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Armut verletzt Menschenrechte © ED RAM / AFP / picturedesk.com

Wenn Menschen in Armut leben, werden ihre Rechte verletzt. Denn amutsbetroffenen Menschen werden meist eine ganze Reihe ihrer Menschenrechte verwehrt, etwa ihr Recht auf Wohnen, auf Arbeit oder Nahrung. Wird ein Recht verletzt, führt das häufig zu weiteren Menschenrechtsverletzungen. Wenn zum Beispiel menschenwürdiger Wohnraum nicht gesichert ist, wirkt sich das in der Folge häufig negativ auf die Gesundheit, Bildung und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen aus. Auch in Österreich sind 1.222.000 Menschen armutsgefährdet und etwa 23.000 Menschen sind obdach- oder wohnungslos. Für viele Menschen in Österreich funktioniert der Wohlfahrtsstaat gut, doch nicht für alle. Das führt dazu, dass Menschen zu Bittsteller*innen gemacht werden, die eigentlich einen Anspruch auf ihre Rechte haben. Stattdessen werden sie einem sozialen Stigma unterworfen. ​Das muss sich ändern! Auf dieser Seite erfährst du, was Armut mit deinen Menschenrechten zu tun hat und, wie wir alle gemeinsam für Veränderung sorgen können.

> Was bedeutet Armut?

> Was hat Armut mit meinen Menschenrechten zu tun?

> Gibt es Armut in Österreich und wer ist davon betroffen?

> Welche Auswirkungen hat das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Österreich auf das Recht auf soziale Sicherheit?

> Welche Auswirkungen hat die COVID-19 Pandemie auf armutsbetroffene Personen weltweit?

> Armut und WSK-Rechte: Welche Verpflichtungen haben Staaten wie Österreich bei der Armutsvermeidung?

> Was können wir alle gegen Armut in Österreich tun?

Was bedeutet Armut?

Armut bedeutet mehr als fehlendes Einkommen, um seinen*ihren Lebensunterhalt zu sichern. Armut zeigt sich in Hunger und Unterernährung oder im eingeschränkten Zugang zu Bildung. Armut bedeutet vor allem weniger Möglichkeiten für Menschen, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Armut führt zu sozialer Diskriminierung, eingeschränkter sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe und folglich sozialer Ausgrenzung.

Laut den Vereinten Nationen lebten im Jahr 2015 mehr als 736 Million Menschen unter der Armutsgrenze von $1,90 pro Tag. Die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Goal 1 der SDGs) zielen darauf ab, bis zum Jahr 2030 Armut in allen ihren Manifestationen zu beenden. Seit 1990 konnten wichtige Schritte zur Armutsvermeidung gesetzt werden. Vor allem die Vermeidung absoluter Armut ist seit den 1990er Jahren ein wichtiger Teil internationaler Entwicklungszusammenarbeit.

Doch aus heutiger Sicht scheint es wahrscheinlich, dass durch die COVID-19-Pandemie mehr Menschen weltweit von Armut betroffen sein werden. Laut Berechnungen werden als Folge der COVID-19-Pandemie mehr als 70 Millionen Menschen in extremer Armut leben.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Damit wir alle ein menschenwürdiges Leben führen können, sind unsere wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte unverzichtbar. Das sind jene Menschenrechte, die sich auf Arbeit, soziale Sicherheit, das Familienleben, die Teilhabe am kulturellen Leben oder auch den Zugang zu Wohnraum, Nahrung, Wasser, Gesundheitsversorgung und Bild beziehen. Eine mangelnde Gewährleistung und Sicherstellung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten kann weitreichende Auswirkungen für die Menschen und die Ausübung ihrer weiteren Menschenrechte haben.

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Gibt es Armut in Österreich und wer ist davon betroffen?

Auch in Österreich gibt es Armut. Laut EU SILC 2020 liegt die Armutsgefährdungsschwelle in Österreich, die sich nach 60% des Median-Einkommens berechnet, für einen Einpersonenhaushalt bei 1.328 Euro pro Monat. In Österreich sind laut dieser Studie 13,9 % der Bevölkerung im Jahr 2020 armutsgefährdet gewesen – das sind 1.222.000 Menschen. Laut der Armutskonferenz bedeutet das einen leichten Anstieg im Vergleich zu 13,3% im Jahr 2019.

Besonders gefährdet für Armut sind Frauen, Kinder, Alleinerzieherinnen und langzeitarbeitslose Menschen. 23% bzw. 350.000 Kinder in Österreich sind armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Es ist auch in Österreich davon auszugehen, wie ein Bericht der Armutskonferenz und eine Erhebung der Statistik Austria zeigen, dass die COVID-19-Pandemie erhebliche Folgen auf Menschen, die von Armut betroffen oder gefährdet sind, hatte und weiterhin haben wird. Eine Analyse von Amnesty International Österreich zeigte 2020 auf, wie sich bestehende soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten durch die COVID-19-Pandemie noch verschärften.

Welche Auswirkungen hat das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Österreich auf das Recht auf soziale Sicherheit?

