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Presse © Amnesty International

Uganda: Ein Land an der Belastungsgrenze

20. Juni 2017

900.000 Menschen fehlt es an Nahrung, Wasser und Unterkunft

Die Flüchtlingspolitik in Uganda ist eine der progressivsten der Welt. Doch das Land steht vor großen Herausforderungen, denn viele Geberländer bleiben untätig, zeigt der aktuelle Amnesty-Bericht "Help has not reached me here".

Mehr als 900.000 Menschen sind bisher vor dem brutalen Konflikt im Südsudan in das benachbarte Uganda geflohen. Doch aufgrund unzureichender Finanzierung haben viele von ihnen noch nicht einmal Zugang zu einer Grundversorgung – also Nahrung, Wasser oder eine Unterkunft. Mindestens 86 Prozent der Geflüchteten sind Frauen und Kinder.

Uganda nimmt weiterhin großzügig Menschen auf, während viele andere Länder die Grenzen für Geflüchtete schließen. Das Land ist an der Belastungsgrenze, denn die Mittel reichen nicht aus. Gleichzeitig reisen weiterhin Tausende Menschen pro Tag aus dem Südsudan ein.

Muthoni Wanyeki, Direktorin des Büros für die Region Ostafrika bei Amnesty International

„Geberländer wie zum Beispiel die USA, einige EU-Länder, Kanada, China und Japan müssen dringend mehr tun, um Uganda zu unterstützen – und zwar, indem sie zeitnah die Finanzierung der kurz- und langfristigen Bedürfnisse der Geflüchteten sicherstellen. Menschen auf der Flucht dürfen nicht für ein kollektives und blamables Versagen bei der internationalen Zusammenarbeit bestraft werden“, sagt Wanyeki.

Mangel an Lebensmittel und Basisleistungen

Mitarbeiter*innen von Amnesty International haben Flüchtlingslager in vier Gegenden im Norden Ugandas – Adjumani, Moyo, Yumbe und Arua – besucht. So konnten sie sich vor Ort von den Konsequenzen der Finanzierungsengpässe überzeugen: Geflüchtete und Hilfsorganisationen berichteten über einen akuten Mangel an Lebensmitteln, Wasser, Unterkünften und anderen Basisleistungen. Auch die Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen – wie unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderungen sowie ältere Menschen – war vollkommen unzureichend.

Nunu ist 24, Mutter eines Kindes und sprach mit Amnesty International im Flüchtlingslager Bidi Bidi im Distrikt Arua: „Wasser zu bekommen ist ein Problem. Auch Lebensmittel sind schwierig... Wir haben hier noch nicht richtig gegessen.“

Amina, die mit ihrem Mann und ihren Kindern im Lager Pagyrina im Distrikt Adjumani lebt, sagt: „Am meisten trifft uns hier der Mangel an Wasser und Nahrungsmitteln. Vorhin wurden Lebensmittel ausgegeben, und jetzt ist nichts mehr übrig. Wasser ist ein großes Problem... Hier leben viele Menschen, aber es gibt nur einmal am Tag Wasser.“

Geflüchtete aus dem Südsudan mussten vor der schlimmsten Gewalt in der südlichen Äquatorialregion seit Ausbruch des bewaffneten Konflikts im Dezember 2013 fliehen. Tausende wurden getötet; beinahe 1,8 Millionen Menschen sind im Exil.

Schockierende Berichte von Augenzeug*innen

Amnesty International hat in Uganda mit mehr als 80 Geflüchteten gesprochen. Sie berichteten von Folter, willkürlicher Tötung, Vergewaltigung und Plünderung.

Nachdem sie ihn festgenommen hatten, benutzten sie noch nicht einmal eine Pistole, sondern zückten Messer und stachen so lange auf ihn ein, bis er tot war.

Die 37-jährige Joyce, die zusehen musste, wie Soldaten auf ihren Mann einstachen

Jane, 28 Jahre alt, wurde von drei Männern in Uniform vergewaltigt, nachdem diese in ihr Haus eingedrungen waren und ihren Mann erschossen hatten: „Ich bin gegangen, weil... mein Mann getötet wurde. Sie fanden uns zu Hause, erschossen ihn und fingen an, mich zu vergewaltigen.“

Der 19-jährige Patrick berichtete Amnesty International, wie er und sein Bruder zusammen mit zwei weiteren Männern in einem Container auf einem Kasernengelände in Nyepo festgehalten wurden: „Jede Nacht verbanden sie uns die Augen und wir wurden nacheinander verhört und geschlagen. Sie hatten Kneifzangen... sie verdrehten unsere Finger.“ Patrick gelang schließlich die Flucht, doch er weiß bis heute nicht, ob sein Bruder noch am Leben ist.

Wichtiger UNHCR-Appell nur zu 18 Prozent finanziert

Langfristige Hilfe für stark traumatisierte Flüchtlinge – beispielsweise psychosoziale Unterstützung – ist wegen der fehlenden Finanzierung nur vereinzelt möglich.

Im Mai 2017 war der Finanzierungsappell des UN-Flüchtlingswerks (UNHCR) für südsudanesische Geflüchtete in Uganda erst zu 18 Prozent finanziert. Das UNHCR, das Welternährungsprogramm und 57 Hilfsorganisationen haben seither einen Aufruf für insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar gestartet, damit sie bis Ende 2017 wichtige Hilfsleistungen wie Nahrungsmittel und Unterkünfte bereitstellen können.

„Trotz des akuten Bedarfs und mehrfacher Finanzierungsappelle seitens Ugandas und der Vereinten Nationen sind die Geber untätig geblieben. Indem sie sich weigern, Uganda einen Teil der Verantwortung abzunehmen, weigern sie sich auch, das Leben Tausender Flüchtlinge zu schützen – und verstoßen damit gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen. Der Solidaritätsgipfel für Uganda bietet die Chance, dies zu ändern“, sagt Wanyeki.

Hintergrund

Die Flüchtlingspolitik in Uganda ist eine der progressivsten der Welt: Menschen auf der Flucht genießen relative Bewegungsfreiheit, haben Zugang zu Basisleistungen wie Bildung und Gesundheitsdiensten und dürfen arbeiten und ein Geschäft führen.

Am 22. und 23. Juni 2017 findet in Kampala ein Flüchtlings- und Solidaritätsgipfel für Uganda statt, von dem sich Uganda und die Vereinten Nationen eine weitere Mobilisierung globaler Unterstützung für Flüchtlinge aus dem Südsudan erhoffen.

Der Konflikt im Südsudan brach im Dezember 2013 aus, nachdem Präsident Salva Kiir den damaligen Vizepräsidenten Riek Machar beschuldigte, einen Staatsstreich zu planen. Alle Bemühungen um eine diplomatische Lösung sind seither gescheitert, die Kampfhandlungen dauern an.

Der Konflikt hat für die Zivilbevölkerung verheerende Folgen – wie zum Beispiel Hungersnöte und Gewalt zwischen ethnischen Gruppen. Auch gibt es Berichte über möglichen Völkermord. All dies resultiert nun in der größten Krise für Menschen auf der Flucht auf dem afrikanischen Kontinent; weltweit haben nur die Konflikte in Syrien und Afghanistan mehr Menschen zur Flucht gezwungen.