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Israel/OPT: Drohende Vertreibungen

24. November 2022

Jamila und Muhammad Abu Sabha und ihre sechs Kinder gehören zu den etwa 180 palästinensischen Familien, die in Masafer Yatta im Süden des Westjordanlands in den besetzten palästinensischen Gebieten leben und von Vertreibung bedroht sind. Derzeit leben rund 1.150 Palästinenser*innen, die Hälfte davon Kinder, in neun Dörfern, die vollständig abgerissen werden sollen. Nach einem 23 Jahre währenden Gerichtsverfahren kam der Oberste Gerichtshof Israels am 4. Mai 2022 zu der Entscheidung, dass die Räumung der Bewohner*innen von Masafer Yatta fortgesetzt werden darf. Die israelischen Militäraktivitäten in dem Gebiet haben seit der Entscheidung des Gerichts im Mai 2022 zugenommen, so dass befürchtet wird, dass ein Abriss unmittelbar bevorsteht. Die Durchführung dieser groß angelegten Vertreibung durch Israel käme einer Zwangsumsiedlung gleich, die ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt.

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Jamila und Muhammad Abu Sabha und ihrer Familie sowie weiteren palästinensischen Bewohner*innen im Süden des Westjordanlands in den besetzten palästinensischen Gebieten droht die Vertreibung. Neun Dörfer in der als Masafer Yatta bekannten Region sind unmittelbar von der Zerstörung, ihre 1.150 Bewohner*innen von der Vertreibung bedroht.

Die israelische Armee gab an, in dem Gebiet militärische Übungen durchführen zu müssen, und erklärte dieses deshalb zur "Schusszone". Die Dorfbewohner*innen sind rechtlich gegen dieses Vorhaben vorgegangen, da sie seit Generationen in Masafer Yatta leben und den Platz für die Viehzucht benötigen. Sie haben ihre Rechtsmittel allerdings mittlerweile ausgeschöpft, da der Oberste Gerichtshof ihren Antrag auf eine weitere Anhörung am 2. Oktober 2022 abgelehnt hat. Der Abriss von Häusern, Schulen und Straßen verstößt gegen das im humanitären Völkerrecht verankerte Recht der Bewohner*innen von Masafer Yatta auf einen angemessenen Lebensstandard, zu dem auch Wohnraum gehört.

In der Region von Masafer Yatta werden unterdessen mehrere israelische Siedlungen und Außenposten ausgebaut: Mitzpe Yair im Süden, East Susya im Westen, Avigayil, Havat Maon und Maon im Norden. Die Ansiedlung von Zivilpersonen eines Besatzungsstaates in besetzten Gebieten und die Zwangsumsiedlung von geschützten Personen sind schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Kriegsverbrechen.

Hintergrund

Masafer Yatta besteht aus 19 Ortschaften, von denen neun unmittelbar vom Abriss bedroht sind. Die israelischen Behörden haben den Abriss fast aller Häuser sowie von Ställen, Zisternen, Grund- und weiterführenden Schulen und kommunaler Infrastruktur in den Dörfern al-Fakhit, al-Majaz, al-Markaz, Halawa, Jinba, Khallet al-Dab'a, Isfay al-Fawqa, Isfay al-Tahta und al-Tabban in Masafer Yatta angeordnet. Als Begründung führen sie an, dass diese ohne offizielle Genehmigungen in einem als Militärzone ausgewiesenen Gebiet errichtet wurden. Angesichts einer systematisch diskriminierenden Land- und Wohnpolitik sind Baugenehmigungen für Palästinenser*innen jedoch nahezu unmöglich zu bekommen.

Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 4. Mai 2022, dass die Abrissarbeiten fortgesetzt werden können, haben Bulldozer der israelischen Zivilverwaltung bei zweimaligen Abbrucharbeiten am 11. Mai 2022 und am 1. Juni 2022 das Haus von Jamila Abu Sabha zerstört. Im September 2022 führte die Armee neben der Schule ihrer Kinder Panzermanöver durch. Wie sie Amnesty International berichtete, leiden ihre jüngsten Kinder im Alter von zwei, drei und vier Jahren seit den Abrissarbeiten unter Angst. Jamila Abu Sabha, Käseherstellerin und Hausfrau, musste ihre heimischen handwerklichen und haushälterischen Tätigkeiten so organisieren, dass sie in einem Zelt Platz finden. Fotos ihres Zuhauses vor dem Abriss zeigen ein kleines, einfaches Haus aus Porenbeton mit Kräutertöpfen. Muhammad Abu Sabha, der 200 Schafe besitzt und hütet, hat eine früher für das Zubehör von Hirt*innen genutzte Höhle für den Fall geräumt und eingerichtet, dass das Zelt ebenfalls abgerissen werden sollte. Ihre 14-jährige Tochter Fatima, die die Sekundarschule in al-Fakhit besucht, zeigte diese Höhle Mitarbeiter*innen von Amnesty International mit der Bemerkung: "Darin möchte ich nicht wohnen."

