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Shell nach 23 Jahren vor Gericht

12. Februar 2019

Erste Anhörung am 12. Februar in Den Haag

Heute findet vor einem niederländischen Gericht die erste Anhörung in einem historischen Gerichtsverfahren gegen den Ölkonzern Shell statt. Shell wird beschuldigt, in den 1990er Jahren aktiv zu einer Fülle von entsetzlichen Menschenrechtsverletzungen der nigerianischen Regierung an den Ogoni beigetragen zu haben. Esther Kiobel, Victoria Bera, Blessing Eawo und Charity Levula haben Shell verklagt, weil der Konzern ihr Ansicht nach eine Rolle bei der rechtswidrigen Festnahme, Inhaftierung und Hinrichtung ihrer Ehemänner durch das nigerianische Militär gespielt hat, nachdem Proteste der Ogoni gegen Shells verheerende Umweltverschmutzung in der Region brutal niedergeschlagen worden waren.

Shell hat viele Jahre lang dafür gesorgt, dass der Fall nicht vor Gericht kommt. Sie haben die Mittel, gegen mich zu kämpfen, statt mir und meinem Mann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Esther Kiobel. Sie verklagte Shell gemeinsam mit drei weiteren Frauen.

Amnesty International unterstützt die Rechtsbeistände und das juristische Team, da die Organisation Shells Rolle bei der Niederschlagung der Proteste durch die nigerianische Regierung unabhängig untersucht hatte. Dabei kam heraus, dass die Regierung die Proteste mit Hilfe von Folter, Vergewaltigung, und Tötungen niederschlug. Barinem Kiobel, Baribor Bera, Nordu Eawo und Paul Levula wurde 1995 nach einem fingierten Verfahren gehängt. Die Ehefrauen der Hingerichteten fordern nun Entschädigung und eine öffentliche Entschuldigung von Shell. Fünf weitere Männer, unter ihnen der Protestführer Ken Saro-Wiwa, wurden mit ihnen zusammen gehängt, seither ist die Gruppe als die Ogoni Nine bekannt.

„Zum ersten Mal werden Esther Kiobel und ihre Mitklägerinnen die Möglichkeit erhalten, ihre Geschichte vor Gericht zu erzählen. Die Frauen sind der Ansicht, dass ihre Ehemänner ohne das hemmungslose Eigeninteresse von Shell noch am Leben wären. Dadurch förderte der Konzern das blutige Niederschlagen der Proteste, obwohl er um den Tribut an Menschenleben wusste“, sagt Mark Dummett, Experte für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International.

„Trotz der vielen Beweise gegen Shell ist es dem Konzern jahrelang gelungen, sich der Gerechtigkeit zu entziehen. Bis jetzt musste er sich nicht vor Gericht zu den Vorwürfen äußern.“

Diese Anhörung ist ein historischer Augenblick. Er hat große Bedeutung für Menschen überall auf der Welt, die durch die Gier und Rücksichtslosigkeit globaler Konzerne Schaden nehmen.

Mark Dummett

Ein mächtiges multinationales Unternehmen für im Ausland verursachtes Leid vor Gericht zu bringen, ist ein quälend langer Vorgang. Esther Kiobel hat Shell zum ersten Mal 2002 in New York verklagt, doch 2013 entschied der Oberste Gerichtshof des Landes, dass die USA juristisch nicht zuständig seien. Die US-Gerichte haben die Vorwürfe gegen Shell daher gar nicht erst geprüft.

Die vier Klägerinnen werfen Shell vor, einen entscheidenden Anteil daran gehabt zu haben, dass ihre Ehemänner festgenommen und inhaftiert wurden, dass deren körperliche Unversehrtheit, ihr Recht auf ein faires Gerichtsverfahren und letztlich ihr Recht auf Leben verletzt wurden. Außerdem machen die Frauen geltend, dass ihnen selbst das Recht auf ein Familienleben vorenthalten wurde. Amnesty International unterstützte Esther Kiobels juristisches Team dabei, den Fall 2017 in den Niederlanden vor Gericht zu bringen und legte die Rolle von Shell bei den Festnahmen und Hinrichtungen in dem Bericht In The Dock detailliert dar. Die Klägerinnen fordern zudem, dass das Gericht Shell dazu verpflichtet, dem Gericht mehr als 100.000 interne Dokumente auszuhändigen. Die Rechtsbeistände von Shell lehnen dies bislang ab, obwohl diese Dokumente in dem in den USA angestrengten Verfahren als Beweismittel vorgelegt wurden.

„Die jahrzehntelose Straflosigkeit von Shell muss ein Ende haben“, fordert Mark Dummett.

„Der Mut dieser Frauen, ihre Widerstandskraft und Entschlossenheit, den Ruf ihrer Ehemänner wiederherzustellen und Shell zur Verantwortung zu ziehen, ist auch für andere inspirierend. Sie haben die Unterstützung von Amnesty-Aktivist_innen auf der ganzen Welt.“  

Die Anhörung fand am 12. Februar 2019 vor dem Bezirksgericht von Den Haag statt.