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Unschuldig inhaftiert im Iran: Wie wir zu Nowruz 2022 Hoffnung schenken

18. März 2022 | Von Siroos Mirzaei, Sprecher des Aktionsnetzwerks Mediziner*innen bei Amnesty International Österreich

Mit dem persischen Neujahrsfest Nowruz begrüßen weltweit Millionen Menschen den Frühling. Das Fest wird traditionell in der Familie gefeiert, auch in meiner Familie gehört es jedes Jahr dazu. Doch die beiden Österreicher Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb können das Neujahrsfest dieses Jahr wieder nicht mit ihren Familien verbringen. Sie sitzen unschuldig im Gefängnis in Iran. Nowruz steht für einen Neubeginn, für Versöhnung und Hoffnung.

Deshalb möchten wir als Amnesty Bewegung in Österreich den beiden unschuldig Inhaftierten mit der Nowruz-Solidaritätsaktion 2022 mit selbst gepflanztem Weizengras und unseren Wünschen für ihre baldige Freilassung Hoffnung schenken.

Der Sieg über den Winter

Das persische Neujahrsfest Nowruz wird astronomisch berechnet und kündigt den Frühlingsbeginn an. Der Tag fällt dieses Jahr auf den 20. März. Nowruz wird von Iraner*innen jeglichen Glaubens und jeglicher Sprachen, aber auch in vielen Nachbarländern des Irans gefeiert.

Das Frühlingsfest begehen mehr als 300 Millionen Menschen seit mehr als 3000 Jahren in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus, in Zentralasien und im Nahen Osten. In der persischen Tradition ist der Tag von Nowruz der Sieg über den Winter. Die vergeblichen Versuche der islamischen Regierung nach der Revolution von 1979, dieses nicht religiöse Nationalfest abzuschaffen, wurde von der Mehrheit der Bevölkerung im Keim erstickt.

© Christoph Liebentritt/Amnesty International Österreich
Siroos Mirzaei

Sprecher der Aktionsgruppe Mediziner*innen bei Amnesty International Österreich

Siroos Mirzaei

Sprecher der Aktionsgruppe Mediziner*innen bei Amnesty International Österreich

Siroos Mirzaei, in Wien lebender Nuklearmediziner und engagierter Aktivist, setzt sich für Menschenrechte in seiner Heimat Iran ein. Er ist seit vielen Jahren Sprecher der Aktionsgruppe Mediziner*innen bei Amnesty International Österreich, die sich mit Menschenrechtsverletzungen im Iran beschäftigt und gegen Folter kämpft. 1994 gründete er gemeinsam mit Barbara Preitler und Thomas Wenzel den Verein Hemayat, der Folter- und Kriegsüberlebenden in Wien unterstützt und inzwischen ein international renommiertes Zentrum für die Therapie von durch Folter und Krieg traumatisierte Menschen geworden ist.

Bräuche und Rituale

Das Nowruz-Fest liegt mir besonders am Herzen, denn es stellt seit meiner Kindheit im Iran das größte Fest des Jahres dar. Der so genannte Haft Sin Tisch wird bei uns zuhause traditionell aufgestellt und das Fest mit der ganzen Familie gefeiert. Da viele meiner Familienangehörigen im Iran leben, wird am ersten Tag, Nowruz, das Telefon ordentlich erhitzt. Traditionell sitzen die Älteren der Familie zuhause und die Jüngeren kommen sie besuchen. Dabei wird weniger getratscht und umso mehr geküsst und genascht. Das Ritual des Haft Sin Tischs reflektiert die symbolische Macht der Zahlen. Auf dem Tisch werden sieben Objekte, deren Namen in persischer Sprache mit dem Buchstaben "S" beginnen, aufgestellt. Jedes von ihnen repräsentiert symbolisch Munterkeit, Laben, Geduld und Fröhlichkeit, Geschmack des Lebens, Freundschaft, Schönheit und Gesundheit, Wohlstand, Weisheit. Dazu zählen Sabzeh (Linsen, Weizen- oder Gerstensprossen), Samanou (Malz aus Weizen), Sonbol (Hyazinthe), Sekkeh (Münzen), Sir (Knoblauch), Somagh (Gewürz), Senjed (Mehlbeere), Sib (Apfel) und zusätzlich ein Spiegel, ein Wasserkrug mit Goldfisch, gefärbte Eier und ein Buch (Divan Hafez).

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Unser Weizengras wächst dieses Jahr für Massud Mossaheb und Kamran Ghaderi, und es wächst in der Hoffnung, dass sie bald selbst wieder welches pflanzen können, in Sicherheit, zuhause bei ihren Familien.