Die Dörfer von Masafer Yatta befinden sich in den Hügeln südlich von Hebron im C-Gebiet des besetzten Westjordanlands. Das C-Gebiet umfasst 60 % des Westjordanlandes, in dem die israelischen Behörden die ausschließliche Kontrolle über Planung und Raumordnung haben. Nach Angaben des Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen wurden zwischen 2018 und 2022 4.323 palästinensische Bewohner*innen des Westjordanlands rechtswidrig geräumt und etwa 3.500 Gebäude auf der Grundlage einer diskriminierenden Raumordnung und Planung in Gebiet C abgerissen. Mehr als 5.000 weitere Palästinenser*innen sind unmittelbar von Zwangsräumungen bedroht, insbesondere in Masafer Yatta und in den Hirtengemeinden des Jordantals wie Humsa und Hadidiya. Gleichzeitig haben die israelischen Behörden jüdische Israelis mit Subventionen, Steuervergünstigungen und günstigen Versorgungsleistungen dazu ermutigt, sich in 279 illegalen Siedlungen auf rund 40 % des Westjordanlands (ohne Ostjerusalem) niederzulassen, in denen laut Statistiken der israelischen Organisation Peace Now über 465.400 israelische Siedler*innen leben. Zwischen 2018 und 2022 genehmigte die israelische Regierung Pläne für den Bau von 10.294 Wohneinheiten in israelischen Siedlungen im C-Gebiet. Im gleichen Zeitraum und Gebiet wurden von der israelischen Regierung laut Peace Now nur 27 palästinensische Wohneinheiten genehmigt.

Am 23. November 2022 zerstörten die Bulldozer der Zivilverwaltung an einem gewöhnlichen Schulmorgen die Grundschule in Isfay al-Fawqa. Die israelische Armee hatte im Juni 2021 die wenigen befestigten Verbindungsstraßen sowie Wasserleitungen zwischen den Dörfern zerstört. Die Wasserleitungen wurden inzwischen repariert, sind aber weiterhin gefährdet. Anwohner*innen berichteten Amnesty International am 14. Oktober 2022, dass Lehrer*innen im Juni und September 2022 durch neue und unvorhersehbare militärische Kontrollpunkte gelegentlich daran gehindert wurden, die fünf (jetzt vier) örtlichen Schulen zu erreichen. Am 15. Juli wurde der 62-jährige Muhammad Ali Abu Aram nach Angaben seiner Neffen durch einen unerwarteten Kontrollpunkt bei Halawa zehn Stunden lang daran gehindert, ein Blutgerinnsel medizinisch behandeln zu lassen. Die israelische Armee beschlagnahmte wiederholt Fahrzeuge von Anwohner*innen und pendelnden Lehrer*innen mit der Begründung, sie seien in eine Sperrzone gefahren. Im Mai 2022 wurden vier Fahrzeuge von Lehrkräften der Grundschule von Jinba und der Sekundarschule von al-Fakhit beschlagnahmt. Der Schulbus von Jinba, der Kinder aus 50 Familien befördert, wurde zu Beginn des Schuljahres am 31. August 2022 beschlagnahmt. Am Samstag, den 8. Oktober, organisierten die Dorfbewohner*innen in Khallet al-Dab'a ein Fest mit Kinderaufführungen, Musik und Essensständen. Die Bewohner*innen berichteten Amnesty International, dass sie das Dorf geschmückt, Mahlzeiten zubereitet und Aufführungen einstudiert hatten, jedoch nur ein Dutzend Besucher*innen gekommen seien, weil israelische Kontrollpunkte den Zugang verhinderten.

Israel hat willkürlich große Gebiete palästinensischen Landes als Militärgebiet, Staatsland, archäologische Stätte oder Nationalpark ausgewiesen, um eine möglichst große Kontrolle über palästinensisches Land sowohl in Israel als auch in den besetzten palästinensischen Gebieten zu erhalten. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung geheimer Dokumente aus dem Jahr 1979 hat ergeben, dass Israel in den besetzten Gebieten "Schusszonen" eingerichtet hat, die etwa 20 % des besetzten Westjordanlandes ausmachen, und zwar "zu dem alleinigen Zweck, das Land schließlich israelischen Siedler*innen zu überlassen". Diese Maßnahmen der israelischen Regierung verstoßen gegen das Völkerrecht.

Bitte unterscheiben bis 18. Jänner 2023

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Foto: Israelische Behörden lassen in Masafer Yatta im Westjordanland ein palästinensisches Haus zerstören (4. Juli 2022) © IMAGO / ZUMA Wire