Wichtiger Schritt für Rechte der Menschen in Österreich: Verfassungsgerichtshof kippt Teile des „Überwachungspakets“
11. Dezember 2019Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat heute den Bundestrojaner und die KFZ-Überwachung aufgehoben: Die Gesetzesbestimmungen seien verfassungswidrig. Damit bestätigt er die menschenrechtlichen Bedenken, die Amnesty International schon vor Beschluss des Gesetzespakets geäußert hat.
Amnesty International begrüßt die Entscheidung und fordert die nächste Regierung auf, Antworten auf aktuelle Herausforderungen auf Basis der Menschenrechte und im Dialog mit Expert*innen aus der Zivilgesellschaft und Wissenschaft zu finden. Den Amnesty-Appell – das Gesetzespaket zu überarbeiten – haben 2018 über 12.000 Menschen unterstützt.
Der Verfassungsgerichtshof hat heute klargestellt, dass die Privatsphäre und Sicherheit der Menschen in Österreich Vorrang haben.
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
„Die von der damaligen Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen greifen unverhältnismäßig in unsere Grundrechte ein und gefährden darüber hinaus unsere Sicherheit, weil sie technische Lücken für Kriminelle im digitalen Raum offenhalten – Aspekte, die wir schon vor Beschluss des Gesetzespakets kritisiert haben. Nun liegt es an der nächsten Regierung, ihre Verantwortung für die Sicherheit aller Menschen in Österreich wahrzunehmen: Es braucht Antworten auf aktuelle Herausforderungen wie Cyberkriminalität und Terrorismus. Aber diese Antworten müssen Grund- und Menschenrechte als Basis haben und im Dialog mit Expert*innen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft erarbeitet werden – etwas, das die damalige Regierung verabsäumt hat“, sagt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, und sagt weiter:
„Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Sicherheit im digitalen Raum und ein Recht auf Privatsphäre. Niemand möchte, dass der private Computer für Behörden und Kriminelle zum offenen Buch wird. Das Recht auf Privatsphäre bedeutet, dass wir das Recht auf einen Bereich haben, in dem wir selbst bestimmen, wie viel wir mit anderen teilen wollen. Dieser von staatlicher Überwachung geschützte Freiheitsraum ist eine großartige und hart erkämpfte Errungenschaft.“
Hintergrund
Der Bundestrojaner und die KFZ-Überwachung stammen aus dem umstrittenen Überwachungspaket, das die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung 2018 beschlossen hatte. Das Gesetzespaket wurde von Expert*innen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und den Oppositionsparteien stark kritisiert. Auch Amnesty International kritisierte die vorgesehenen Maßnahmen, da das Gesetz einen unverhältnismäßigen Zugriff auf unser aller Privatleben ermöglichen würde. Die Menschenrechtsorganisation rief via Online-Appell die Abgeordneten des Nationalrats auf, das Gesetzespaket zu überarbeiten. Über 12.000 Menschen unterstützten den Aufruf.
Worum handelt es sich beim Bundestrojaner?
Ein Bundestrojaner ist im Grunde eine Schadsoftware nach dem Vorbild von Programmen, die für kriminelle Zwecke programmiert und eingesetzt werden. Ein Trojaner nutzt technische Sicherheitslücken und Schwachstellen, um auf IT-Systeme und Informationen zuzugreifen.
Anstatt bestehende Sicherheitslücken zu schließen – und uns somit vor Online-Kriminalität zu schützen – werden diese Lücken für die Nutzung durch den Bundestrojaner bewusst offen gelassen. Eine kriminelle Nutzung des Systems wird dadurch also im Grunde begünstigt – und das trifft alle Menschen, die das Internet (Social Media, Online-Shops, E-Mail, etc.) nutzen – also im Grunde jede*n Einzelne*n von uns.
Der „Bundestrojaner“ sollte eingesetzt werden, um auf verschlüsselte Daten zugreifen zu können (z. B. Messenger wie WhatsApp, Skype, die „cloud“ …). Das würde bedeuten, dass der Staat auf alle digital Informationen, die über eine Person und über die Menschen in ihrem Umfeld verfügbar sind, zugreifen kann.
Weitere Informationen zum Bundestrojanern und anderen Maßnahmen des Überwachungspakets findest du in unseren Fragen & Antworten zum Überwachungspaket.