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Die Internationale Föderation für Menschenrechte (FIDH), Amnesty International, die Internationale Juristenkommission (ICJ) und die unterzeichnenden Organisationen begrüßen den Fortschritt bei der Einrichtung eines Sondertribunals über das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine durch das Ministerkomitee des Europarates. Jedoch ist zu bedauern, dass noch keine Details über den rechtlichen Rahmen des Mechanismus wie z. B. die Satzung bekannt gegeben wurden. In dieser Hinsicht fordern die Organisationen den Europarat auf, dringend den Satzungsentwurf des Tribunals zu veröffentlichen, damit eine transparente und umfassende Beteiligung der Zivilgesellschaft, insbesondere der Opfer und Überlebenden, bei der Einrichtung und Verfahrensweise des Tribunals sichergestellt werden kann.
Auf seiner Jahresversammlung am 14. Mai in Luxemburg hat das Ministerkomitee den Generalsekretär des Europarats mit der Leitung des Prozesses zur Einrichtung des Sondertribunals über die Aggression gegen die Ukraine beauftragt, welches auf der Grundlage eines Abkommens zwischen dem Europarat und der Ukraine geschaffen werden soll.
„Das Tribunal ist ein wichtiger Durchbruch für das Völkerrecht und insbesondere für die Millionen Ukrainer*innen, die von dem russischen Aggressionskrieg betroffen waren und sind“, sagte Oleksandra Matviichuk, FIDH-Vizepräsidentin und Leiterin der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties.
Solange der Satzungsentwurf des Sondertribunals nicht einsehbar ist, sind konkrete Äußerungen zu den Inhalten nicht möglich. Doch auf der Grundlage eines kürzlich durch den Europarat veröffentlichten FAQs lassen sich einige Feststellungen zu dem geplanten Tribunal treffen.
Zuvorderst erwarten die Organisationen von dem Sondertribunal die Fähigkeit, hochrangiges Regierungs- und Militärpersonal, das für Verbrechen der Aggression verantwortlich ist, zur Rechenschaft zu ziehen – dies gilt auch für Staatschefs. In dieser Hinsicht bedauern die Organisationen zutiefst, dass die Mitglieder der Troika (Staatschef, Regierungschef und Außenminister) sich laut Europarat auf „persönliche Immunität“ berufen können. Die Organisationen wenden sich entschieden gegen das Gewähren von persönlicher Immunität innerhalb des rechtlichen Rahmens des Tribunals. Immunität negiert eine mögliche individuelle Verantwortung nicht, und das Tribunal darf nicht der Straflosigkeit Vorschub leisten, indem es denjenigen mit der größten Verantwortung für Verbrechen der Aggression Immunität gewährt und es ihnen so ermöglicht, sich der Strafverfolgung zu entziehen.
Die Organisationen fordern alle Beteiligten auf, den Satzungsentwurf für das Sondertribunal dringend abzuändern und die Möglichkeit persönlicher Immunität zu streichen.
Immunität und Straflosigkeit gehen Hand in Hand. Nach Ansicht von Amnesty International muss ein wichtiges Ziel des Sondertribunals sein, die politische und militärische Führung in Russland und anderen Ländern auf höchster Ebene zur Verantwortung zu ziehen.
Veronika Velch, Direktorin von Amnesty International in der Ukraine
Auch die Möglichkeit, Prozesse in Abwesenheit zu führen, ist ein Rückschritt im Vergleich zu anderen, in der Vergangenheit eingerichteten internationalen Gerichtshöfen. Das Tribunal muss sicherstellen, dass bei Verfahren, die in Abwesenheit geführt werden, die Rechte der Angeklagten auf ein faires Verfahren gewahrt werden, u. a. durch eine wirksame rechtliche Vertretung. In Abwesenheit geführte Verfahren könnten zudem ein negatives Licht auf die Objektivität und Unparteilichkeit des Gerichts werfen, da die Angeklagten nicht anwesend sind, um sich persönlich zu verteidigen. Das Tribunal sollte derartige Verfahren daher vermeiden.
Um glaubwürdig zu sein, muss das Tribunal genau darauf achten, alle internationalen Standards einzuhalten. Fälle von Aggression sollten in der Regel vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) untersucht und entschieden werden; die Vertragsstaaten des Römischen Statuts sollten daher die Kampala-Änderung des Statuts des IStGH zum Verbrechen der Aggression ratifizieren, um den Gerichtshof dazu in die Lage zu versetzen.
Kate Vigneswaran, Direktorin der Global Accountability Initiative der ICJ
FIDH, Amnesty International, ICJ und die unterzeichnenden Organisationen fordern die internationale Gemeinschaft und vor allem die Mitglieds- und Beobachterstaaten des Europarats, die Mitglieder der Kerngruppe und internationale Organisationen auf, alle Register zu ziehen, um das Verbrechen der Aggression in der Ukraine zu untersuchen und strafrechtlich zu ahnden.
Die Organisationen betonen zudem, dass eine wirksame Zusammenarbeit zwischen dem Tribunal, dem Schadensregister des Europarats und der Schadenskommission – sobald eingerichtet – sowie mit dem Internationalen Zentrum für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine (ICPA) und dem IStGH hergestellt werden muss. Darüber hinaus appellieren die Organisationen an die Staaten, die Ljubljana-Haager-Konvention zur internationalen Zusammenarbeit bei der Untersuchung und Verfolgung von völkerrechtlichen Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu ratifizieren, um eine Basis zu schaffen sowohl für die Zusammenarbeit mit dem Sondertribunal als auch für die internationale Zusammenarbeit zwischen den Staaten.
Das Tribunal ist zwar ein wichtiger Schritt, doch aktuell sind die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft weiterhin angehalten, zur Ahndung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine oder auch andere Länder auf einen globalen Ansatz bzw. die internationale Gerichtsbarkeit zu setzen, um eine wirklich umfassende Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Ein solcher internationaler Mechanismus sollte, wenn er unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen eingerichtet wird, die Möglichkeit einer Immunität für jene ausschließen, die des Verbrechens der Aggression verdächtigt werden.
Im Zuge des russischen Einmarsches in die Ukraine im Jahr 2022 und den damit einhergehenden Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen hat der IStGH wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Haftbefehl gegen sechs russische Funktionäre erlassen, so auch gegen Wladimir Putin. Allerdings reicht die Zuständigkeit des IStGH derzeit nicht aus, um das Verbrechen der Aggression in der Ukraine zu ahnden.
Die Ukraine hat den Europarat am 14. Mai 2025 offiziell um die Einrichtung eines Sondertribunals über das Verbrechen der Aggression gebeten. Die Vereinbarung zur Einrichtung des Sondertribunals soll noch vom Generalsekretär des Europarats unterzeichnet werden, nachdem das Ministerkomitee die entsprechende Entscheidung getroffen hat.