Marokko: Auslieferung eines Uiguren stoppen!
2. März 2022Idris Hasan lebte als Angehöriger der ethnischen Minderheit der Uiguren in der Türkei. Als er von dort nach Westeuropa fliehen wollte, wurde er im Juli 2021 bei einem Zwischenstopp in Marokko festgenommen. Seiner Festnahme ging eine "Red Notice" durch Interpol voraus, welche mittlerweile zurückgezogen wurde. Die chinesische Regierung bezeichnet ihn als "Terroristen". Das ist jedoch im chinesischen Recht ein übermäßig breiter und ungenau definierter Begriff. Sein "Terroristen"-Status steht im Zusammenhang mit seiner vorherigen Arbeit für Organisationen, die sich für die Belange von Uigur*innen einsetzen. Am 15. Dezember 2021 stimmte das Marokkanische Berufungsgericht der Auslieferung von Idris Hasan nach China zu. Er befindet sich seitdem in Haft und könnte jederzeit an China ausgeliefert werden. Dort drohen ihm willkürliche Inhaftierung und Folter.
Idris Hasan, dessen Geburtsname Yidiresi Aishan ist, schwebt in großer Gefahr. Er ist chinesischer Staatsbürger und Angehöriger der muslimischen Minderheit der Uiguren. In der Nacht des 19. Juli 2021 wurde er am Flughafen von Casablanca festgenommen. Seiner Festnahme war eine "Red Notice" durch Interpol vorausgegangen, die auf Gesuch der chinesischen Behörden ausgestellt worden war. Anschließend wurde er in ein Gefängnis in der Nähe von Tiflet im Nordwesten von Marokko gebracht, wo er weiterhin festgehalten wird.
Im Zusammenhang mit seiner vorherigen Arbeit für verschiedene Organisationen, die sich für Uigur*innen einsetzen, bezeichnet die chinesische Regierung Idris Hasan als "Terroristen" und fordert seine Auslieferung. Sie bezieht sich dabei auf einen Auslieferungsvertrag zwischen China und Marokko aus dem Jahr 2016. Im chinesischen Recht sind "Terrorismus" und "Extremismus" übermäßig breit und ungenau definierte Begriffe. Diese Grauzone wird genutzt, um Uigur*innen und andere Angehörige muslimischer ethnischer Minderheiten zu verfolgen.
Es gibt ausführliche Belege und Beweismaterial dazu, dass die chinesische Regierung in der Vergangenheit mindestens die folgenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat: Inhaftierung, Folter und die systematische Verfolgung von Uigur*innen sowie anderen vorwiegend muslimischen ethnischen Minderheiten in Xinjiang. Das Vorgehen der Behörden basiert allein auf religiöser und ethnischer Zuschreibung.
Gemäß dem Völkerrecht darf Marokko keine Personen an ein Land überstellen, in dem diese Person der Gefahr von Folter oder anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre. Dies gilt auch für Abschiebungen oder Auslieferungen.
Obwohl Interpol mittlerweile ihre "Red Notice" für Idris Hasan zurückgezogen hat, da sie nicht mit ihrer Satzung vereinbar ist, befindet sich Idris Hasan weiterhin im Gefängnis. Am 15. Dezember 2021 fällte das Marokkanische Berufungsgericht eine Entscheidung zugunsten seiner Auslieferung an China (Urteil Nr. 1799). Sollte er an China ausgeliefert werden, besteht die Gefahr, dass er willkürlich inhaftiert und gefoltert wird. Außerdem verletzt seine Auslieferung die Verpflichtungen, die Marokko gemäß dem Völkerrecht hat.
Idris Hasan ist ein 34-jähriger Computerdesigner, der seit 2012 mit seiner Frau und seinen drei Kindern in der Türkei lebte. Der Uigure ist chinesischer Staatsbürger und kommt aus der Stadt Korla, die im Zentrum des Uigurischen Autonomen Gebiets Xinjiang liegt. Nachdem er sich in der Türkei nicht mehr sicher fühlte, machte er sich Richtung Westeuropa auf. Doch beim Umstieg auf dem Flughafen von Casablanca wurde er in der Nacht vom 19. Juli 2021 festgenommen.
