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Kriegsmaterialgesetz-Novelle 2011

16. März 2011

Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird (KMG-Novelle 2011)

Gemeinsame Stellungnahme von Amnesty International Österreich und Internationaler Versöhnungsbund – Österreichischer Zweig zum Gesetzesentwurf vom 15. Februar 2011. Diese Stellungnahme bezieht sich nur auf jene Bestimmungen des genannten Gesetzesentwurfs, die den Arbeitsbereich dieser beiden Organisationen betreffen.

Einleitung
Wir begrüßen, dass der vorliegende Entwurf einer Novelle des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) EU-rechtliche Entwicklungen als Ausgangspunkt nimmt.

Denn laut Vorblatt wird ausgehend von der bis 30. Juni 2011 umzusetzenden Richtlinie 2009/43/EG zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (ABl. Nr. L 146 vom 10.06.2009) das Ziel der Schaffung unionsrechtkonformer Regelungen verfolgt. Mit dem gegenständlichen Entwurf soll eine Anpassung des KMG an die unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2009/43/EG erfolgen. Dazu wird laut Vorblatt auch keine Alternative gesehen.

Völlig unverständlich ist jedoch, warum EU-rechtliche Entwicklungen im Bereich der Regelung des Handels mit Militärgütern (in Form von innergemeinschaftlichen Verbringungen oder in Form des Außenhandels) bloß in selektiver Weise berücksichtigt werden. Denn insbesondere der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl. Nr. L 335 vom 13.12.2008) ist bisher im KMG nur in völlig unzureichender Weise berücksichtigt.

Die Umsetzung der EU-Richtlinie 2009/43/EG ohne vorherige Implementierung des EU-Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP widerspricht eindeutig den Vorgaben der EU-Richtlinie 2009/43/EG, die in ihrer Präambel ausdrücklich die rechtliche Wirksamkeit des EU-Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP voraussetzt und auch der Zusammenarbeit im Rahmen dieses Gemeinsamen Standpunkts den Vorrang einräumt:

„(30) Die Mitgliedstaaten arbeiten im Rahmen des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern zusammen, indem sie gemeinsame Kriterien anwenden und Mitteilungen über Ablehnungen und Konsultationen nutzen, um die Umsetzung ihrer Politiken betreffend die Ausfuhr von Verteidigungsgütern in Drittländer anzugleichen. Diese Richtlinie sollte nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten beeinträchtigen, die Bedingungen für die Genehmigung zur Verbringung von Verteidigungsgütern festzulegen, einschließlich etwaiger Ausfuhrbeschränkungen, insbesondere wenn dies zum Zwecke der Zusammenarbeit im Rahmen jenes Gemeinsamen Standpunkts notwendig ist.“

Die Ansicht, dass „eine Änderung des § 3 im Hinblick auf die Bewilligungskriterien des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP … nicht erforderlich (sei), da diese durch den in § 3 Abs. 1 enthaltenen Verweis auf völkerrechtliche Verpflichtungen bereits zur Gänze Inhalt der Bewilligungskriterien des KMG sind“ („Erläuterungen“ S.6), ist unzureichend. Zwar können gemeinsame Standpunkte völkerrechtliche Bindungswirkung entfalten, doch ergibt sich eine solche jeweils erst aus dem „interpretationsbedürftigen“ Inhalt dieses Standpunktes. Im Sinne der Rechtssicherheit und Effizienz ist eine Umsetzung im nationalen Recht daher jedenfalls notwendig. Andernfalls käme es zur Situation, dass einzelne Beamte auf ein mehrstufiges „Interpretationskarussell’“ mit ungewissem Ausgang geschickt werden, was angesichts der heiklen Materie und des „Entscheidungsdrucks im Einzelfall“ Grundsätzen der Verwaltungsökonomie und des Bestimmtheitsgebotes offensichtlich zuwiderläuft. Darüber hinaus schränkt diese Ansicht den EU-Gemeinsamen Standpunkt auf die Bewilligungskriterien ein und ignoriert damit insbesondere die Bestimmungen zum Endverbleib.

