© Fernanda Pineda/Amnesty International
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Im Stich gelassen: Aus Venezuela geflüchtete Frauen in Peru und Kolumbien

15. Juli 2022

Der kolumbianische und der peruanische Staat sind weitgehend abwesend, wenn es darum geht, das Recht auf ein Leben frei von Gewalt und Diskriminierung für geflüchtete venezolanische Frauen zu garantieren, zu schützen und zu respektieren: Viele sind in allen Lebensbereichen geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt , so Amnesty International im Bericht Unprotected: Gender-Based Violence Against Venezuelan Refugee Women in Colombia and Peru.. Auch in Peru und Kolumbien lebende venezolanische LGBTQI+-Personen sind aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt.

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„Der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sollte für alle Staaten in Nord- und Südamerika Priorität haben, ebenso wie der Schutz derjenigen, die vor massiven Menschenrechtsverletzungen in ihren Herkunftsländern fliehen. Stattdessen sind aus Venezuela geflüchtete Frauen einem doppelten und brutalen Mangel an Schutz ausgesetzt, wie unser Bericht über die Situation in Kolumbien und Peru zeigt", sagte Erika Guevara-Rosas, Amerika-Direktorin von Amnesty International.

Mehr als sechs Millionen Menschen sind in den letzten Jahren wegen massiver Menschenrechtsverletzungen aus Venezuela geflohen. Kolumbien und Peru haben die meisten Venezolaner*innen aufgenommen und beherbergen zusammen mehr als 50 % aller Menschen, die aus Venezuela geflohen sind (1,84 Millionen bzw. 1,29 Millionen). Amnesty International ist der Ansicht, dass die Venezolaner*innen internationalen Schutzes bedürfen und das Recht haben, die Anerkennung ihres Flüchtlingsstatus zu beantragen.

Sie sagten, dass wir hierher gekommen sind, um die Familien zu zerstören, dass wir alle Prostituierte sind. Obwohl das bei weitem nicht der Fall ist, beschuldigen sie uns alle und sagen, wir seien ein schlechter Einfluss, dass wir nutzlos sind. Warum gehen wir nicht in unser eigenes Land zurück, hier gibt es nichts für uns.

Estefanía, eine geflüchtete Venezolanerin in Kolumbien

Dieser neue Bericht zeigt auf, wie venezolanische Flüchtlingsfrauen, die 50 % bzw. 58 % der venezolanischen Bevölkerung in Kolumbien und Peru ausmachen, aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Nationalität in allen Bereichen ihres Lebens Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind. Im öffentlichen Raum sind sie sowohl entlang der Migrationsrouten als auch an den Orten, an denen sie sich niederlassen, Angriffen ausgesetzt. In der Familie sind sie mit wirtschaftlicher, ehelicher, körperlicher und sexueller Gewalt konfrontiert, vor allem durch Partner oder ehemalige Partner. Und in der Arbeitswelt erleben sie verschiedene Formen von Gewalt und Arbeitsausbeutung, einschließlich des Einsatzes von Arbeitskräften zum Zweck der sexuellen Ausbeutung.
Angesichts dieser allgegenwärtigen Gewalt ist Amnesty International zu dem Schluss gekommen, dass die Staaten Kolumbien und Peru ihrer Verpflichtung, den venezolanischen Flüchtlingsfrauen ein Leben frei von Gewalt und Diskriminierung zu garantieren und den Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt Zugang zur Justiz zu gewähren, offensichtlich nicht nachkommen.
"Viele venezolanische Frauen, die Opfer männlicher Gewalt sind und deren Leben bedroht ist, ziehen es vor, sich nicht zu melden, weil sie befürchten, aufgrund ihres Dokumentenstatus aus dem Land ausgewiesen zu werden. Die Gewalt und die Risiken, denen sie ausgesetzt sind, werden durch das Fehlen spezieller Protokolle zu ihrer Unterstützung und ihrem Schutz noch verschärft. Die Regelung ihres Migrationsstatus ist ein grundlegender Schritt, damit sie die Gewalt, die sie erleben, melden können", sagte Marina Navarro, Geschäftsführerin von Amnesty International Peru.

