Afganistan: Frauenrechtlerinnen freilassen
21. Dezember 2023Seit der erneuten Machtergreifung der Taliban im August 2021 werden immer wieder Frauen, die gegen die drastischen Maßnahmen der Taliban protestieren, Opfer des Verschwindenlassens, willkürlich festgenommen und inhaftiert sowie gefoltert oder anderweitig misshandelt.
Zwischen September und November 2023 wurden auch die vier bekannten Menschenrechtsverteidigerinnen Parisa Azada, Neda Parwani, Zholia Parsi und Manizha Seddiqi willkürlich von den Taliban festgenommen und inhaftiert. Die vier Menschenrechtlerinnen hatten in der Haft bisher keinen Zugang zu Rechtsbeiständen oder regelmäßigen Familienbesuchen und sind in Gefahr, gefoltert oder misshandelt zu werden. Bislang ist keine Anklage gegen sie erhoben worden. Auch Familienangehörige von Neda Parwani und Zholia Parsi wurden festgenommen.
Neda Parwani und ihre Ehemann sind inzwischen freigelassen worden. Auch Zholia Parsi und ihr Sohn sind in Freiheit. Bitte setzt euch für die Freilassung von Parisa Azada und Manizha Seddiqi ein.
Die Menschenrechtlerinnen Neda Parwani, Parisa Azada, Manizha Seddiqi und Zholia Paris wurden jeweils am 9. September, am 27. September und am 9. Oktober willlkürlich in ihrem Zuhause festgenommen. Berichten zufolge befanden sich Zholia Parsi, Neda Parwani und Parisa Azada in der Taliban-Haftanstalt im Distrikt 40. Manizha Seddiqi wurde jedoch am 5. Dezember 2023 ins Kabuler Pul-e Charkhi-Gefängnis verlegt. Am 4. Dezember soll Zholia Parsi aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands, der die Folge von Folter und Misshandlungen sein könnte, ins Krankenhaus und wieder zurück ins Gefängnis gebracht worden sein.
Zholia Parsi, eine der führenden Aktivist*innen für die Rechte von Frauen und Mädchen und Gründerin der Frauenrechtsorganisation "Spontaneous Movement of Afghan Women", wurde zusammen mit ihrem Sohn festgenommen und inhaftiert. Neda Parwani, Frauenrechtlerin und beliebte YouTuberin, wurde zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem vierjährigen Sohn festgenommen. Manizha Seddiqi, Frauenrechtlerin und Mitglied von "Spontaneous Movement of Afghan Women", wurde Opfer des Verschwindenlassens. Einige Wochen nach ihrem Verschwinden stellte sich heraus, dass sie sich im Gewahrsam der Taliban befand. Parisa Azada, Mitglied der Frauenrechtsorganisation "Afghanistan Women’s Movement for Justice and Freedom", wurde ebenfalls willkürlich festgenommen und an einem unbekannten Ort inhaftiert. Die Frauen befinden sich lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung in Haft.
Nach Erkenntnissen von Amnesty International werden den inhaftierten Menschenrechtlerinnen Familienbesuche vorenthalten, und sie haben weder Zugang zu einem Rechtsbeistand noch zu der benötigten medizinischen Versorgung. Außerdem ist zu befürchten, dass sie der Gefahr von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind. Diese Sorge wird noch verstärkt angesichts der Informationen, die Amnesty International über Fälle von Inhaftierten in den Haftanstalten und Gefängnissen der Taliban vorliegen. Zwischen Januar 2022 und Juli 2023 berichtete die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA), dass die Hälfte der 1.600 in Taliban-Gefängnissen begangenen Menschenrechtsverletzungen Folter oder andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung darstellten. Darüber hinaus werden Gefangene häufig unter unwürdigen Bedingungen und ohne Zugang zu der benötigten medizinischen Versorgung festgehalten.
Hintergrund
Die Festnahmen der Menschenrechtsverteidigerinnen verstoßen gegen mehrere internationale Menschenrechtsabkommen wie z. B. den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Afghanistan gehört. Außerdem stellen sie einen Verstoß gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung dar. Seit der Machtergreifung der Taliban in Kabul im August 2021 schränken die De-facto-Behörden in zunehmendem Maße die Rechte von Frauen und Mädchen ein und verbieten ihnen die Teilhabe an Politik und öffentlichem Leben. Durch die von den De-facto-Behörden eingeführten Maßnahmen werden die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung sowie die Rechte auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung beschnitten. Trotz alledem haben Frauen in mehreren afghanischen Städten, darunter in Kabul, Faizabad, Herat und Masar-e Scharif (Mazar-i-Sharif), friedliche Demonstrationen veranstaltet.
Frauen, die diese Demonstrationen organisiert oder daran teilgenommen haben, waren Gewalt, willkürlicher Festnahme und Inhaftierung, Verschwindenlassen, Folter und anderen Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt. Im August 2023 wurden mindestens acht Mitglieder der Frauenorganisation "Women’s National Unity and Solidarity Movement" festgenommen und mehrere Stunden lang inhaftiert, weil sie Demonstrationen organisiert hatten. Teilnehmerinnen von Demonstrationen werden von bewaffneten Taliban beschimpft, belästigt, eingeschüchtert und bedroht. Die Taliban sind den Demonstrierenden zahlenmäßig weit überlegen und vernichten oder konfiszieren systematisch deren Transparente, Flugblätter und anderes Informationsmaterial. Auch einige Journalist*innen, die über diese Demonstrationen berichtet haben, wurden willkürlich festgenommen und misshandelt. Die De-facto-Behörden der Taliban sind Frauen auch im Anschluss von Demonstrationen gefolgt, um sie festzunehmen. Mehrere Frauen wurden mit vorgehaltener Waffe in ihrem Zuhause oder in vermeintlich sicheren Unterkünften festgenommen, oft unter Anwendung von Gewalt. Bei den Festnahmen wurden auch einige männliche Verwandte dieser Frauen von den Taliban brutal verprügelt. Die festgenommenen Frauen wurden ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert und wiederholt gefoltert oder anderweitig misshandelt.
Bitte bis 1. Februar 2024 unterschreiben.