Sowohl die o.g. EU-Richtlinie 2009/43/EG als auch der EU-Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP beziehen sich auf sämtliche Güter der EU-Gemeinsamen Militärgüterliste (GML). Insoweit Güter dieser GML in Österreich in der Kriegsmaterial-VO aus 1977 aufgelistet sind und daher als sogenanntes „Kriegsmaterial“ definiert sind, regelt in Österreich das KMG den grenzüberschreitenden Handel mit diesen Gütern. Für die anderen Güter dieser GML regelt das Außenhandelsgesetz (AußHG) diese Verbringungen.
Der EU-Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP ist somit nur dann in nationales österreichisches Recht transponiert, wenn er sowohl im AußHG als auch im KMG in vollständiger Weise berücksichtigt ist.

Darüber hinaus ist Art.3 dieses Gemeinsamen Standpunkts zu beachten: „Dieser Gemeinsame Standpunkt lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, auf nationaler Ebene eine restriktivere Politik zu verfolgen.“ Der EU-Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP stellt somit einen Mindeststandard dar, der sowohl im AußHG als auch im KMG in österreichisches Recht zu transponieren ist.
Daraus folgt auch, dass die Umsetzung des EU-Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP in nationales Recht im AußHG und im KMG zumindest in untereinander konsistenter Weise erfolgen muss. Insoweit das AußHG den EU-Gemeinsamen Standpunkt als Mindeststandard umsetzt, kann allerdings das KMG aus EU-rechtlicher Sicht sehr wohl restriktivere Regeln beinhalten – dies wäre sachlich auch zu erwarten, da das KMG ja die „schwereren“ Waffen, das eigentliche „Kriegsmaterial“ abdeckt.

Generell ist festzuhalten, dass auch ohne EU-rechtliche Vorgaben Normen des KMG auf Grund der zu regelnden Güter sehr wohl strenger, jedoch keinesfalls weniger restriktiv als Normen des AußHG gestaltet sein dürfen.

Somit stellen sowohl EU-Recht als auch AußHG die beiden Maßstäbe für Mindeststandards dar, denen das KMG mit der im Entwurf vorliegenden Novelle jedenfalls gerecht werden sollte. Der zu begutachtende Entwurf erfüllt diese Mindeststandards jedoch nicht.

Wie die umfangreichen Waffenlieferungen aus der EU nach Nordafrika zeigen, reicht die bloße Erfüllung der geltenden EU-Mindeststandards bei weitem nicht aus. Aus Sicht von Amnesty International Österreich und dem Internationalen Versöhnungsbund – Österreichischer Zweig sind im Sinne einer bestmöglichen Verhinderung von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechtes weitaus restriktivere Regelungen erforderlich, als diese im EU-Gemeinsamen Standpunkt als Mindeststandard enthalten bzw. im vorliegenden Entwurf vorgesehen sind:

1. Erweiterung der Bewilligungs- bzw. Genehmigungskriterien: die demokratische Legitimität der Regierung eines Bestimmungslandes muss als zusätzliches Kriterium berücksichtigt werden. 
2. Strikte Orientierung an „best practices“ in der EU, wie u.a. im Bereich der Kontrollen (regelmäßige Kontrollprüfungen von Unternehmen, die Militärgüter in größerem Ausmaß exportieren; selektive Vor-Ort-Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung der Endverbleibserklärungen bzw. Endverbrauchsbescheinigungen). 
3. Bewilligungs- bzw. Genehmigungspflichten für die Verkäufe von Militärgütern durch Tochterunternehmen von EU-Unternehmen in Drittstaaten.

Die KMG-Novelle 2011 bietet eine Chance für eine grundlegende Verbesserung der österreichischen Regelungen – eine Chance für die Regierung zu zeigen, dass sie sich ihrer menschenrechtlichen Verantwortung bewusst ist und in diesem Sinne auch die Weiterentwicklung der EU-Waffenhandelskontrolle prägt.

S.5 und 6:     Forderungen zur KMG-Novelle 2011 im Überblick
S.7 bis 13:    Forderungen zur KMG-Novelle 2011

Forderungen zur KMG-Novelle 2011 im Überblick

Regelungsumfang:
Normierung einer Bewilligungspflicht auch für Verkäufe von Kriegsmaterial durch Tochterunternehmen österreichischer Unternehmen in Drittstaaten Normierung einer Meldepflicht für Personen und Gesellschaften, die Hilfsleistungen für Ausfuhren und Durchfuhren von Kriegsmaterial erbringen

Bewilligungserteilung und Bewilligungskriterien:
Eindeutige Verpflichtung des Bundesministers für Inneres, die Bewilligung zu verweigern, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die im Gesetz angeführten Bewilligungskriterien nicht eingehalten werden könnten.

