Wie würde eine unabhängige Ermittlungsstelle auch der Polizei selbst dienen?
Die wirksame Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen ist wichtig für ein gutes Verhältnis zwischen der Polizei und den Menschen im Land. Die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerde- und Ermittlungsstelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamt*innen könnte dazu beitragen, das Vertrauen zwischen der Bevölkerung und der Polizei zu stärken. Sie könnte das gute Miteinander fördern – im Sinne einer modernen, menschenrechtsfreundlichen Polizei, der jeder Mensch in Österreich vertrauen kann.
Statistik zu Polizeigewalt in Österreich
Lässt sich das Problem in Österreich in Zahlen und Statistiken über Polizeigewalt überprüfen? Leider nein. Denn viele der Betroffenen wenden sich aus Angst vor Repressalien oder aufgrund ihres fehlenden Vertrauens in die Aufklärung gar nicht erst an die Polizei. Daher ist das ganze Ausmaß von Polizeigewalt nicht bekannt. Und es gibt daher auch keine aussagekräftigen Statistiken über Polizeigewalt in Österreich. Aber auch ohne statistische Zahlen können wir bei Amnesty International klar feststellen, dass in Österreich Polizeigewalt nicht nur regelmäßig, sondern geradezu systematisch nicht wirksam untersucht wird. Eine unabhängige Stelle zur Untersuchung von Polizeigewalt würde auch dazu beitragen, diese Lücke in der Erfassung von Polizeigewalt zu schließen.
Was kannst du bei Polizeigewalt in Österreich tun?
Unzureichender Rechtsschutz
Leider ist Rechtsschutz für Betroffene von Polizeigewalt in Österreich grundsätzlich unzureichend. Wer eine Anzeige macht, muss im schlimmsten Fall mit einer Gegenanzeige mit dem Vorwurf der Verleumdung durch die Polizei rechnen. Laut der genannten ALES Studie hat die Behörde bei 10 Prozent der Betroffen mit einer Gegenanzeige reagiert. Wenn Betroffenen zudem sogenannte Maßnahmenbeschwerden vor den Verwaltungsgerichten erheben, gehen sie ein sehr hohen Prozesskostenrisiko ein. Wenn die Vorwürfe nicht beispielsweise durch Videos belegbar sind, haben die Beschwerden kaum Aussicht auf Erfolg.
Beratung einholen
Grundsätzlich hat jeder Mensch das Recht, eine wirksame Beschwerde einzubringen, wenn die eigenen Rechte verletzt wurden. Da die Risiken aber hoch sind, sollte man sich jedenfalls rechtlich beraten lassen, bevor man eine Anzeige erstattet oder ein Rechtsmittel erhebt. Nach einem Vorfall hast du sechs Wochen Zeit, beim zuständigen Verwaltungsgericht das Rechtsmittel einer sogenannten Maßnahmenbeschwerde zu erheben. Eine Maßnahmenbeschwerde richtet sich gegen rechtswidriges Handeln der Polizei, z.B. ungerechtfertigte Gewaltanwendung. Maßnahmenbeschwerden können für Betroffene ein hohes Prozesskostenrisiko bedeuten. Bevor du eine Maßnahmenbeschwerde einbringst, ist es wichtig zu klären, wie die Beweislage aussieht (z.B. gibt es Videobeweise etc.) und ob die Beschwerde aussichtsreich ist.
Dokumentieren
Wenn du selbst betroffen bist oder Zeug*in von Polizeigewalt wirst, zum Beispiel bei einer Demo, ist es wichtig, die Situation schriftlich oder durch Filmen zu dokumentieren. Du hast das Recht, Proteste zu beobachten und auch zu filmen oder zu fotografieren und brauchst dafür keine Genehmigung. Achte beim Filmen oder Fotografieren aber generell darauf, dabei die Amtshandlung der Polizei nicht zu stören. Falls du vorhast, Bildmaterial oder Videos zu veröffentlichen, solltest du grundsätzlich das Einverständnis – bestenfalls schriftlich – der Beteiligten einholen oder sie anonymisieren (z.B. durch Verpixeln).
Das Schreiben eines Gedächtnisprotokolls als Zusammenfassung der Ereignisse kann dir als Gedächtnisstütze helfen. Wenn du ein Gedächtnisprotokoll schreibst, tu das am besten möglichst zeitnah nach dem Vorfall, ohne dich vorher detailliert mit anderen auszutauschen. Wenn es zu (Straf-) Verfahren kommt, dauern diese oft sehr lange und es wird schwer sein, dich an alles genau zu erinnern. Im Falle einer Festnahme, beschreibe diese und die Haft, sowie was unmittelbar davor passiert ist, also den Anlass für deine Festnahme, ebenfalls im Gedächtnisprotokoll. Ein solches Gedächtnisprotokoll ist zunächst nur für dich selbst gedacht und sollte daher möglichst sicher (z.B. auf einer verschlüsselten Festplatte) aufbewahrt werden. Gib dein Gedächtnisprotokoll auch nicht einfach so weiter.
Umfassende Informationen zum Umgang mit der Polizei bei Demons findest du im Amnesty Demo-Guide zur Versammlungsfreiheit.
Was fordert Amnesty International in Bezug auf Polizeigewalt in Österreich?
Unabängige und wirksame Untersuchung von Polizeigewalt
Die ermittelnde Stelle darf in keiner hierarchischen oder institutionellen Verbindung zur Polizei stehen. D.h. eine solche Stelle muss unbedingt außerhalb der Weisungsbefugnis des Bundesministers für Inneres stehen.
Einbindung der Zivilgesellschaft
Die Stelle muss menschenrechtskonform und unter Einbindung zivilgesellschaftlicher Expertise konzipiert und umgesetzt werden. Auch die Konsultation internationaler Organisationen ist notwendig.
Multiprofessionelle Zusammensetzung der Untersuchungsstelle
Es ist außerdem notwendig, dass die Untersuchungsstelle multiprofessionell zusammengesetzt ist, also neben Personen mit Polizeihintergrund beispielsweise auch mit Mediziner*innen, Psycholog*innen und Menschenrechtsexpert*innen besetzt ist, um umfassende und gründliche Untersuchungen sicher zu stellen. Zudem dient es der Garantie der Unabhängigkeit, wenn neben Personen mit Polizeihintergrund, bei denen Interessenskonflikte vorliegen oder vermutet werden könnten, auch zivile Expert*innen eingebunden werden.