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Jagd auf Richter*innen bedroht unabhängige Justiz

4. Juli 2019

Zusammenfassung

  • Neuer Amnesty-Bericht dokumentiert, wie die Regierung in Polen die Unabhängigkeit der Gerichte untergräbt

  • Richter*innen und Staatsanwält*innen, die gegen diese Einschränkungen protestieren und die Menschenrechte verteidigen, werden bedroht und schikaniert

Die Regierung in Polen geht gegen Richter*innen und Staatsanwält*innen vor, die sich für die Unabhängigkeit der polnischen Justiz einsetzen. Sie werden mit Disziplinarverfahren konfrontiert und bei der Arbeit und über Soziale Medien bedroht und schikaniert. Das dokumentiert der neue Amnesty-Bericht Poland: Free Courts, Free People.

Die polnischen Behörden schüchtern hinter den Kulissen Richter*innen und Staatsanwält*innen ein, die sich mutig gegen politische Einflussnahme auf die Justiz stellen. Diese Belästigungen müssen sofort aufhören.

Barbora Černušáková, Researcherin für Polen bei Amnesty International

Einige Richter*innen hatten beim höchsten EU-Gerichtshof, dem Gerichtshof der Europäischen Union, um Hilfe in Rechtsfragen angesucht. Nun sind sie mit Untersuchungsverfahren konfrontiert: Ewa Maciejewska, Richterin in der Stadt Łodz, wurde verhört, nachdem sie den EUGH zur Klärung der Vereinbarkeit der neuen Disziplinarverfahren angerufen hatte. Diese stellen ein Kernstück der „Reformen“ dar.

Richter*innen wehren sich

Positiv ist: Viele Richter*innen solidarisieren sich mit ihren Kolleg*innen, die angegriffen werden. Nachdem eine Disziplinarkammer der Richterin Alina Czubieniak eine ungerechtfertigte Rüge erteilte, hielten Richter*innen in mehr als 20 Gerichten in ganz Polen Transparente hoch. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, stand darauf zu lesen.

In manchen Fällen zogen solche Solidaritätsbekundung neuerliche Schikanen nach sich. Im April rief der Präsident des Regionalgerichts Olsztyn die Polizei, als eine Gruppe Richter*innen und Jurist*innen eine solidarische Mahnwache in der Stadt abhielt.

„Richter*innen müssen ohne politische Einflussnahme Recht sprechen können. Die polnische Regierung muss sämtliche Disziplinarverfahren gegen Richter*innen und Staatsanwält*innen fallen lassen. Diese Menschen haben legitime Urteile gefällt und rechtmäßige Proteste abgehalten. Disziplinarmaßnahmen dürfen auch in Zukunft nicht dazu missbraucht werden, um Kontrolle über die Justiz auszuüben“, sagt Barbora Černušáková.

Diese Menschen haben legitime Urteile gefällt und rechtmäßige Proteste abgehalten. Disziplinarmaßnahmen dürfen auch in Zukunft nicht dazu missbraucht werden, um Kontrolle über die Justiz auszuüben.

Barbora Černušáková

„Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte sind Grundprinzipien der EU. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen Polen weiterhin dazu auffordern, dem Verstoß gegen diese Prinzipien ein Ende zu setzen und die Regierung zur Rechenschaft ziehen, wenn sie diese Praxis beibehält", sagt Barbora Černušáková, Researcherin für Polen bei Amnesty International.

Die polnische Regierung hat seit Ende 2015 eine Reihe von gesetzlichen und politischen Maßnahmen verabschiedet, die die Unabhängigkeit der Justiz untergraben. Darunter fallen

  • die politisierte Ernennung von Richter*innen,

  • die Möglichkeit des Justizministers, Präsident*innen und stellvertretende Präsident*innen von Gerichten zu ernennen sowie

  • die Möglichkeit, Höchstrichter*innen in den Ruhestand zu schicken.

Die Regierung setzt außerdem Disziplinarverfahren gegen Richter*innen ein, die sich gegen die umstrittenen Justizreformen ausgesprochen haben. Viele müssen um ihren Arbeitsplatz fürchten.

Drohungen und Beleidigungen

Einer von den Betroffenen ist Richter Waldemar Żurek, ehemaliger Sprecher des Nationalen Justizrates: Er war jahrelang Einschüchterungsversuchen und Belästigungen ausgesetzt, nachdem er die „Reformen“ der Regierung öffentlich kritisiert hatte.

Verschiedene Behörden hatten gegen Żurek ungerechtfertigte Disziplinarverfahren eingeleitet. Auch seine Angehörigen wurden in ihre Untersuchungen hineingezogen. Er erhielt Drohbriefe, beleidigende Textnachrichten und wurde im nationalen Fernsehen diffamiert.

Wer Demonstrant*innen verteidigt, wird schikaniert

Auch Richter*innen, die mit ihren Entscheidungen die Rechte friedlicher Demonstrant*innen schützen, werden belästigt: Eine Frau sprach bei einer Kundgebung über die Rückschritte bei den Frauenrechten und die Bedrohungen der Justiz. Als sie dabei fluchte, wurde ihr dies als eine ordnungswidrige Handlung in der Öffentlichkeit zu Lasten gelegt.

Sławomir Jęksa, Richter am Bezirksgericht Poznań entschied, dass die Frau keine Straftat begangen hatte. Sie habe die Worte bei einer Demonstration gewählt, bei der die Redefreiheit „grundsätzlich weiter gefasst“ werden müsse. Wichtig sei auch, urteilte Jęksa, was die Demonstrantin im Zuge ihrer Rede über die Bedrohung der richterlichen Unabhängigkeit gesagt habe. Gegen Richter Jeksa wurde daraufhin ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Ankläger behauptete, das Urteil sei „politisch motiviert“ gewesen.

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