Ergänzung der angeführten Bewilligungskriterien um jene explizite Kriterien, die zusätzlich im EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art.2 enthalten sind, wie insbesondere: Innere Lage im Endbestimmungsland; Verhalten des Käuferlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft (Terrorismus, Teilnahme an und Einhaltung der internationalen Mechanismen zur Nichtverbreitung, zur Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie zur Kontrolle von Waffenausfuhren); Risiko der Abzweigung von Militärtechnologie oder Militärgütern im Käuferland oder der Wiederausfuhr; Vereinbarkeit der Ausfuhr von Militärtechnologie oder Militärgütern mit der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängerlandes.
Darüber hinaus muss die demokratische Legitimität der Regierung eines Bestimmungslandes ein wichtiges zusätzliches Kriterium werden.
Präzisierung der bei der Beurteilung der Einhaltung der Bewilligungskriterien zu berücksichtigenden Umstände und Aspekte gemäß dem EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art. 2.
Normierung gesetzlicher Bewilligungskriterien auch für die Kriegsmaterial-Ausfuhr durch die öffentliche Hand, d.h. die Bewilligungskriterien in §3 als gesetzliches Mindestmaß auch für die Zustimmung der Bundesregierung gemäß §5 zu einer Ausfuhr von Kriegsmaterial durch den Bundesminister für Landesverteidigung
Normierung von Mindestangaben bei der Antragstellung

Endverwendung:
Eindeutige Normierung, dass zuverlässige vorherige Kenntnis über die Endverwendung im Bestimmungsland die Voraussetzung für die Bewilligungserteilung bildet, entsprechend dem EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art.5, 1.Satz.

Normierung, dass nur „Endverbrauchsbescheinigungen“ (bzw. Endverbleibserklärungen) von absoluten Endverwendern anerkannt werden, also jene von (gewerblichen) Waffenhändlern keinesfalls ausreichen Normierung der Verpflichtung, die Erteilung einer Bewilligung jedenfalls von der Vorlage einer „Endverbrauchsbescheinigung“ (bzw. Endverbleibserklärung) abhängig zu machen, gemäß EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art.5 Eindeutige Normierung, dass bei der Bewertung der Anträge auf Ausfuhrbewilligungen für Kriegsmaterial zum Zwecke der Produktion in Drittländern insbesondere die mögliche Verwendung des Endprodukts im Erzeugerland sowie das Risiko, dass das Endprodukt zu einem unerwünschten Endverwender umgeleitet oder ausgeführt werden könnte, berücksichtigt werden (entsprechend dem EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art.5, 3.Satz).

Gesetzliche Normierung von Mindestangaben, die eine gültige „Endverbrauchsbescheinigung“ (bzw. Endverbleibserklärung) zu enthalten hat

Pflichten bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, Kontrolle
Normierung der Verpflichtung, dem Bundesminister für Inneres binnen bestimmter Frist sowohl bei Ein- und Ausfuhren als auch bei Durchfuhren und Vermittlungsgeschäften die tatsächliche, wenn auch ggf. nur teilweise Inanspruchnahme der Bewilligung zu melden und bei Ausfuhren eine Bestätigung des Einlangens des Kriegsmaterials beim Empfänger (Wareneingangsbestätigung) vorzulegen; zugleich Normierung von Mindestangaben bei der Wareneingangsbestätigung.
Normierung von weiteren Informationen, die in den gemäß §4 (2) zu führenden Aufzeichnungen zumindest beinhaltet sein müssen, wie insbesondere: Auflistung der durch nationale und internationale Vorschriften festgelegten Kennzeichnungen (Seriennummern und sonstige Kennnummern); verwendeter Transportweg; verwendete Hilfsleistungen und deren Erbringer; Angabe von Staatsbürgerschaft und Kopie des Reisepasses des Empfängers Klarstellung, dass die Vorschriften des AußHG (idF Regierungsvorlage) bezüglich den Organisatorischen Sicherungsmaßnahmen in Unternehmen (6.Hauptstück, 1.A.) auch für jene Unternehmen gelten, die ausschließlich Kriegsmaterial ein-, aus- oder durchführen oder vermitteln; andernfalls sind analoge Bestimmungen in das KMG einzuführen.

