© Natalia Fedosenko\TASS via Getty Images
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presse

Willkürliche Inhaftierung und Folter von friedlich Protestierenden

27. Jänner 2021

Zusammenfassung

  • Hunderte friedliche Protestierende wurden in Haft gefoltert, mindestens vier Personen starben
  • Beispielloses Ausmaß anhaltender Menschenrechtsverletzungen und innerstaatliche Straflosigkeit der Verantwortlichen 
  • Amnesty appelliert an internationale Gemeinschaft: Mechanismen zur Untersuchung und Strafverfolgung dieser Verstöße müssen eingesetzt werden

In ihrem neuen Bericht dokumentiert Amnesty International erschütternde Berichte über Massenfestnahmen und Folter von friedlich Protestierenden: Die Betroffenen wurden gezwungen sich auszuziehen, brutal geschlagen und mussten über lange Zeit in Stresspositionen verharren. Außerdem erhielten sie oft tagelang keine Nahrung, kein Trinkwasser und keine medizinische Versorgung.

„Seit in Belarus Proteste gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl ausgebrochen sind, haben Menschenrechtsgruppen Informationen zusammengetragen. Diese belegen, dass Hunderte friedliche Protestierende gefoltert wurden und mindestens vier Personen gestorben sind” sagt Marie Struthers, Expertin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International, und sagt weiter:

„Wir haben wiederholt wirksame Untersuchungen gefordert, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch von einem System, das der Polizei Anonymität gewährt und weitere Gewalt gegen Betroffene und Augenzeug*innen befördert, ist in dieser Hinsicht wenig zu erwarten."

Das Justizsystem in Belarus hat auf der ganzen Linie versagt, was die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen angeht. Daher muss nun auf internationaler Ebene für Gerechtigkeit gesorgt werden.

Marie Struthers, Expertin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International

Die genaue Anzahl der Protestierenden, die in der berüchtigten Hafteinrichtung Akrestsina in Minsk oder in anderen Gefängnissen willkürlich inhaftiert wurden, ist bisher nicht bekannt. Anfang Dezember 2020 waren es laut Angaben des UN-Hochkommissars für Menschenrechte jedoch bereits mehr als 27.000 Personen. Und immer noch nehmen die Sicherheitskräfte willkürlich Menschen fest.

Beispielloses Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen: Internationale Gemeinschaft muss handeln

Die Recherchen von Amnesty International zeigen, dass in Belarus das Justizsystem dazu missbraucht wird, die Opfer von Folter zu bestrafen – anstatt die dafür Verantwortlichen. Die Menschenrechtsbewegung fordert die internationale Gemeinschaft mit Nachdruck auf, Position zu beziehen: Betroffene von Folter und Misshandlung müssen Gerechtigkeit erfahren und Verantwortliche müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

„Regierungen sowie internationale und regionale Organisationen müssen ihren Einfluss geltend machen, um die belarussischen Behörden dazu zu bewegen, diesem Angriff auf die Menschenrechte ein Ende zu setzen. Wir appellieren zudem eindringlich an die internationale Gemeinschaft, mit allen verfügbaren Maßnahmen für Gerechtigkeit in Belarus zu sorgen”, sagt Marie Struthers, und sagt weiter:

„Das beispiellose Ausmaß der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen sowie die absolute innerstaatliche Straflosigkeit der Verantwortlichen erfordert die Umsetzung bzw. Einrichtung internationaler Mechanismen zur Untersuchung und Strafverfolgung dieser Verstöße. Die internationale Gemeinschaft darf nicht tatenlos zusehen.”

Straflosigkeit, Repressalien und Einschüchterung

Die belarussischen Behörden haben eingeräumt, mehr als 900 Anzeigen über Menschenrechtsverletzungen durch Ordnungskräfte während der Demonstrationen erhalten zu haben. Nichtsdestotrotz wurde kein einziges strafrechtliches Verfahren eingeleitet. Diejenigen, die Anzeige erstatteten, wurden drangsaliert und mit bürokratischen Hürden, Verzögerungstaktiken und anderen Hindernissen konfrontiert – während sie versuchten, sich in einem System zurechtzufinden, das dazu ausgelegt ist, sie zu entmutigen und einzuschüchtern und ihre Anzeigen und die eingereichten Beweise zu entkräften.

Statt für die Strafverfolgung derjenigen zu sorgen, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft am 28. Oktober 2020, dass 657 Strafverfahren gegen Protestierende eingeleitet worden seien; mehr als 200 Menschen seien bereits wegen mutmaßlicher Massenunruhen und Gewalt gegen Polizeikräfte angeklagt worden.

Zivilgesellschaftliche Organisationen haben zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen friedliche Protestierende auf der Grundlage politisch motivierter und konstruierter Anklagen vor Gericht gestellt wurden.

Hintergrund

Belarus ist auf der Grundlage des Völkerrechts verpflichtet, die Menschenrechte aller Personen innerhalb des Landes zu achten und zu schützen. Dies bedeutet auch, dass das absolute Folterverbot aufrechterhalten und Folter entsprechend untersucht und bestraft werden muss.