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© Olga Ivashchenko/Amnesty International

Presse © Olga Ivashchenko/Amnesty International

Amnesty International in der Ukraine: Neuer Bericht belegt rechtswidrige Luftangriffe und außergerichtliche Hinrichtungen

6. Mai 2022


Zusammenfassung

  • Agnès Callamard: „Russischen Streitkräfte müssen zur Verantwortung gezogen werden“
  • Amnesty Delegation vor Ort: Gespräche mit Überlebenden und Opferfamilien, Treffen mit ukrainischen Behörden
  • Essenziell: Beweissicherung für die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen

Nach umfassenden Recherchen vor Ort präsentiert Amnesty International heute einen neuen Bericht über die während des Krieges in der Ukraine begangenen Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Anlässlich einer Pressekonferenz in Kiew forderte Amnesty International Generalsekretärin Agnès Callamard, dass die russischen Streitkräfte wegen der begangenen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden.

Wahllose Angriffe und außergerichtliche Hinrichtungen

Der englischsprachige Bericht He‘s Not Coming Back: War Crimes in Northwest Areas of Kyiv Oblast basiert auf Dutzenden von Interviews und einer umfangreichen Auswertung von Beweismaterial. Unter anderem dokumentiert er unverhältnismäßige und wahllose Luftangriffe auf Borodjanka, bei denen mindestens 40 Zivilpersonen getötet wurden. Durch die rechtswidrigen Angriffe wurde ein ganzes Wohnviertel verwüstet und Tausende Menschen obdachlos gemacht.

Der Bericht bestätigt auch mindestens 22 Fälle rechtswidriger Tötungen in Städten und Dörfern nordwestlich von Kiew, darunter Butscha, Andrijiwka, Zdvyzhivka und Worsel. Dabei handelt es sich offensichtlich größtenteils um außergerichtliche Hinrichtungen.

Appell an den Internationalen Strafgerichtshof: Beweise müssen gesichert werden

„Das Muster der von den russischen Streitkräften begangenen Verbrechen, das wir dokumentiert haben, umfasst sowohl rechtswidrige Angriffe als auch vorsätzliche Tötungen von Zivilpersonen“, sagte Agnès Callamard, Internationale Generalsekretärin von Amnesty International. Gemeinsam mit einer Delegation besuchte sie in den vergangenen Tagen die Region, sprach mit Überlebenden und Familien von Opfern und traf sich mit hochrangigen ukrainischen Behördenvertreter*innen:

Wir haben Familien getroffen, deren Angehörige bei den grausamen Angriffen getötet wurden und deren Leben durch die russische Invasion für immer geprägt sein wird. Wir unterstützen ihre Forderungen nach Gerechtigkeit und fordern die ukrainischen Behörden, den Internationalen Strafgerichtshof und andere auf, dafür zu sorgen, dass die Beweise gesichert werden, die eine künftige Verfolgung von Kriegsverbrechen ermöglichen.

Agnès Callamard, Internationale Generalsekretärin von Amnesty International

Amnesty fordert auch, dass die Rechte der Betroffenen bei der Untersuchung und Verfolgung internationaler Verbrechen im Vordergrund stehen und alle Justizmechanismen die Überlebenden in den Mittelpunkt stellen.

Ruf nach Verantwortung entlang der gesamten Befehlskette

Außergerichtliche Hinrichtungen in internationalen bewaffneten Konflikten sowie wahllose und unverhältnismäßige Angriffe, die in krimineller Absicht durchgeführt werden, stellen ganz klar Kriegsverbrechen dar. Amnesty fordert eine strafrechtliche Verantwortung aller Personen, die für Kriegsverbrechen verantwortlich sind: „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Verantwortlichen, auch diejenigen an der Spitze der Befehlskette, vor Gericht gestellt werden“, so Agnès Callamard. Nach der Doktrin der Befehlsverantwortung sollten auch Vorgesetzte – einschließlich Befehlshaber*innen und zivile Führungskräfte wie Minister*innen und Staatsoberhäupter – strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie von den Kriegsverbrechen ihrer Streitkräfte wussten oder gewusst haben müssen, aber nicht versucht haben, diese zu stoppen oder die Verantwortlichen zu bestrafen.

Augenzeugenberichte

Während der zwölftägigen Recherchen befragte Amnesty International Einwohner*innen von Butscha, Borodjanka, Novyi Korohod, Andrijiwka, Zdvyzhivka, Worsel, Makariw und Dmytrivka und besuchte mehrere Orte, an denen Massentötungen stattgefunden hatten. Amnesty Mitarbeiter*innen sprachen mit insgesamt 45 Personen, die entweder direkte Zeug*innen der rechtswidrigen Tötungen ihrer Verwandten und Nachbar*innen durch russische Truppen waren oder aus erster Hand davon wussten. Außerdem sprachen sie mit 39 weiteren Personen, die Luftangriffe auf Wohngebäude entweder direkt miterlebt oder aus erster Hand davon erfahren hatten.

Viele dieser detaillierten Augenzeugenberichte sind in dem aktuellen Bericht von Amnesty International zu finden.


360-Grad-Dokumentation

Die 360-Grad-Dokumentation lässt Nutzer*innen das Ausmaß der Verwüstung der in Borodyanja zerstörten Wohngebäude erfassen und enthält Augenzeug*innen-Berichte und Videos (auf Englisch). Alle Aufnahmen und Berichte wurden in den letzten Wochen vom Krisenreaktionsteam von Amnesty International gesammelt.