Verlängerung der Frist der Aufbewahrungspflicht auf mindestens 7 Jahre Normierung der Verpflichtung des Bundesministers für Inneres, in periodischen Abständen Kontrollprüfungen jener Gesellschaften zu veranlassen, die Kriegsmaterial-Transaktionen vorgenommen haben
Normierung der Verpflichtung des Bundesministers für Inneres, stichprobenweise sowie bei begründetem Verdacht Vor-Ort-Prüfungen betreffend die Endverwendung zu veranlassen, um die Einhaltung der abgegebenen „Endverbrauchsbescheinigung“ (bzw. Endverbleibserklärung) zu überprüfen.

Strafbestimmungen:
Normierung einer Strafuntergrenze von 6 Monaten für sämtliche Vorsatzdelikte, also nicht erst für gewerbsmäßige Vorsatzdelikte oder Vorsatzdelikte mit Fälschung
Zugleich Anhebung der im Entwurf vorgesehenen Strafuntergrenze für gewerbsmäßige Vorsatzdelikte oder Vorsatzdelikte mit Fälschung von 6 Monaten auf 1 Jahr.

Forderungen zur KMG-Novelle 2011
Regelungsgegenstand und Begriffsbestimmungen (§1)
Normierung einer Bewilligungspflicht auch für Verkäufe von Kriegsmaterial durch Tochterunternehmen österreichischer Unternehmen in Drittstaaten – und nicht nur für das Verbringen von Kriegsmaterial über die Staatsgrenze

Eine solche Bewilligungspflicht ist aus Sicht einer verantwortungsvollen und Menschenrechte Ernst nehmenden Waffenhandelskontrolle jedenfalls zu befürworten. Angesichts der zu vollem Recht im internationalen Vergleich relativ restriktiven Bestimmungen für die Ausfuhr von Kriegsmaterial in Österreich bzw. in der EU, ist die Einführung einer solchen Bewilligungspflicht aber auch im volkswirtschaftlichen Interesse zur Verhinderung einer durch Regulierungsarbitrage fehlgeleiteten Globalisierung der österreichischen Rüstungsindustrie. Das fortdauernde Fehlen einer solchen Bewilligungspflicht würde ein grobes Versäumnis darstellen.
Normierung einer Meldepflicht für Personen und Gesellschaften, die Hilfsleistungen für Ausfuhren und Durchfuhren von Kriegsmaterial erbringen, wie u.a. Transportdienstleistungen, Finanzdienstleistungen (Finanzierungen, Garantien und Haftungsübernahmen), Versicherungen.

Dadurch würde nicht nur eine zusätzliche Waffenhandelskontrolle durch Abgleich mit den Genehmigungsanträgen und Meldungen der Ausführer und Durchfuhrverantwortlichen ermöglicht, sondern auch das Problembewusstsein der in den Handel mit diesen sensiblen und gefährlichen Gütern im weiteren Sinn involvierten Personen und Unternehmen gestärkt und daher ihre Beteiligung an Vorgängen, die im Widerspruch zu den Bewilligungskriterien stehen, vermindert oder vermieden.

Bewilligungserteilung und Bewilligungskriterien (§3 Abs.1, §5 Abs.2)

Überarbeitung von §3 (1) zu Bewilligungserteilung und Bewilligungskriterien: Der vorliegende Entwurf lässt diese Schlüsselpassage des KMG völlig unverändert und ignoriert damit auch den EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP. Wir fordern:

o Eindeutige Verpflichtung des Bundesministers für Inneres, die Bewilligung zu verweigern, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die nachfolgend (in §3 (1) 2.Satz) angeführten Bewilligungskriterien nicht eingehalten werden könnten.

Eine eindeutige „Verpflichtung, die Bewilligung zu verweigern“ geht über die geltende bloße „Verpflichtung zur Bedachtnahme“ hinaus und würde dem EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art.2 („shall deny“) besser entsprechen.

