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Presse © Olivia Acland

Sierra Leone: Chance für einen Wandel

3. Juli 2018

Die neue Regierung von Sierra Leone muss damit beginnen, ihre Versprechen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation im Land zu erfüllen. Das forderte Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht.

Dieser dokumentiert, wie in den letzten zehn Jahren friedliche Proteste gegen die Regierung wiederholt gestoppt wurden – teilweise mit massiver Gewalt. Die Recherchen zeigen außerdem auf, dass unrechtmäßige Tötungen durch die Polizei ungestraft blieben.

„Seit zehn Jahren kommt die Polizei in Sierra Leone buchstäblich mit Mord davon. Friedliche Demonstrant*innen und Zuschauer*innen haben ihr Leben verloren oder wurden schwer verletzt – ohne dass jemand zur Rechenschaft gezogen wurde. Wenn die neue Administration die Menschenrechte so ernst nimmt, wie sie behauptet, dann sollte sie damit beginnen, repressive Gesetze aufzuheben, die die friedliche Versammlung einschränken. Und sie sollte sich mit der verschärften Straflosigkeit für polizeiliche Übergriffe befassen“, sagte Solomon Sogbandi, Direktor von Amnesty International Sierra Leone.

„Die Behörden müssen das Recht jedes Menschen auf friedliche Versammlung gewährleisten und fördern. Die neue Regierung Sierra Leones hat nun die Chance, Reformen durchzuführen. Reformen, die der Polizei helfen, Demonstrationen effektiv und sicher durchzuführen; Reformen, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheitskräfte wiederherstellen – damit die Polizei ihrem Motto A Force for Good endlich gerecht werden kann“, sagte Solomon Sogbandi.

Seit zehn Jahren kommt die Polizei in Sierra Leone buchstäblich mit Mord davon. Friedliche Demonstrant*innen und Zuschauer*innen haben ihr Leben verloren oder wurden schwer verletzt – ohne dass jemand zur Rechenschaft gezogen wurde.

Solomon Sogbandi, Direktor von Amnesty International Sierra Leone

Bei seinem Amtsantritt im April 2018 hat sich Präsident Maada Bio verpflichtet, den Sicherheitssektor zu reformieren und die Menschenrechte zu schützen. Amnesty International fordert die neue Regierung von Sierra Leone auf, Worten Taten folgen zu lassen. In der Opposition hatte die Volkspartei von Sierra Leone jahrelang behauptet, sie sei Opfer repressiver Gesetze und Polizeiarbeit. Nun hat sie die Chance, als Regierungspartei einen Wandel herbeizuführen.

Straffreiheit für polizeiliche Übergriffe

In Sierra Leone sind Straflosigkeit für polizeiliche Übergriffe tief verwurzelt: In den vergangenen zehn Jahren hat die Polizei häufig unverhältnismäßige Gewalt angewendet, um spontane Proteste zu stoppen. Dabei wurden mindestens neun Demonstrant*innen getötet und mehr als 80 verletzt. Der aktuelle Bericht von Amnesty International dokumentiert auch, dass mehr als 80 Demonstrant*innen ausgeraubt oder willkürlich verhaftet wurden.

Kein*e Polizeibeamt*in wurde für einen von Amnesty International dokumentierten Fall strafrechtlich verantwortlich gemacht – und das trotz der Empfehlungen von zwei Untersuchungskommissionen und dem Independent Police Complaints Board. In den meisten Fällen sind Polizeibeamt*innen, die des Fehlverhaltens beschuldigt werden, lediglich in eine andere Abteilung versetzt worden.

Repressive Gesetze, die die friedliche Versammlung einschränken, wurden auch zur Verfolgung von Demonstrant*innen eingesetzt: 39 Menschen standen wegen ihrer Beteiligung an Versammlungen in den Jahren 2015 und 2016 vor Gericht. Am 20. Juni dieses Jahres hat jedoch ein Gericht 16 der im Jahr 2015 Verhafteten nach mehr als 50 Gerichtsverhandlungen freigesprochen.

Rechtsbehelf & unabhängige Beschwerdeinstanz

Die Behörden müssen nun sicherstellen, dass Betroffene und ihre Familien das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf haben – darunter fallen angemessene Entschädigungen und ein Mechanismus, der Opfer von Polizeimissbrauch entschädigt. Auch die unabhängige Beschwerdeinstanz der Polizei, die im Jahr 2015 als externe Stelle zur Überwachung der Polizei eingerichtet wurde, muss mehr Mittel und Durchsetzungsbefugnisse erhalten.

Über den Bericht

Der Bericht stützt sich auf Untersuchungen, die Amnesty International seit über einem Jahrzehnt zur Menschenrechtssituation in Sierra Leone durchführt. Amnesty befragte 105 Menschen, darunter Betroffene, Augenzeug*innen, Anwält*innen, Aktivist*innen, Demonstrant*innen und Familien, deren Angehörige bei Protesten zwischen Juni 2017 und Mai 2018 getötet wurden. Amnesty International hat auch mehrere Polizeibeamt*innen im ganzen Land befragt, darunter den ehemaligen und derzeitigen Generalinspekteur der Polizei.

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