Im August 2021 erinnerten mehrere Mandatsträger*innen der UN-Sonderverfahren an das absolute und unveräußerliche Verbot der Rückführung von Personen an einen Ort, an dem ihnen Folter und andere Formen der Misshandlung drohen, gemäß Artikel 3 der UN-Antifolterkonvention, zu deren Vertragsstaaten auch Marokko gehört. Der Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (non-refoulement) ist auch Teil des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen. Als Vertragspartei der genannten Rechtsinstrumente ist Marokko verpflichtet, deren Bestimmungen zu befolgen.
Trotzdem bestätigte das Marokkanische Kassationsgericht im Urteil Nr. 1799 am 15. Dezember 2021 das Gesuch der Auslieferung von Idris Hasan. Am folgenden Tag, dem 16. Dezember 2021, forderten vier UN-Sonderberichterstatter*innen die marokkanische Regierung dringend dazu auf, die Entscheidung des Kassationsgerichts nicht umzusetzen. Dabei verwiesen sie auf das Risiko von "schweren Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Inhaftierung, Verschwindenlassen oder Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe", dem Idris Hasan im Falle einer Auslieferung ausgesetzt wäre.
Am 20. Dezember 2021 verfügte der UN-Ausschuss gegen Folter einstweilige Maßnahmen und forderte Marokko auf, Idris Hasan nicht an China auszuliefern. Auch aufgrund des internationalen Drucks ist Idris Hasan immer noch in Marokko. Allerdings haben die marokkanischen Behörden bisher nicht auf die Forderung des UN-Ausschusses gegen Folter nach einstweiligen Maßnahmen reagiert. Idris Hasan schwebt in großer Gefahr, an China ausgeliefert zu werden. Dort drohen ihm schwere Menschenrechtsverletzungen, einschließlich willkürlicher Inhaftierung, Verschwindenlassen oder Folter.
Xinjiang ist eine ethnisch äußerst vielfältige Region in China. Mehr als die Hälfte der dort lebenden 22 Millionen Menschen gehören zu überwiegend türkischen und meist muslimischen ethnischen Gruppierungen, darunter Uigur*innen (etwa 11,3 Millionen), Kasach*innen (etwa 1,6 Millionen) und andere Bevölkerungsgruppen, deren Sprachen, Kultur und Lebensweise stark von den Han-Chines*innen abweichen, die in China in der Mehrheit sind.
Seit 2017 verübt die chinesische Regierung unter dem Deckmantel einer Kampagne gegen "Terrorismus" und "religiösen Extremismus" schwere und systematische Menschenrechtsverstöße gegen Muslim*innen in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang (Xinjiang). Schätzungen zufolge werden seit 2017 über eine Million Menschen willkürlich in Internierungslagern in ganz Xinjiang festgehalten.
Der Bericht "Like We Were Enemies in a War": China’s Mass Internment, Torture, and Persecution of Muslims in Xinjiang ist der bisher umfassendste Bericht, der die Repression gegen Uigur*innen, Kasach*innen und anderen Angehörigen mehrheitlich muslimischer Bevölkerungsgruppen in Xinjiang dokumentiert. In dem Bericht von Amnesty International werden die von der chinesischen Regierung zwischen 2017 und 2021 in Xinjiang begangenen Menschenrechtsverletzungen detailliert aufgeführt, auch solche, die außerhalb der Internierungslager begangen wurden. Die von Amnesty International dokumentierten Informationen bieten eine faktische Grundlage für die Annahme, dass die chinesische Regierung mindestens folgende Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat: Inhaftierung oder andere schwerwiegende Freiheitsberaubungen, die gegen die internationalen Menschenrechtsnormen verstoßen, sowie Folter und systematische Verfolgung.
Bitte bis 27. April 2022 unterschreiben