Die hier eingeforderte Verpflichtung zur Bewilligungsverweigerung, wenn „Grund zur Annahme“ besteht, dass die Kriterien nicht eingehalten werden könnten, geht über den geltenden EU-Mindeststandard („klares Risiko“) hinaus. Dieser höhere Standard entspricht jenem des geltenden AußHG 2005. Selbst wenn im AußHG 2011 (wie in der Regierungsvorlage vom 22. Februar 2011 vorgesehen) zum Teil eine Herabsenkung auf den EU-Mindeststandard wirklich beschlossen würde, gibt es gute sachliche Gründe, im KMG, das ja „Kriegsmaterial“ regelt, den höheren Standard zu normieren. Schließlich sei darauf verwiesen, dass auch das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes) der Bundesrepublik Deutschland das Versagen einer Genehmigung überwiegend auf den Kontrollmaßstab „Grund zu der Annahme“ basiert (§6).

o Ergänzung der (in §3 (1) 2.Satz) angeführten Bewilligungskriterien um jene explizite Kriterien, die zusätzlich im EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art.2 enthalten sind, wie u.a.:
- Innere Lage im Endbestimmungsland als Ergebnis von Spannungen oder bewaffneten Konflikten
- Verhalten des Käuferlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft, unter besonderer Berücksichtigung seiner Haltung zum Terrorismus, der Art der von ihm eingegangenen Bündnisse und der Einhaltung des Völkerrechts, wie insbesondere auch seine Teilnahme an und Einhaltung der internationalen Mechanismen zur Nichtverbreitung, zur Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie zur Kontrolle von Waffenausfuhren
- Risiko der Abzweigung von Militärtechnologie oder Militärgütern im Käuferland oder der Wiederausfuhr von Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen
- Vereinbarkeit der Ausfuhr von Militärtechnologie oder Militärgütern mit der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängerlandes, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Staaten bei der Erfüllung ihrer legitimen Sicherheits- und Verteidigungsbedürfnisse möglichst wenige Arbeitskräfte und wirtschaftliche Ressourcen für die Rüstung einsetzen sollten

o Ergänzung der (in §3 (1) 2.Satz) angeführten Bewilligungskriterien um das Kriterium der demokratischen Legitimität der Regierung eines Bestimmungslandes.

o Präzisierung der bei der Beurteilung der Einhaltung der Bewilligungskriterien zu berücksichtigenden Umstände und Aspekte gemäß dem EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art. 2.

Dazu muss auch auf die entsprechende Umsetzung im AußHG (idF Regierungsvorlage) in den §5 (2), §6 (2), §7 (2), §8 (2), §9 (2), §10 (2), §11 (2) und §12 (2) verwiesen werden.

Überarbeitung von §5 (2) zur Kriegsmaterial-Ausfuhr durch die öffentl. Hand:

Die Regelung des §5 Abs.2 wurde weitgehend unverändert belassen – die einzige Änderung durch den vorliegenden Entwurf ist eine Ergänzung, die nun explizit macht, dass eine Bewilligung gemäß §3 nicht erforderlich ist für die Ausfuhr von Kriegsmaterial durch die öffentliche Hand. Daraus folgt, dass die Bundesregierung als Entscheidungsorgan für „government-to-anybody“-Exporte (weiterhin) nicht ausdrücklich an gesetzliche Entscheidungskriterien gebunden ist.

Um eine daraus resultierende Ungleichbehandlung zwischen privaten Unternehmen und Organen der Republik Österreich zu verhindern, fordern wir:

Eindeutige Normierung der Bewilligungskriterien in §3 (1) als gesetzliches Mindestmaß auch für die Zustimmung der Bundesregierung gemäß §5 (2) zu einer Ausfuhr von Kriegsmaterial durch den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport, den Bundesminister für Inneres, den Bundesminister für Justiz und den Bundesminister für Finanzen und die ihnen unterstellten Organe.

o Denn auch die Ausfuhr von z.B. ausgesondertem und verkauftem (oder vermietetem) Kriegsmaterial des österreichischen Bundesheeres (unter §5(2)) muss zumindest den gleichen, wenn nicht strengeren gesetzlichen Bewilligungskriterien unterliegen wie sonstige Ausfuhren von Kriegsmaterial (unter §3(1)).

Ergänzung jener Bestimmung in §3 (4) 3.Satz, dass zu einer Bewilligung für die Verbringung innerhalb der EU eine die nachfolgende Ausfuhr des Kriegsmaterials in Drittstaaten beschränkende Auflage erteilt werden kann, mit der Klarstellung, dass dies auch dann gilt, wenn das Kriegsmaterial nach der Verbringung innerhalb der EU als Bestandteil in andere Güter integriert worden ist.

