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Amnesty-Jahresbericht zur Region Asien-Pazifik 2019

29. Jänner 2020

Zusammenfassung

  • Junge Menschen fordern gleiche Chancen und Freiheit trotz zunehmender Repression
  • Bericht beleuchtet die Menschenrechtslage 2019 in 25 Ländern Asiens und der Pazifikregion
  • Junge Protestierende gehen gegen zunehmende Unterdrückung auf die Straße und erzielen wegweisende Erfolge für Menschen und ihre Rechte in der Region
  • Zahlreiche Festnahmen, Inhaftierungen und Tötungen nach unverhältnismäßiger Gewalt der Sicherheitskräfte
  • Internationaler Strafgerichtshof initiierte wichtige Untersuchungen

Eine neue Generation von Aktivist*innen setzt sich in Asien für gleiche Chancen, Freiheit und Rechte ein; sie stellen sich gegen brutale Repressalien, Verleumdungskampagnen in den Sozialen Medien und politische Zensur. Das zeigt der Bericht Human Rights in Asia-Pacific: A review of 2019 von Amnesty International. Er enthält eine detaillierte Analyse der Menschenrechtslage in 25 Ländern und Territorien.

2019 war für Asien ein Jahr der Repression, doch gleichzeitig auch ein Jahr des erfolgreichen Widerstands. Auf dem gesamten Kontinent versuchten Regierungen, Menschenrechte zu beschneiden. Doch die Menschen wehren sich – und die junge Generation ist an vorderster Front dabei.

Nicholas Bequelin, Regionaldirektor für Ostasien und die Pazifikregion bei Amnesty International

„Studierende in Hongkong führen eine Massenbewegung gegen den steigenden Einfluss Chinas an. Studierende in Indien protestieren gegen eine muslimfeindliche Politik. Junge Wählerinnen und Wähler in Thailand geben einer neuen Oppositionspartei ihre Stimme; und in Taiwan demonstrieren Menschen für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI). Ob im Internet oder auf der Straße – junge Menschen fordern mit Protestbewegungen jene heraus, die derzeit an der Macht sind.“

Erfolge trotz aller Widrigkeiten

 

Jeder Widerstand gegen Menschenrechtsverletzungen in der Region wurde routinemäßig bestraft. Doch die Menschen, die Widerstand leisteten, konnten mit ihrem Einsatz für Menschenrechte viel bewirken.

Protestierende in Asien mussten 2019 einiges ertragen. Dies hat sie jedoch nicht entmutigen können. Ihre Stimmen wurden unterdrückt, aber nicht zum Schweigen gebracht.

Nicholas Bequelin

"Gemeinsam haben sie eine mutige Botschaft des Widerstands gegen Regierungen gesendet, die in ihrem zunehmenden Machtrausch nicht davor zurückschrecken, die Menschenrechte mit Füßen zu treten“, sagt Nicholas Bequelin.

In Taiwan wurde dank des unermüdlichen Einsatzes von LGBTI-Aktivist*innen die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. In Sri Lanka wehrten Anwält*innen und zivilgesellschaftliche Aktivist*innen erfolgreich die Wiederaufnahme von Hinrichtungen ab.

Brunei war gezwungen, geplante Gesetze zurückzunehmen, nach denen Ehebruch und sexuelle Handlungen zwischen Männern mit Steinigung geahndet hätte werden sollen. In Malaysia begann ein Verfahren gegen den ehemaligen Premierminister Najib Razak wegen Verdacht auf Korruption.

In Pakistan versprach die Regierung, etwas gegen den Klimawandel und die dortige Luftverschmutzung zu unternehmen, während auf den Malediven erstmals zwei Frauen als Richterinnen an den Obersten Gerichtshof berufen wurden.

Und in Hongkong sah sich die Regierung infolge heftiger Proteste gezwungen, das umstrittene Auslieferungsgesetz zurückzunehmen. Es muss jedoch immer noch dafür gesorgt werden, dass diejenigen, die über Monate hinweg Menschenrechtsverstöße an Demonstrierenden begangen haben, zur Verantwortung gezogen werden.

Hongkong: Beispiellose Massenproteste

China und Indien, die beiden größten Mächte Asiens, wiesen bestimmte Menschenrechte ganz offen zurück – und gaben damit 2019 für Repressionen in der gesamten Region den Ton an. Peking sprach sich für ein Auslieferungsgesetz aus, das es den Behörden in Hongkong erlaubt hätte, Strafverdächtige an die Behörden des chinesischen Festlands auszuliefern. Daraufhin kam es in Hongkong zu bisher beispiellosen Massenprotesten.

Seit Juni 2019 gehen die Menschen in Hongkong immer wieder auf die Straße. Sie fordern, dass die Verantwortlichen für Polizeigewalt zur Rechenschaft gezogen werden. Sie prangern den unverhältnismäßigen Einsatz von Tränengas sowie willkürliche Festnahmen, tätliche Übergriffe und Misshandlungen im Gewahrsam an. Mit einem globalen Appell übt Amnesty weiter Druck auf die Regierung Hongkongs aus – mehr als 2.000 Menschen in Österreich unterstützen den Appell.