Das von der türkis-blauen Regierung beschlossene Sozialhilfe-Grundsatzgesetz bezeichnete Amnesty International Österreich in ihrer Stellungnahme als „Verarmungsgesetz“, da das Gesetz nicht mehr ausdrücklich darin besteht, betroffene Menschen vor Armut zu schützen und ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Denn die Sozialhilfeleistung soll nur noch der „Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts dienen“. Die Sozialhilfe soll somit nicht mehr ein Sockel sein, der ein menschenwürdiges Leben ermöglicht, sondern nur noch ein „Beitrag“ zum Lebensunterhalt. Erste Befunde der Armutskonferenz zeigen die gravierenden Folgen der Umsetzung dieses Gesetzes durch die Bundesländer.

Jeder Mensch hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit; er hat Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Organisation und der Hilfsmittel jedes Staates in den Genuss der für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen.

Artikel 22 der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte (AEMR)

Damit legt Artikel 22 AEMR – wie auch Artikel 9 IPwskR – einen höheren Maßstab für ein menschenwürdiges Leben an, das die freie Entwicklung der Persönlichkeit und Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen mitumfasst.

Da in Österreich das Recht auf soziale Sicherheit (iSd Artikel 9 IPwskR) nicht vor Gericht durchsetzbar ist, weil wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte – und dazu zählt das Recht auf soziale Sicherheit – nicht verfassungsrechtlich verankert sind und der Internationale Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte unter Erfüllungsvorbehalt steht, gilt jedoch dieser Maßstab nicht.

Damit ist als Mindeststandard für ein menschenwürdiges Leben nur Artikel 3 Europäische Menschenrechtskonvention einschlägig; darin ist aber ein niedrigerer Maßstab vorgesehen: nämlich die Verhinderung eines menschenunwürdigen Lebens.

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736

Millionen Menschen lebten im Jahr 2015 unter der Armutsgrenze von $ 1,90 pro Tag.

120

Millionen Menschen sind weltweit seit Beginn der Pandemie 2020 in extreme Armut gerutscht.

1,8 Mrd.

Menschen weltweit sind laut offiziellen UN-Statistiken obdachlos oder wohnen in prekären Verhältnissen.

Armut und soziale Rechte: Welche Verpflichtungen HABEN Staaten wie österreich bei der Armutsvermeidung?

Rechte, die eng an einen angemessenen und menschenwürdigen Lebensstandard und somit auch an die Armutsvermeidung geknüpft sind, sind sowohl in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (vor allem Artikel 22 bis 26) als auch im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) verankert. Diese reichen vom Recht auf Arbeit, Höchstmaß an Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit bis hin zum Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, welches auch das Recht auf angemessene Nahrung und Wohnen beinhaltet.

Die Vertragsstaaten dieses Paktes sind demnach völkerrechtlich dazu verpflichtet, diese Rechte zu achten, zu schützen und zu verwirklichen. Österreich hat den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 1973 ratifiziert. Der Pakt trat 1978 in Kraft, steht jedoch unter einem sogenannten „Erfüllungsvorbehalt“. Das bedeutet, dass die im Pakt verankerten Rechte, nicht direkt in Einzelfällen vor österreichischen Gerichten anwendbar sind und sich Anwält*innen nicht direkt darauf berufen können.

Außerdem hat Österreich die Europäische Sozialcharta ratifiziert und es finden sich sowohl in zahlreichen weiteren gruppenspezifischen internationalen Menschenrechtskonventionen (wie beispielsweise in der Frauenrechtskonvention, Kinderrechtekonvention und Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen), wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, als auch in der Grundrechtecharta der Europäischen Union.

Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich

Ein menschenwürdiges Leben für alle in Österreich ist kein Almosen des Staates oder parteipolitisches Programm, sondern ein Menschenrecht. Es ist höchste Zeit, dass das auch die Verfassung in Österreich widerspiegelt.

Was können wir ALLe gegen Armut in Österreich tun?

Soziale Rechte als Menschenrechte verstehen und behandeln

Um Armut in Österreich besser zu vermeiden, ist es notwendig, dass alle Menschen ihre sozialen Menschenrechte einfordern und geltend machen können. ​Noch fehlt in Österreich das Bewusstsein für unsere wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, zu denen zum Beispiel das Recht auf Wohnen zählt. Denn das Beispiel zeigt: Wohnen wird primär als Ware gesehen und weniger als ein Recht, das menschenrechtliche Verpflichtungen und Ansprüche mit sich bringt. Wir alle – und besonders politische Entscheidungsträger*innen – müssen soziale Rechte wie das Recht auf Wohnen, auf Bildung und auf Arbeit, als Menschenrechtsthemen verstehen und behandeln. Insbesondere staatliche Verpflichtungen in Bezug auf soziale Rechte müssen besser verstanden werden, damit sie letztlich besser eingehalten werden.

Soziale Rechte müssen in der Verfassung verankert werden

Obwohl die sozialen Rechte uns allen zustehen, sind sie in Österreich nicht in der Verfassung verankert. ​Die Verankerung in der österreichischen Bundesverfassung würde die Rechtssicherheit stärken und Menschen helfen, ihre Rechte durchzusetzen. Außerdem wäre dadurch sichergestellt, dass der Schutz und die Erfüllung dieser Rechte nicht dem Ermessen einzelner Regierungen überlassen werden, sondern einen rechtlichen Status als nationale Prioritäten erhalten, an den nachfolgende Regierungen gebunden sind.

Armutskonferenz

Ein Teil der Inhalte dieser Seite wurde gemeinsam mit der Armutskonferenz Österreich erarbeitet. Amnesty International Österreich ist außerordentliches Mitglied der Armutskonferenz.

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