Normierung von Mindestangaben bei der Antragstellung. Diese müssen zumindest umfassen:

a) Bezeichnung des Kriegsmaterials samt technischer Spezifikationen und Nummer laut EU-Gemeinsame Militärgüterliste
b) Menge und Wert des Kriegsmaterials
c) Zweck der grenzüberschreitenden Verbringung
d) Transportweg, der beabsichtigt ist
e) Hilfsleistungen, deren Inanspruchnahme beabsichtigt ist, wie insbesondere Beförderung, Finanzdienstleistungen (Finanzierungen, Garantien und Haftungsübernahmen) und Versicherungen, und die sie erbringenden Personen und Unternehmen, die dazu auch eine entsprechende Befugnis aufweisen müssen
f) Name, Anschrift und Staatsbürgerschaft des Empfängers im Bestimmungsland

Auch wenn argumentiert werden könnte, dass alle diese Angaben schon bisher in der Praxis bei der Antragstellung verlangt wurden, so ist ihre ausdrückliche Verankerung im Gesetz ein Gebot der Rechtssicherheit und der Verwaltungseffizienz und jedenfalls aus der Perspektive einer verantwortungsbewussten Waffenhandelskontrolle geboten.

Endverwendung (§3 Abs.2)
Die Normen zur Regelung betreffend Endverwendung sind deutlich restriktiver zu gestalten, um erstens im Sinne der Entschließung des Menschenrechtsausschusses des Nationalrats vom 14.4.2010 ein wirksames und möglichst lückenloses System der Endverwendungskontrolle zu verankern, zweitens den EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP (Art.5) umzusetzen und drittens keine weniger restriktive Regelung als im AußHG 2011 (idF Regierungsvorlage) beizubehalten:
Eindeutige Normierung, dass zuverlässige vorherige Kenntnis über die Endverwendung im Bestimmungsland die Voraussetzung für die Bewilligungserteilung bildet (entsprechend dem EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art.5, 1.Satz).

Normierung, dass nur „Endverbrauchsbescheinigungen“ (bzw. Endverbleibserklärungen) von absoluten Endverwendern anerkannt werden, also „Endverbrauchsbescheinigungen“ (bzw. Endverbleibserklärungen) von (gewerblichen) Waffenhändlern zur allfälligen Weiterveräußerung dieses Kriegsmaterials keinesfalls als ausreichend anerkannt werden.

Normierung der Verpflichtung, die Erteilung einer Bewilligung jedenfalls von der Vorlage einer „Endverbrauchsbescheinigung“ (bzw. Endverbleibserklärung) abhängig zu machen, gemäß EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art.5 (Muss- statt Kann-Bestimmung in §3 (2)). Zusätzlich soll die Erteilung einer Bewilligung jedenfalls von der Vorlage einer Importbewilligung des Bestimmungslandes abhängig gemacht werden, wenn das Bestimmungsland eine solche Importbewilligung ausstellt (Muss- statt Kann-Bestimmung in §3 (2)). Auch im Zusammenhang mit Globalbewilligungen für Verbringungen innerhalb der Europäischen Union (Z.7 bzw. §3 Abs. 5 des vorliegenden Entwurfs) ist die eindeutige Normierung zu fordern, dass in jedem Fall an die von der Berechtigung umfassten Empfänger nur dann geliefert werden darf, wenn diese dem Lieferanten (Bewilligungsadressaten) vor Durchführung der Verbringung eine „Endverbrauchsbescheinigung“ vorlegen. Dies bloß als mögliche Bedingung in Erwägung zu ziehen (siehe „Erläuterungen“ S.7) ist unzureichend.

Eindeutige Normierung, dass bei der Bewertung der Anträge auf Ausfuhrbewilligungen für Kriegsmaterial zum Zwecke der Produktion in Drittländern insbesondere die mögliche Verwendung des Endprodukts im Erzeugerland sowie das Risiko, dass das Endprodukt zu einem unerwünschten Endverwender umgeleitet oder ausgeführt werden könnte, berücksichtigt werden (entsprechend dem EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP, Art.5, 3.Satz).

