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Presse

Black Friday: Online-Gigant Amazon muss Menschenrechte von Angestellten respektieren

27. November 2020

Zusammenfassung

  • Neuer Kurzbericht von Amnesty International zeigt, wie Amazon seine Angestellten überwacht und mit Druck versucht zu verhindern, dass sie sich gewerkschaftlich organisieren 
  • Amnesty fordert den globalen Online-Versandhändler auf, internationale Arbeitsrechte einzuhalten

Am diesjährigen „Black Friday“ – einem der umsatzstärksten Tage des Online-Versandhändlers Amazon – veröffentlicht Amnesty International einen neuen Kurzbericht: Amazon, let Workers Unionize dokumentiert, wie Amazon seine Angestellten überwacht und mit Druck versucht zu verhindern, dass sie sich öffentlich wehren oder gewerkschaftlich organisieren.  

„Während der Pandemie haben Angestellte von Amazon ihre Gesundheit und ihr Leben riskiert, damit wichtige Güter bis zur Haustür geliefert wurden. So haben sie dazu beigetragen, dass das Unternehmen Rekordgewinne erzielen konnte. Vor diesem Hintergrund ist es erschreckend, dass Amazon den Versuchen, sich gewerkschaftlich zu engagieren, mit einer solchen Feindseligkeit begegnet – als eines der mächtigsten Unternehmen weltweit sollte Amazon sich anders verhalten“, sagt Barbora Černušáková, Expertin und Beraterin zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten bei Amnesty International.  

Die Recherchen von Amnesty International zeigen, dass Amazon Arbeitnehmer*innen daran gehindert hat, sich gewerkschaftlich zu organisieren und Tarifverhandlungen zu führen. Das geschah unter anderem in den USA durch Überwachung und in Großbritannien durch die Androhung rechtlicher Schritte. Zudem hat sich der Online-Gigant in Polen und Frankreich nicht um Gesundheits- und Sicherheitsanliegen der Belegschaft gekümmert. 

„Mit dem Black Friday und Weihnachten kommt jetzt die arbeitsreichste und umsatzstärkste Zeit für den Onlinehändler. Wir fordern Amazon auf, die Menschenrechte der Mitarbeiter*innen zu respektieren und internationale Arbeitsrechte einzuhalten, die eindeutig festlegen, dass Arbeiter*innen das Recht haben, sich gewerkschaftlich zu engagieren. Amazon muss aufhören, die Rechte seiner Belegschaft auf Privatsphäre zu verletzen und Gewerkschaftsaktivitäten als Bedrohung zu betrachten“, fordert Barbora Černušáková. 

Amazon muss aufhören, die Rechte seiner Belegschaft auf Privatsphäre zu verletzen und Gewerkschaftsaktivitäten als Bedrohung zu betrachten.

Barbora Černušáková, Expertin und Beraterin zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten bei Amnesty International

Angestellte des Onlineversandhändlers Amazon sind seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie erheblichen Risiken für ihre Gesundheit und ihre Sicherheit ausgesetzt. Viele riskieren ihre Gesundheit und ihr Leben, damit wichtige Güter bis zur Haustür geliefert werden. Ihre Möglichkeiten, sich öffentlich zu wehren oder sich gewerkschaftlich zu organisieren, um Tarifverträge abzuschließen, wird auf Druck des Arbeitgebers aber immer wieder eingeschränkt, kritisiert Amnesty International in dem neuen Kurzbericht.  

Gewerkschaften gemaßregelt und bedroht 

Obwohl Amazon behauptet, die Rechte der Beschäftigten zur Gründung beziehungsweise zum Beitritt zu einer Gewerkschaft zu respektieren, hat das Unternehmen die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften immer wieder eingeschränkt. So bezeichnete Amazon in den Jahresberichten 2018 und 2019 die Existenz von Gewerkschaften als „Risikofaktor“. Außerdem empfahl das Unternehmen 2018 in einem Schulungsvideo für Manager*innen, nach „Warnzeichen“ für Gewerkschaftsaktivitäten Ausschau zu halten. 

Im März und April sorgten die Entlassungen von Amazon-Mitarbeiter*innen, die die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen während der Pandemie kritisierten, für einen Aufschrei in den USA.  

