verzeichnete im gesamten Jahr 2020 insgesamt 11200 Vergewaltigungen.

Als die Berichte über Vergewaltigungen in ganz Nigeria zunahmen, riefen die Gouverneur*innen der Bundesstaaten im Juni 2020 in Bezug auf Vergewaltigung und geschlechtsspezifische Gewalt den Notstand aus.

Triggerwarnung: Im Folgenden werden schwere Fälle der sexualisierten Gewalt thematisiert, sowie deren Folgen für die Betroffenen.

Eine Betroffene, die 22-jährige Mikrobiologiestudentin Vera Uwaila Omosuwa, wurde 2020 in einer Kirche in der Nähe ihres Hauses in Benin im Bundesstaat Edo vergewaltigt und derart brutal angegriffen, dass sie ihren Verletzungen einige Tage später erlag. Hamira, eine Fünfjährige, wurde im April 2020 von ihrem Nachbarn unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. Ihre Verletzungen waren so schwer, dass sie ihre Blase nicht mehr kontrollieren konnte.

Barakat Bello, eine 18-jährige Studentin, wurde bei einem Raubüberfall in ihrem Haus in Ibadan im Bundesstaat Oyo vergewaltigt. Sie wurde von ihren Vergewaltigern mit Macheten angegriffen und starb am 1. Juni 2020. Favour Okechukwu, ein elfjähriges Mädchen, wurde in Ejigbo im Bundesstaat Lagos zu Tode vergewaltigt. Eine 70-jährige Frau wurde im Bundesstaat Ogun vergewaltigt. Im Mai 2021 wurde im Bundesstaat Kaduna ein sechsjähriges Mädchen vergewaltigt und starb daraufhin an den Verletzungen.

Veraltete Gesetze und Versäumnisse bei der Strafverfolgung

Überlebende und NGOs, die für den neuen Bericht von Amnesty International befragt wurden, sagten, dass Stigmatisierung und die Beschuldigung der Betroffenen häufig eine Anzeige verhinderten. Überlebende erzählten Amnesty International berichteten, dass sie keine Anzeige erstattet hätten, aus Angst, dass ihnen nicht geglaubt würde. Kinder, die zunehmend zur Zielscheibe sexualisierter Gewalt werden, stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn es darum geht, diese Verbrechen zu melden, da es keine kindgerechten Meldeverfahren gibt.

Einige Überlebende berichteten von der ablehnenden Haltung der Polizei, wenn es um geschlechtsspezifische Gewalt geht. Diese hätte sie davon abgehalten, vor Gericht zu gehen. Bei der Anzeigenaufnahme seien sie gedemütigt und für die Tat verantwortlich gemacht worden.

Aktivist*innen und Anwält*innen beklagen die schlechte Qualität der polizeilichen Ermittlungen bei Vergewaltigungsfällen. Immer wieder bestechen die Täter*innen die Polizei, damit sie straflos bleiben.

Amnesty International fordert die nigerianischen Behörden auf, jetzt zu handeln, um Frauen und Mädchen vor der grassierenden sexualisierten Gewalt zu schützen. Alle gemeldeten Fälle von Vergewaltigung müssen unverzüglich gründlich und unparteiisch untersucht werden, und die Täter*innen müssen strafrechtlich verfolgt und im Falle einer Verurteilung mit angemessenen Strafen belegt werden. Diskriminierende Gesetze müssen aufgehoben und von einer konkreten Rahmenregelung für die Rechtsdurchsetzung abgelöst werden.