Siroos Mirzaei, Sprecher der Aktionsgruppe Mediziner*innen bei Amnesty International Österreich

Willkürlich inhaftiert und auf Basis erzwungener „Geständnisse“ verurteilt

Während sich viele Millionen Menschen weltweit so wie meine Familie auf die verschiedenen Rituale und Bräuche des Nowruz-Fests vorbereiten, dürfen wir die beiden Österreicher Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb nicht vergessen, deren Familienangehörige das Fest seit vielen Jahren ohne ihren Vater, Großvater und Ehemann verbringen müssen.

Kamran Ghaderi war am 2. Jänner 2016 am Imam-Khomeini-Flughafen in Teheran von Angehörigen des Geheimdienstministeriums festgenommen worden, als er seine Familie besuchen wollte. Im August 2016 wurde er in einem grob unfairen Verfahren zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe wegen „Zusammenarbeit mit feindlichen Staaten gegen die islamische Republik“ verurteilt. Der Schuldspruch erfolgte aufgrund von erzwungenen „Geständnissen“, die mittels Drohungen und verlängerter Einzelhaft zustande kamen. Während den ersten sieben Monaten seiner Haft wurde Kamran Ghaderi der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert. Seinen Anwalt durfte er erst zwei Tage vor Verfahrensbeginn sehen. Die iranischen Behörden verweigerten ihm den Zugang zu konsularischem Beistand Österreichs. Seit seiner Festnahme im Januar 2016 hat sich der Gesundheitszustand von Kamran Ghaderi sehr verschlechtert. Er hat einen Tumor im linken Bein, für dessen Behandlung er regelmäßig medizinische Versorgung benötigt. Er wurde an der Wirbelsäule operiert und erkrankte in der Haft an COVID-19. Aus Protest gegen seine willkürliche Inhaftierung trat er dieses Jahr in einen Hungerstreik.

Kamran Ghaderi sitzt im Teheraner Evin-Gefängnis in einer Gemeinschaftszelle unter anderem mit Massoud Mossaheb, dem Generalsekretär der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft. Auch ihn verurteilte ein Gericht aufgrund erzwungener "Geständnisse" wegen angeblicher Spionage für Israel zu zehn Jahren Haft. Dr. Mossaheb leidet an mehreren schweren Erkrankungen wie Diabetes, Angina pectoris und einer Nierenerkrankung. Auch er erkrankte im Gefängnis an COVID-19. Da er keine adäquate medizinische Behandlung erhält, ist seine Gesundheit in der Haft enorm bedroht.

Grün steht für Hoffnung

Die Situation der beiden unschuldig inhaftierten Doppelstaatsbürger ist düster. Die iranischen Behörden nehmen ausländische Staatsangehörige unter falschen Anschuldigungen ins Visier, um diplomatischen Druck auszuüben. Sie gehen mit kalkulierter Grausamkeit vor, um einen Nutzen aus ihrer Gefangenschaft zu ziehen. Damit bringen sie Trauer und Schmerz über die Betroffenen und ihre Familien. In dieser Situation ist es umso wichtiger, den beiden unschuldig Inhaftierten zu zeigen, dass wir sie nicht vergessen, und dass sie nicht alleine sind. Und es ist wichtig, auch in diesen, für die Menschen im Iran sehr dunklen Zeiten, Nowruz groß zu feiern. Denn Nowruz ist ein Bote des Neubeginns und Anlass, um neue Hoffnung zu schöpfen. Diese Hoffnung möchten wir zu Nowruz 2022 in die Herzen von Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb und in die Herzen ihrer Familien bringen. Unser Weizengras wächst dieses Jahr für die beiden, und es wächst in der Hoffnung, dass sie bald selbst wieder welches pflanzen können, in Sicherheit, zuhause bei ihren Familien. Unter dem Hashtag #MyNowruzWish posten wir Fotos mit dem frischen Grün unserer Nowruz-Schalen und senden unsere Wünsche an Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb. Damit erzählen wir der Welt ihre Geschichten und nennen die wahren Gründe ihrer Haft beim Namen. Denn so prekär sich die Menschenrechtslage im Iran heute darstellt, umso drängender ist es, sich für die Menschen und ihre Rechte einzusetzen. Wir müssen öffentlich Druck machen und dürfen nicht aufhören, unsere Stimmen zu erheben. Solange wir nicht verstummen, bleibt auch meine Hoffnung am Leben.

Update am 2. Juni 2023

Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb sind endlich wieder frei! Wir danken allen Unterstützer*innen herzlich! Hier findest du weitere Informationen zur Freilassung von Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb.