Drohende Amnestie für schwerste Verbrechen
15. Februar 2019Abgeordnete des guatemaltekischen Kongresses brachten einen Gesetzesvorschlag ein, mit dem die Strafverfolgung schwerster Verbrechen während des internen bewaffneten Konflikts (1960–1996) eingestellt würde. Bei einer Verabschiedung drohen die Aussetzung laufender Ermittlungen sowie die Freilassung bereits verurteilter Personen. Will der Kongress das Recht der Opfer auf Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung respektieren, darf er diesen Gesetzentwurf nicht verabschieden. Der Entscheidungsprozess ist in vollem Gange.
Setz dich ein gegen eine Amnestie
Obwohl sich der Menschenrechtsausschuss des Kongresses dagegen ausgesprochen hatte, wird in Guatemala über einen umstrittenen Gesetzentwurf entschieden: Am 17. Januar nahm der Kongress in erster Lesung den Entwurf 5377 an, der eine Reform des Nationalen Versöhnungsgesetzes vorsieht. Bisher werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während des internen bewaffneten Konflikts begangen wurden, geahndet. Das Nationale Versöhnungsgesetz schließt solche Verbrechen von einer Amnestie aus. Die geplante Gesetzesänderung soll dies jedoch ändern: Er sieht auch für diejenigen eine Amnestie vor, denen Verbrechen wie Völkermord, Folter und Verschwindenlassen vorgeworfen werden. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde dies die Aussetzung laufender Ermittlungen zu diesen Verbrechen und die unmittelbare Freilassung bereits verurteilter Personen bedeuten.
Das Gesetz stellt einen schweren Rückschlag für das Recht Tausender von Opfern im Land dar, Wahrheit und Gerechtigkeit für die Gräueltaten zu erlangen, die sie und ihre Familien während des Konflikts erlebt haben. Es verstößt auch gegen die internationale Verpflichtung Guatemalas, schwere Verbrechen zu untersuchen, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen.
Die guatemaltekischen Gerichte und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte haben mehrfach entschieden, dass eine Amnestie für Verbrechen nach dem Völkerrecht nicht mit den Menschenrechtsverpflichtungen der Staaten vereinbar ist. Zahlreiche internationale Menschenrechtsgremien und -organisationen, darunter die Interamerikanische Menschenrechtskommission und die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, haben den Gesetzentwurf daher verurteilt.
Nach Angaben der Kommission für historische Aufklärung, die zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen während des internen bewaffneten Konflikts (1960-1996) eingerichtet wurde, wurden während der Auseinandersetzungen etwa 200.000 Menschen getötet oder Opfer des Verschwindenlassens. 93 % der begangenen Menschenrechtsverletzungen wurden staatlichen Kräften und verwandten paramilitärischen Gruppen und 3 % aufständischen Gruppen zugeschrieben.
Nach jahrzehntelanger Straflosigkeit wurden ab 2008 mindestens 30 ehemalige Militärangehörige, Militärbeauftragte und ehemalige Mitglieder paramilitärischer Zivilschutzpatrouillen unter dem Völkerrecht für Verbrechen wie Folter, Verschwindenlassen, außergerichtliche Hinrichtungen, sexualisierte Gewalt und sexuelle Sklaverei verurteilt. Eine Verabschiedung des Gesetzentwurfs hätte die unmittelbare Freilassung aller bereits verurteilten Personen sowie die Aussetzung aller laufenden Ermittlungen zur Folge.
Die vorgeschlagene Reform wurde in erster Lesung bereits angenommen. Um rechtskräftig zu werden, muss der Gesetzentwurf zwei weitere Lesungen durchlaufen und Artikel für Artikel genehmigt werden. Die zweite Lesung könnte bereits in den nächsten Wochen anberaumt werden.
Urgent Action läuft bis 12. März 2019