Gesetzliche Normierung von Mindestangaben, die eine gültige „Endverbrauchsbescheinigung“ (bzw. Endverbleibserklärung) zu enthalten hat: Die „Endverbrauchsbescheinigung“ (bzw. Endverbleibserklärung) hat jedenfalls zu enthalten: den Namen und die Adresse des Endverwenders, eine beglaubigte Kopie seines Reisepasses, und eine ausdrückliche Einverständniserklärung des Endverwenders, nach Erhalt der Lieferung allfällige Vor-Ort-Prüfungen des Vorhandenseins des gelieferten Gutes durch österreichische Behörden oder durch von österreichischen Behörden beauftragte Dritte zu dulden und vor einer beabsichtigten Weitergabe des Gutes die Genehmigung des Bundesministers für Inneres der Republik Österreich zu beantragen und dessen Bescheid zu befolgen.

Bewilligungserteilung (Auflagen) (§3 Abs.4), bzw. zu: Pflichten bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, Kontrolle (§4)

Normierung der Verpflichtung, dem Bundesminister für Inneres binnen bestimmter Frist sowohl bei Ein- und Ausfuhren (vgl. §4(3)) als auch bei Durchfuhren und Vermittlungsgeschäften die tatsächliche, wenn auch ggf. nur teilweise Inanspruchnahme der Bewilligung zu melden und bei Ausfuhren eine Bestätigung des Einlangens des Kriegsmaterials beim Empfänger (Wareneingangsbestätigung) vorzulegen (Muss- statt Kann-Bestimmung in §3 (4) 2.Satz, also gesetzliche Verpflichtung statt bloß eventuelle Auflage).

Dass auch bereits die Durchführung von Teilsendungen unverzüglich zu melden ist, ergibt sich schon daraus, dass sonst keine Meldung erfolgen könnte, falls eine Genehmigung nicht zur Gänze ausgenützt würde.

Normierung von Mindestangaben bei der Wareneingangsbestätigung. Diese müssen zumindest umfassen:

a) Bezeichnung des Kriegsmaterials samt technischer Spezifikationen und Nummer(n) laut EU-Gemeinsame Militärgüterliste. 
b) Menge und Wert des Kriegsmaterials. Insbesondere auch Auflistung (ggf. durch Beilage einer Daten-CD) der durch nationale und internationale Vorschriften festgelegten Kennzeichnungen (Seriennummern und sonstige Kennnummern).
c) Verwendungszweck der erhaltenen Ware
d) Name, Anschrift, Staatsbürgerschaft und Kopie des Reisepasses des Empfängers im Bestimmungsland

Die Verpflichtung zu diesen Mindestangaben entspricht der Entschließung des Menschenrechtsausschusses des Nationalrats vom 14.April 2010 betreffend ein lückenloses System der Endverwendungskontrolle und die Nachverfolgbarkeit der Güter und ist aus der Perspektive einer verantwortungsbewussten Waffenhandelskontrolle geboten.

Pflichten bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, Kontrolle (§4)
Normierung von weiteren Informationen, die in den gemäß §4 (2) zu führenden Aufzeichnungen zumindest beinhaltet sein müssen:

o Ad 2. Menge und Wert des Kriegsmaterials:
Insbesondere auch Auflistung (ggf. durch Beilage einer Daten-CD) der durch nationale und internationale Vorschriften festgelegten Kennzeichnungen (Seriennummern und sonstige Kennnummern).
o Transportweg, der verwendet wurde
o Hilfsleistungen, deren Inanspruchnahme erfolgt ist, wie insbesondere Transportdienstleistungen, Finanzdienstleistungen (Finanzierungen, Garantien und Haftungsübernahmen) und Versicherungen, und die sie erbringenden Personen und Unternehmen
o Angabe von Staatsbürgerschaft und Kopie des Reisepasses des Empfängers im Bestimmungsland

Die Pflicht zur Aufzeichnung dieser ergänzenden Informationen entspricht der Entschließung des Menschenrechtsausschusses des Nationalrats vom 14. April 2010 betreffend ein lückenloses System der Endverwendungskontrolle und die Nachverfolgbarkeit der Güter und sind aus der Perspektive einer verantwortungsbewussten Waffenhandelskontrolle geboten.