In Großbritannien wurden Mitglieder der Gewerkschaft GMB wiederholt mit einstweiligen Verfügungen wegen „unbefugten Betretens“ bedroht, als sie versuchten, bei Amazon neue Mitglieder anzuwerben. 2018 und 2019 versandte der Online-Riese rechtliche Hinweise an Gewerkschaftsmitglieder. Diese belegen die Überwachung deren Social Media-Tätigkeiten durch Amazon, da den Schreiben entsprechende Screenshots als Beweis für „geplante“ Demonstrationen beigefügt wurden.

In Polen berichtete die Organisation Workers’ Initiative von Disziplinarmaßnahmen gegen ihre Mitglieder. So erhielt eine Frau für die Anwerbung von Gewerkschaftsmitgliedern während der Arbeitszeit eine Abmahnung. 

Überwachung 

Ein weiterer Grund zur Besorgnis ist die Überwachung der Amazon-Belegschaft. Im September berichtete Vice News über Stellenausschreibungen, in denen Amazon nach Fachkräften für die Auswertung von Überwachungsdaten sucht. So will das Unternehmen Risiken verfolgen, wozu es auch „arbeitsorganisatorische Bedrohungen für das Unternehmen“ zählt. Amazon hat die Stellenanzeigen inzwischen zurückgezogen und erklärt, dass es sich bei der Veröffentlichung um einen Fehler handelte. 

Im selben Monat veröffentlichte Vice News Einzelheiten zu internen Amazon-Dokumenten, aus denen hervorgeht, dass das Unternehmen die privaten Facebook-Gruppen von Amazon-Flex-Fahrer*innen heimlich überwacht und ausgewertet hat, auch um eventuelle Pläne für Streiks oder Proteste zu verfolgen.  

Am 21. September 2020 bat Amnesty International Amazon in einem Schreiben um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen der unangemessenen Überwachung seiner Mitarbeiter*innen und einer entsprechenden Datenerfassung. In seiner Antwort vom 12. Oktober 2020 beantwortete das Unternehmen keine Fragen zu diesen Praktiken. Stattdessen hieß es, Amazon lege „enormen Wert darauf, täglich mit allen Mitarbeiter*innen zu sprechen. Der direkte Austausch mit unseren Mitarbeiter*innen ist eine Stärke unserer Arbeitskultur“. 

Aus internen Unterlagen, die im Oktober 2020 an die Öffentlichkeit durchgedrungen sind, geht hervor, dass Amazon seine Belegschaft in den USA anscheinend mit entsprechender Technologie überwacht. So sollen Social-Media-Konten heimlich auf Anzeichen von Plänen zur Organisierung von Protesten oder Streiks durchsucht worden sein.  

Im Oktober berichtete das Technologieblog Recode von einem durchgesickerten internen Protokoll, demzufolge Amazon plant, Hunderttausende Dollar in ein neues Technologiesystem namens geoSPatial Operating Console zu investieren und mit dessen Hilfe gewerkschaftliche „Bedrohungen“ zu überwachen. 

„So ein finsteres Big Brother-Verhalten ist völlig inakzeptabel und beeinträchtigt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer*innen“, sagt Barbora Černušáková 

Kein Austausch mit Gewerkschaften zu Gesundheits- und Sicherheitsfragen 

Da sich täglich Hunderttausende mit COVID-19 infizieren, sind Gesundheit und Sicherheit der Amazon-Mitarbeiter*innen von entscheidender Bedeutung. 

Die polnische Organisation Workers’ Initiative teilte Amnesty International mit, dass Amazon sich im März 2020 geweigert habe, Gesundheits- und Sicherheitsaspekte mit ihr zu diskutieren. In Frankreich gelang es der Gewerkschaft Solidaires auf dem Rechtsweg einen vorübergehenden Betriebsstillstand zu erwirken, um striktere Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen einzuführen. 

Einige Gewerkschaften haben sich außerdem angesichts des Umgangs mit Gefahrenzulagen besorgt gezeigt. Während in Europa und Nordamerika eine leicht erhöhte Gefahrenzulage gezahlt wurde, stellte das Unternehmen diese in den meisten Ländern Ende Mai 2020 wieder ein, obwohl nach wie vor eine Pandemie herrschte. 

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