Weiter rechtswidrige Abschiebungen nach Syrien
28. November 2019Syrische Flüchtlinge sind nach wie vor von Abschiebungen aus der Türkei nach Syrien bedroht. Gleichzeitig planen die türkischen Behörden, eine große Zahl von ihnen in eine sogenannte „Sicherheitszone“ in Nordsyrien umzusiedeln. Dieses Gebiet ist eine aktive Konfliktzone – was nicht zuletzt die aktuellste türkische Militäroffensive in Nordostsyrien im Oktober 2019 belegt.
Setz dich für die syrischen Flüchtlinge ein!
Die Behandlung syrischer Flüchtlinge in der Türkei gibt Anlass zu großer Sorge. Langjährige Pläne zu einer rechtswidrigen Umsiedlung einer großen Zahl von ihnen in eine sogenannte „Sicherheitszone“ in Nordsyrien scheinen vor ihrer Umsetzung zu stehen.
Die Türkei ist derzeit das Land mit den meisten Flüchtlingen weltweit: ungefähr 4 Millionen. Diese hohe Zahl entbindet die türkische Regierung jedoch nicht von ihrer Pflicht, sich an das Völkerrecht zu halten und alle Personen unter ihrer Hoheitsgewalt zu schützen – das gilt auch für syrische Flüchtlinge.
Am 25. Oktober 2019 veröffentlichte Amnesty International den neuen Bericht Sent to a war zone: Turkey’s illegal deportations of Syrian refugees (vgl. https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/tuerkei-tuerkei-fluec…). Darin ist dokumentiert, wie Mitte 2019 in der ganzen Türkei hunderte syrische Flüchtlinge aufgegriffen, festgenommen und gegen ihren Willen abgeschoben wurden. In der Regel waren sie zuvor hinters Licht geführt oder dazu gezwungen worden, Dokumente zu unterschreiben, die belegen sollten, dass sie selbst ihre Rückkehr nach Syrien gefordert hätten. Einige derjenigen die es schafften, in die Türkei zurückzukehren, berichteten Amnesty International, dass sie nach ihrer Wiedereinreise herausfanden, dass ihre Ausweisdokumente annulliert worden waren. Ohne gültige Ausweisdokumente erhalten syrische Staatsbürger*innen jedoch keinen Zugang zu grundlegenden Leistungen und das Risiko einer (erneuten) Abschiebung ist hoch. Eine Verlängerung der Papiere nach ihrer Annullierung wird offenbar nicht ermöglicht, obwohl diese nach türkischem Recht zulässig wäre. Syrischen Flüchtlingen stehen oft keine Rechtsmittel zur Verfügung, um sich gegen eine Abschiebung schützen zu können.
Außerdem planen die türkischen Behörden seit langem, eine große Zahl syrischer Flüchtlinge nach Nordsyrien umzusiedeln. Dafür behaupten sie fälschlicherweise, dass dieses Gebiet sicher sei. Doch Syrien ist nach wie vor eines der gefährlichsten Länder der Welt. Das unterstreicht auch die jüngste Militäroffensive in Nordostsyrien, die die türkische Regierung am 9. Oktober 2019 begann: Die Kampfhandlungen zwangen mindestens 160.000 Personen zur Flucht.
Abschiebungen nach Syrien verstoßen gegen den völkerrechtlichen Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (non-refoulement), da dort das Risiko extrem hoch ist, Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen zu werden.
Trotz gegenteiliger Behauptungen seitens der Türkei und der EU ist die Türkei kein sicheres Land für Flüchtlinge und Asylsuchende. Amnesty International und anderen Organisationen wurden glaubwürdige und konsistente Nachweise darüber vorgelegt, dass zwischen 2014 und 2018 und erneut Mitte 2019 Abschiebungen aus der Türkei nach Syrien vorgenommen wurden. Die Abschiebung in ein Land, in dem der betreffenden Person schwere Menschenrechtsverletzungen drohen (Refoulement), ist sowohl nach türkischem Recht als auch in völkerrechtlichen Verträgen, die von der Türkei unterzeichnet wurden, verboten.
Derzeit sind alle Abschiebungen nach Syrien aufgrund der unsicheren Menschenrechtslage rechtswidrig. Der dortige bewaffnete Konflikt hat seit 2011 ein kaum zu messendes Ausmaß an Zerstörung angerichtet und Millionen Menschen aus ihrem Zuhause vertrieben: Davon sind 5,6 Millionen ins Ausland geflohen, außerdem gibt es mehr als 6 Millionen Binnenflüchtlinge. Der UN-Generalsekretär António Guterres sprach im September 2019 mit Blick auf die Situation in der Region Idlib in Nordwestsyrien von einem „humanitären Albtraum“. Zuvor waren 3 Millionen Syrer*innen aus anderen Landesteilen dorthin geflohen. Amnesty International hat im Zeitraum zwischen Januar und Juni 2019 zahlreiche rechtswidrige Angriffe auf Idlib durch syrische Regierungstruppen dokumentiert. Unterstützt von Russland griffen diese Krankenhäuser, Schulen, Bäckereien und Wohngebäude an.
Urgent Action bis 26. Dez. 2019