Die Meldung bzw. jährliche Sammelmeldung gemäß §4 (3) hat auch die o.g. weiteren Informationen, die in den gemäß §4 (2) zu führenden Aufzeichnungen zumindest beinhaltet sein müssen, zu umfassen.
Klarstellung, dass die Vorschriften des AußHG (idF Regierungsvorlage) bezüglich den Organisatorischen Sicherungsmaßnahmen in Unternehmen (6.Hauptstück, 1.A.) auch für jene Unternehmen gelten, die ausschließlich Kriegsmaterial ein-, aus- oder durchführen oder vermitteln; andernfalls sind analoge Bestimmungen in das KMG einzuführen.

Verlängerung der Frist der Aufbewahrungspflicht auf mindestens 7 Jahre in §4 (5) des Entwurfs. Damit würde nicht nur die Kongruenz mit der Frist der Aufbewahrungspflicht für Buchhaltungsunterlagen hergestellt, sondern auch der eklatante Gegensatz zu gängigen Fristen (von bis zu 10 Jahren) für Aufbewahrungspflichten in anderen - menschenrechtlich weitaus weniger sensiblen - Bereichen, wie zum Beispiel bei Projektförderungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, gemindert.

Normierung der Verpflichtung des Bundesministers für Inneres, dass er in periodischen Abständen, jedoch zumindest ein Mal in 5 Jahren Kontrollprüfungen jener Personen und Gesellschaften, die nach diesem Bundesgesetz bewilligungspflichtige Transaktionen mit Kriegsmaterial vorgenommen haben, zu veranlassen hat – zumindest dann, wenn der Wert der einer Person bzw. Gesellschaft erteilten Ausfuhrbewilligung(en) im Durchschnitt der jeweils drei vergangenen Kalenderjahre einen bestimmten Schwellenwert überstiegen hat.

Über Ersuchen des Bundesministers für Inneres haben der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend sowie der Bundesminister für Finanzen und die ihnen unterstellten Behörden in geeigneter Weise an Organisation und Durchführung solcher Kontrollprüfungen mitzuwirken.

Normierung der Verpflichtung des Bundesministers für Inneres, dass er Vor-Ort-Prüfungen betreffend die Endverwendung zu veranlassen hat, um die Einhaltung der abgegebenen „Endverbrauchsbescheinigung“ (bzw. Endverbleibserklärung) zu überprüfen.

Der Bundesminister für Inneres ist verpflichtet, diese Überprüfungen sowohl in stichprobenartiger Weise als auch im Falle des Entstehens eines begründeten Verdachts auf genehmigungswidrige Weitergabe des gelieferten Gutes zu veranlassen.

Über Ersuchen des Bundesministers für Inneres hat der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und die ihm unterstellten Behörden in geeigneter Weise an Organisation und Durchführung solcher Vor-Ort-Prüfungen mitzuwirken. Solche Vor-Ort-Prüfungen können auch im Wege der zwischenstaatlichen Amts- und Rechtshilfe (einschl. der polizeilichen Zusammenarbeit) organisiert und durchgeführt werden. Sie können weiters auch mittels Beauftragung von Dritten (zum Beispiel von auf Kontrolltätigkeiten spezialisierten Unternehmen) erfolgen.

Gerichtliche Strafbestimmungen (§7)
Normierung einer Strafuntergrenze von 6 Monaten für sämtliche Vorsatzdelikte, also nicht erst für gewerbsmäßige Vorsatzdelikte oder Vorsatzdelikte mit Fälschung (§7 (1) 1.Satz des Entwurfs) und für fahrlässige Beiträge zu ABC-Waffen bzw. ABC-waffenfähigen Trägersystemen (in §7 (2a) des Entwurfs).

Normierung einer Strafuntergrenze für vorsätzliche Beiträge zu ABC-Waffen bzw. ABC-waffenfähigen Trägersystemen (in §7 (1) 1.Satz des Entwurfs) von 1 Jahr.

Zugleich Anhebung der im Entwurf vorgesehenen Strafuntergrenze für gewerbsmäßige Vorsatzdelikte oder Vorsatzdelikte mit Fälschung (§7 (1) 2.Satz des Entwurfs) von 6 Monaten auf 1 Jahr.

Normierung eines Strafrahmens für gewerbsmäßig-vorsätzliche oder vorsätzlich-fälschende Beiträge zu ABC-Waffen bzw. ABC-waffenfähigen Trägersystemen (in §7 (1) 2.Satz des Entwurfs) von 2 bis 10 Jahren.