Pandemie traf benachteiligte Gruppen am härtesten
Während manche Regierungen Inhaftierte freiließen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, war das Risiko einer Infektion für Gefangene in anderen Ländern aufgrund von Überbelegung und unhygienischen Zuständen in den Hafteinrichtungen sehr hoch. In 42 der 149 von Amnesty untersuchten Länder gab es Berichten zufolge weiterhin rechtswidrige Zwangsräumungen, die das Infektionsrisiko der betroffenen Menschen stark erhöhten, weil sie obdachlos wurden.
In vielen Ländern litten ethnische Minderheiten und indigene Bevölkerungsgruppen unter unverhältnismäßig hohen Infektions- und Todesraten, was auch daran lag, dass sie benachteiligt und von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen waren. In einigen Ländern gab die politische oder religiöse Führungsriege benachteiligten Gruppen die Schuld und warf ihnen vor, das Virus zu verbreiten. In manchen südasiatischen Ländern trafen die Vorwürfe Muslim*innen, in einigen afrikanischen und europäischen Ländern zählten Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) zu den Beschuldigten.
Als der Corona-Ausbruch offiziell zur Pandemie erklärt wurde, verwiesen die Staaten übereinstimmend darauf, dass es dringend nötig sei, sie einzudämmen, abzuschwächen und zu besiegen, ohne die Achtung der Menschenrechte zu vernachlässigen. Ein positiver globaler Ansatz war die Covax-Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die eine möglichst faire weltweite Verteilung der Impfstoffe gewährleisten soll. Sie wurde jedoch von Russland und den USA untergaben, die sich nicht daran beteiligten, sowie von reichen Ländern, die Impfstoffe horteten, und von Unternehmen, die sich weigerten, ihr geistiges Eigentum zu teilen. Mehr als 90 Länder führten Exportbeschränkungen für medizinisches Gerät, persönliche Schutzausrüstung, pharmazeutische Produkte, Nahrungsmittel und andere Waren ein.
Reiche Staaten blockierten auch einen bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingebrachten Vorschlag, einige Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums vorübergehend auszusetzen, um Menschen weltweit den Zugang zu Corona-Impfstoffen zu ermöglichen. Im UN-Sicherheitsrat sorgte ein Streit zwischen den USA und China über die Nennung der WHO dafür, dass eine Resolution zu Corona drei Monate lang verschleppt wurde. In der Resolution wurde eine weltweite Unterbrechung von Kampfhandlungen gefordert, um sich auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie konzentrieren zu können. Die G-20-Staaten verlängerten ein Schuldenmoratorium für die ärmsten Länder, wurden aber ihrem erklärten Ziel einer gemeinsamen, groß angelegten Reaktion nicht gerecht.
Um die internationale Zusammenarbeit zu bekräftigen und ihre Menschenrechtsverpflichtungen zu erfüllen, sollten alle Regierungen dafür sorgen, dass Corona-Impfstoffe für alle erhältlich und zugänglich sind und am Einsatzort kostenlos verabreicht werden. Sie sollten sich außerdem dafür einsetzen, dass ein weltweiter sozialer Sicherungsfonds geschaffen wird, der auf Menschenrechtsstandards beruht. Reiche Länder und internationale Finanzinstitutionen sollten zum Beispiel durch Schuldenerleichterungen und Schuldenerlasse dafür sorgen, dass alle Staaten über die nötigen Ressourcen verfügen, um die Pandemie bekämpfen und sich von ihren Folgen erholen zu können.