In der ersten Hälfte des Jahres 2022 wurden umfangreiche Recherchen durchgeführt, sowohl virtuell als auch vor Ort, darunter Besuche in Lima und Tumbes in Peru sowie in Bogotá, Cúcuta und Soacha in Kolumbien. Für diesen Bericht befragte Amnesty International 63 geflüchte venezolanische Fauen und führte 45 Forschungsinterviews mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter venezolanischen Frauenorganisationen, internationalen Organisationen wie dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und UN Women sowie staatlichen Institutionen.

Ich bin hier in Lima zweimal Opfer einer versuchten Vergewaltigung geworden... und die Vergewaltigungsversuche fanden auf der Straße statt. Außerdem wollte die Polizei meine Anzeige nicht akzeptieren, denn - was hätte ich denn um 6.30 Uhr morgens auf der Straße verloren…

Mariana, ein Venezolanerin in Peru

Offiziellen Zahlen zufolge ist die geschlechtsspezifische Gewalt gegen venezolanische Flüchtlingsfrauen in Kolumbien zwischen 2018 und 2021 um 71 % und in Peru zwischen 2019 und 2021 um 31 % gestiegen. Fremdenfeindlichkeit, der Migrationsstatus, Mythen über ausländische Staatsangehörige, die Sicherheitsprobleme verursachen, und Vorurteile im Zusammenhang mit der Sexualität von Frauen, gepaart mit gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen, erhöhen die Risiken für Frauen auf der Flucht.
Der Bericht zeigt mehrere Bereiche auf, in denen der Staat sowohl in Kolumbien als auch in Peru versagt hat, um Schutz zu gewährleisten. Erstens haben venezolanische Frauen keinen effektiven Zugang zu internationalem Schutz und gesetzlich geregelten Verfahren für die Migration, was ein wesentliches Hindernis für die Gewährleistung des Schutzes ihrer anderen Rechte darstellt.
Zweitens garantieren die Staaten Kolumbien und Peru nicht das Recht venezolanischer Frauen auf diskriminierungsfreien Zugang zu Justiz und Gesundheitsdiensten. Neben vielen Unzulänglichkeiten bei den staatlichen Maßnahmen in beiden Ländern zeigt die Untersuchung, dass die für die Bedürfnisse der Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt zuständigen Beamt*innen nicht über die Rechte, Betreuungswege und Schutzmaßnahmen informiert sind, die venezolanischen Frauen zustehen, sowie über Stereotypen im Zusammenhang mit der Nationalität und dem Geschlecht dieser Frauen oder ihrer Geschlechtsidentität. Darüber hinaus werden die mangelnde Verfügbarkeit von und der fehlende Zugang zu Notunterkünften sowie das Fehlen angemessener statistischer Informationen aufgedeckt.

Viele venezolanische Frauen, die Opfer männlicher Gewalt sind und deren Leben bedroht ist, ziehen es vor, sich nicht zu melden, weil sie befürchten, aufgrund ihres Dokumentenstatus aus dem Land ausgewiesen zu werden.

Marina Navarro, Geschäftsführerin von Amnesty International Peru

Amnesty International fordert die kolumbianischen und peruanischen Behörden auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass venezolanische Frauen ein Leben frei von Gewalt und ohne Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Nationalität, ihres Migrationsstatus oder aus anderen Gründen führen können. Insbesondere sollten die kolumbianische und die peruanische Regierung die Stigmatisierung und Diskriminierung venezolanischer Frauen bekämpfen, ihren Zugang zu internationalem Schutz sicherstellen, einen effektiven Zugang zur Justiz gewährleisten, die Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt verbessern und eine umfassende Gesundheitsversorgung für Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt überlebt haben, sicherstellen.

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