© OMAR HAJ KADOUR/AFP/Getty Images
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Verbrechen gegen die Menschlichkeit endlich lückenlos aufklären

15. März 2017

Sechs Jahre Syrienkonflikt

Nach wie vor werden in Syrien Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit straflos begangen. Amnesty International fordert deshalb zum sechsten Jahrestag des bewaffneten Konflikts Regierungen auf der ganzen Welt auf, dafür einzutreten, dass die Millionen Betroffenen Gerechtigkeit erfahren und Entschädigung erhalten.

Sechs erschütternde Jahre später gibt es keine Entschuldigung mehr dafür, dass die furchtbaren, in Syrien begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ungestraft bleiben.

Samah Hadid, Kampagnendirektor im Regionalbüro von Amnesty International in Beirut

„Hunderttausende Syrerinnen und Syrer wurden ermordet, Millionen weitere vertrieben. Den Regierungen stehen bereits die juristischen Werkzeuge zur Verfügung, um die Straflosigkeit zu beenden. Es ist an der Zeit, diese Werkzeuge zu benutzen.“

Unterstützung der Ermittlungen

 
Im Dezember 2016 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, die der syrischen Bevölkerung einen Hoffnungsschimmer gab: Sie fordert die Einrichtung einer unabhängigen internationalen Stelle zur Unterstützung der Ermittlungen sowie die Strafverfolgung der schwersten in Syrien begangenen Verbrechen seit März 2011.

 

Die Resolution war ein wichtiges Signal, da sie den UN-Sicherheitsrat umging. Dieser hatte sich als unfähig erwiesen, die Verantwortlichen von Völkerrechtsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen in Syrien zur Rechenschaft zu ziehen. Die UN-Mitgliedsstaaten müssen nun die unabhängige Stelle mit den finanziellen Mitteln ausstatten, damit sie ihre Arbeit auch uneingeschränkt leisten kann.

„Durch die Resolution hat die internationale Gemeinschaft der syrischen Bevölkerung eine Botschaft der Hoffnung geschickt: ein Versprechen, dass die Welt sie nicht im Stich lässt und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt Hadid. „Aber nun müssen die Regierungen, die für diese unabhängige Stelle gestimmt haben, notwendige Schritte unternehmen, um die Finanzierung und Kooperation sicherzustellen.“

Universelle Gerichtsbarkeit

 
Alle Staaten haben bei völkerrechtlichen Verbrechen – etwa Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit – die Möglichkeit, universelle Gerichtsbarkeit auszuüben. Das bedeutet, dass Personen, die verdächtigt werden für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter, Genozid und Verschwindenlassen verantwortlich zu sein, vor Gericht gestellt werden können – ungeachtet dessen, wo die Verbrechen verübt wurden und welche Nationalität die Betroffenen bzw. Täterinnen oder Täter haben.

 

Bis heute haben mehr als 147 Länder Gesetze verabschiedet, auf deren Grundlage die universelle Gerichtsbarkeit über völkerrechtliche Verbrechen ausgeübt werden kann. Derzeit werden in europäischen Ländern wie Frankreich, Schweden, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und der Schweiz zu in Syrien begangene Verbrechen Ermittlungen in die Wege geleitet.

Hintergrund

Laut dem UN-Sonderbeauftragten für Syrien beläuft sich die Zahl der Toten seit Beginn des Konflikts auf über 400.000 – das heißt, mindestens einer von 100 Menschen in Syrien ist infolge des Konflikts gestorben. Mehr als 20 Prozent der syrischen Bevölkerung lebt mittlerweile als Geflüchtete außerhalb des Landes. Die Hälfte der Menschen, die noch in Syrien leben, benötigt humanitäre Hilfe.

Erst im Februar 2017 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht über systematische Hinrichtungen im Militärgefängnis Saydnaya, in dem vor allem Oppositionelle und politische Gegnerinnen und Gegner des syrischen Regimes unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten werden.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, die von allen Konfliktparteien verübt wurden, werden von Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen sowie UN-Institutionen seit Beginn der Krise umfassend dokumentiert. Zu diesen Verbrechen zählen außergerichtliche Hinrichtungen, Folter, vorsätzliche Angriffe gegen die Zivilbevölkerung, Häuser, medizinische Einrichtungen und zivile Infrastruktur sowie wahllose und unverhältnismäßige Angriffe, Fälle von Verschwindenlassen, Massenvernichtungen und Geiselnahmen.