Indien bis Indonesien: Proteste schlagen Wellen

Der Einsatz vieler Menschen für gleiche Chancen und Freiheiten kann auf dem gesamten Kontinent beobachtet werden. In Indien demonstrierten Millionen friedlich gegen ein neues Gesetz, mit dem Muslim*innen diskriminiert werden. In Indonesien gab es Proteste gegen mehrere vom Parlament verabschiedete Gesetze, die eine Gefahr für die Freiheitsrechte darstellten. In Afghanistan setzten Demonstrierende ihre Sicherheit aufs Spiel, um ein Ende des langjährigen Konflikts zu fordern. In Pakistan trotzte die gewaltfreie paschtunische Tahaffuz-Bewegung der staatlichen Repression und prangerte außergerichtliche Hinrichtungen und Fälle des Verschwindenlassens an.

Wichtige Untersuchungen des Internationalen Strafgerichtshofs

Viele Regierungen versuchen ihre Unterdrückungsmaßnahmen zu rechtfertigen, indem sie ihre Kritiker*innen als Verbündete von „ausländischen Mächten“ darstellen. Oft werden die Sozialen Medien für diese Art von Repression instrumentalisiert. ASEAN und SAARC, die beiden wichtigsten überregionalen Organisationen, zogen ihre Mitgliedstaaten selbst in Fällen schwerster Menschenrechtsverletzungen nicht zur Rechenschaft.

Es war dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) überlassen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu untersuchen, die 2017 von der myanmarischen Armee gegen Angehörige der Rohingya im Bundesstaat Rakhine begangen worden waren. Der IStGH untersucht außerdem die Tötung Tausender Menschen durch die philippinische Polizei. Auch läuft ein Rechtsmittelverfahren gegen die Entscheidung des IStGH, im Fall mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Afghanistan keine Ermittlungen einzuleiten.

Kein Platz für kritische Stimmen

Friedlicher Protest und Kritik wurde von den Behörden regelmäßig unterdrückt: „Die Versuche der Behörden, jede Form der Kritik auszumerzen und die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken, waren so skrupellos wie vorhersehbar. Diejenigen, die mutig genug waren, repressive Regierungen anzuprangern, zahlten häufig einen hohen Preis“, sagt Biraj Patnaik, Direktor für Südasien bei Amnesty International.

Repressive Regierungen in ganz Südostasien gingen scharf gegen Kritiker*innen und die Medienfreiheit vor. So mussten Protestierende in Vietnam, Laos, Kambodscha und Thailand mit Festnahme und Inhaftierung rechnen.

In Indonesien wurden zahlreiche Menschen getötet, als die Polizei mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Protestierende vorging. Allerdings wurde nur wenig unternommen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Es wurden weder Polizist*innen festgenommen noch Verdächtige identifiziert.

In Pakistan und Bangladesch wurden Aktivist*innen und Journalist*innen zur Zielscheibe repressiver Gesetze, mit denen freie Meinungsäußerung im Internet eingeschränkt und Kritik in Online-Medien bestraft wird.

Minderheiten leiden unter Intoleranz und Nationalismus

In Indien und China greifen die Behörden beim geringsten Zeichen von Widerstand in Gebieten, die auf dem Papier autonom sind, hart durch. Oft werden Minderheiten als „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ deklariert.

In der chinesischen Provinz Xinjiang wurden bis zu eine Million Angehörige der uigurischen Gemeinschaft und anderer mehrheitlich muslimischer Minderheiten in sogenannten „Lagern zur Entradikalisierung“ inhaftiert. Amnesty International fordert in einem weltweiten Appell die Schließung dieser geheimen Lager.

Die indische Regierung entzog Mitte 2019 dem mehrheitlich muslimischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir den Sonderstatus und verhängte Ausgangssperren, blockierte Kommunikationskanäle und inhaftierte mehrere Regionalpolitiker*innen.

In Sri Lanka kam es nach den Anschlägen vom Ostersonntag zu gewalttätigen Übergriffen auf Menschen muslimischen Glaubens, und der Wahlerfolg von Präsident Gotabaya Rajapaksa dämpfte die Hoffnung auf eine positive Entwicklung der Menschenrechtslage. Unterdessen führte Präsident Rodrigo Duterte auf den Philippinen seinen brutalen „Kampf gegen Drogen“ fort.

 

In Australien werden weiterhin Menschen auf der Flucht und Asylsuchende außerhalb der Landesgrenzen inhaftiert. Diese Menschen werden über einen langen Zeitraum hinweg auf den Pazifikinseln Nauru und Manus, die zu Papua-Neuguinea gehört, festgehalten.

Weitere Informationen findest du in den Länder-Berichten