Frühere Recherchen von Amnesty International haben bereits bestätigt, dass ein Kind und zwei weitere Zivilist*innen, die in einer Vorschule im Gebiet Sumy Schutz gesucht hatten, durch Streumunition getötet wurden. Zudem hat Amnesty einen Luftangriff dokumentiert, bei dem Zivilpersonen in Tschernihiw getötet wurden, die in einer Warteschlange für Lebensmittel anstanden.
Verweigerung der Grundversorgung
Die Kommunikation mit der Zivilbevölkerung in den belagerten Städten ist aufgrund der Unterbrechung der Mobilfunk- und Internetdienste äußerst schwierig. Viele Menschen verbringen den Großteil ihrer Zeit in unterirdischen Bunkern mit schwachem oder gar keinem Empfang. Der Zugang zu Kommunikations- und Internetdiensten ist für die Sicherheit und den Zugang zu wichtigen Informationen über mögliche Evakuierungsrouten unerlässlich.
In den Städten Charkiw und Izium wurden Gebäude mit Fernsehtürmen durch die Angriffe beschädigt. Nachforschungen und die Analyse von Satellitenbildern durch Amnesty International zeigen, dass die Fernsehtürme in Charkiw zwischen dem 27. Februar und dem 17. März wahrscheinlich zweimal beschädigt wurden. Ab dem 6. März wurden Ausfälle gemeldet. Ein Gebäude, das mit dem Fernsehturm von Izium verbunden ist, wurde vom 12. März bis zum 20. März beschädigt. Informationen aus Open-Source-Quellen bestätigen eine Unterbrechung des Sendebetriebs. Viele ältere Einwohner*innen sind auf das Fernsehen angewiesen, um Nachrichten und Notfallinformationen der Regierung zu erhalten.
Amnesty International hat bereits früher dokumentiert, dass die Zivilbevölkerung in Izium am Rande einer humanitären Katastrophe steht, da die russischen Streitkräfte die Stadt seit Beginn der Invasion bombardiert haben.
Auswirkungen auf vulnerable Menschen
Der Konflikt hat andauernde erhebliche Auswirkungen auf ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, die durch den Belagerungskrieg noch verschlimmert werden.
Alexander Mihta, ein 39-Jähriger aus Charkiw, ist Diabetiker und hat aufgrund der Krankheit große Probleme beim Gehen. Er fuhr mit seiner Frau und seiner Tochter an die polnische Grenze, musste dann aber nach der Verhängung des Kriegsrechts in der Ukraine bleiben. Sein Wohnhaus in Charkiw wurde von Smerch-Raketen getroffen, die Dampfleitungen zertrümmerten, die Heizung demolierten und die unteren Stockwerke überfluteten. Das Crisis Evidence Lab von Amnesty International hat 21 Fotos verifiziert, die Schäden an dem Wohnhaus bestätigen.
Mihta flüchtete später mit seinem Vater in einen Schutzraum in Lviv.
Alexander Mihta, 39, aus Charkiw
Der Beschuss wurde immer schlimmer. Ich brauchte Lebensmittel, also ging ich einkaufen. Ich habe Diabetes und bin gerannt, als der Beschuss schlimmer wurde. Dann habe ich mir das Bein verdreht. Ich versuchte, in den Luftschutzkeller zu gelangen, konnte es aber nicht. Ich habe mir sechs Knochen gebrochen, und sie wollen das Bein amputieren.
Amnesty International befragte auch eine 61-jährige Frau, die in Charkiw geblieben ist, um ihre 84-jährige Mutter zu pflegen, die an Demenz erkrankt ist und nicht mehr reisen kann. Sie sagte: „Die alten Leute bleiben. Meine Mutter kann sich kaum bewegen... Wir kommen aus Luhansk und mussten meine Mutter dort holen... Wir sind zu der Wohnung meiner Tochter in Charkiw gefahren und sitzen hier fest. Eine von 24 Stunden verbringen wir draußen. Ich spreche mit meiner Mutter. Ich bringe sie auf die Toilette und helfe ihr beim Ausziehen. Ich muss ihr immer wieder erklären, warum wir in Charkiw sind, und warum wir im Keller ausharren. Sie hat Demenz und vergisst immer, warum sie im Keller ist, und ich muss es ihr den ganzen Tag lang erklären. Früher hatte sie ein anständiges Leben, sie konnte im Garten spazieren gehen. Jetzt nicht mehr.“
Ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen sowie andere Gruppen, die auf der Flucht besonderen Risiken und Herausforderungen ausgesetzt sein können, müssen laut humanitärem Völkerrecht vorrangig evakuiert werden. Bei der Planung und Kommunikation von Evakuierungen und humanitären Korridoren muss sichergestellt sein, dass Informationen, Transportmittel und Dienstleistungen allen Menschen zugänglich sind.
Dokumentation der Zerstörung
Die interaktive Karte zeigt Zerstörung in Wohngebieten, die von Amnesty International dokumentiert wurde. Hinter den gelben Pins erhältst du weiter Informationen zu dokumentierten Fällen (nur auf Englisch verfügbar).