Proteste in Hongkong: Beweise für Polizeigewalt verifiziert
21. Juni 2019Zusammenfassung
- Bei den Protesten am 12. Juni hat die Polizei in Hongkong unnötig und unverhältnismäßig Gewalt angewendet. Das zeigen aktuelle Recherchen von Amnesty International
- Amnesty fordert Zurückhaltung bei der Polizeiarbeit für bevorstehende Proteste
- Die Polizei muss wegen rechtswidriger Gewaltanwendung zur Rechenschaft gezogen werden
Die Polizei von Hongkong muss die rechtswidrige Gewaltanwendung gegen friedliche Demonstrant*innen beenden. Amnesty International untersuchte Videomaterial von den Protesten am 12. Juni. Es zeigt eindeutig: Die Polizei in Hongkong hat unnötig und unverhältnismäßig Gewalt angewendet.
„Wir konnten Beweise für die rechtswidrige Anwendung von Gewalt durch die Polizei gegen friedliche Demonstrant*innen am 12. Juni verifizieren. Auf dem Videomaterial erscheinen Polizeibeamt*innen außer Kontrolle. Sie bringen friedliche Demonstrant*innen, die keine Bedrohung darstellten, in Gefahr", sagt Man-kei Tam, Direktor von Amnesty International Hongkong, und sagt weiter:
„Die Behörden Hongkongs müssen ein klares Signal aussenden, dass diese Fehler bei der Polizeiarbeit nicht toleriert werden. Wir fordern eine gründliche, unabhängige und wirksame Untersuchung, alle verantwortlichen Beamt*innen müssen auf jeder Ebene der Befehlskette vor Gericht gestellt werden.“
Das verifizierte Material zeigt u. a.
- das Schlagen von Demonstrant*innen durch Polizist*innen;
- das Abfeuern von Gummigeschossen auf den Kopf eines Demonstranten, was zu schweren Verletzungen führen kann;
- Tränengas gegen Demonstrant*innen, die in einem engen Gebiet mit stark eingeschränkten Fluchtmöglichkeiten gefangen waren
- aggressive Polizeitaktiken gegen Journalist*innen.
Expert*innen für Polizeiarbeit und digitale Verifikation untersuchten das Filmmaterial von 14 Vorfällen offensichtlicher polizeilicher Gewalt. Die Vorfälle wurden während des Protestes am 12. Juni gefilmt: Zehntausende Menschen hatten damals an einer weitgehend friedlichen Demonstration gegen das von der Regierung Hongkongs vorgeschlagene Auslieferungsgesetz teilgenommen.
Die Vorfälle, die Amnesty International überprüft hat, verstoßen gegen das Völkerrecht und gegen Normen für die Anwendung von Gewalt durch Strafverfolgungsbehörden. Das verifizierte Filmmaterial stützt sich auf die Berichterstattung in den Medien sowie auf Filmmaterial, das auf Social Media veröffentlicht wurde.
Die Analyse von Amnesty International zeigt: Polizist*innen von Hongkong haben am 12. Juni Gewaltakte einer kleinen Minderheit als Vorwand benutzt, um unnötige und überschießende Gewalt gegen die große Mehrheit jener Menschen anzuwenden, die friedlich protestieren. Sie verwendeten Tränengas, Schusswaffen mit Gummigeschossen, Pfefferspray und Schlagstöcke, um Demonstrant*innen zu zerstreuen.
Auf dem Videomaterial erscheinen Polizeibeamt*innen außer Kontrolle. Sie bringen friedliche Demonstrant*innen, die keine Bedrohung darstellten, in Gefahr. Diese Fehler bei der Polizeiarbeit dürfen nicht toleriert werden.
Man-kei Tam, Direktor von Amnesty International Hongkong
Solche „weniger tödliche“ Waffen werden können zu schweren Verletzungen und sogar zum Tod führen. Gummigeschosse, Pfefferspray oder Schlagstöcke sollten niemals gegen friedliche Demonstrant*innen oder Umstehende gerichtet werden – sondern nur gegen Personen, die an Gewalt beteiligt sind.
Der Einsatz von unverhältnismäßig vielen Polizist*innen und sichtbarer schwerer Ausrüstung diente offensichtlich dazu, Demonstrant*innen einzuschüchtern. Vermutlich hat das aber auch dazu geführt, dass sich die Spannungen verschärft haben.
Die Behörden müssen immer zunächst gewaltfreie Mittel bei der Überwachung von Versammlungen einsetzen – dazu gehören Dialog, Deeskalation und Verhandlungen –, bevor sie Gewalt anwenden.
„Die Polizei steht bei großen Protesten zweifellos unter starkem Druck. Doch es gibt keine Ausreden für übermäßigen Einsatz von Gewalt. Wir fordern die Polizei auf, aus diesen schwerwiegenden Fehlern zu lernen und sicherzustellen, dass sich so etwas bei bevorstehenden Demonstrationen nicht wiederholt. Polizeieinsätze bei Versammlungen in Hongkong müssen sich grundlegend ändern: weg von einer Taktik mit groben Händen hin zu einer, die friedliche Versammlungen schützt und ermöglicht.“