Kritik am Gesetz über Haftentlassungen
14. April 2020In der Türkei wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das angesichts der COVID-19-Pandemie die vorzeitige Freilassung von bis zu 100.000 Gefangenen ermöglichen soll. Allerdings erfasst es viele andere nicht, die für eine Freilassung in Betracht gezogen werden sollten. Amnesty International fordert, dass jene, die nur deshalb inhaftiert sind, weil sie ihre friedliche Meinung geäußert haben, unverzüglich freigelassen werden. Die Behörden müssen außerdem all jene aus Haftanstalten entlassen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustands besonders gefährdet sind – unabhängig von der Anklage, unter der sie inhaftiert oder verurteilt wurden.
Alle Schritte zur Verringerung der chronischen Überbelegung der türkischen Gefängnisse sind willkommen. Gleichzeitig ist es zutiefst enttäuschend, dass Zehntausende Gefangene in Untersuchungshaft für eine Freilassung nicht in Betracht gezogen werden.
Milena Buyum, Türkei-Campaignerin bei Amnesty International
„Jene, die in unfairen Verfahren und nach den viel zu breit angelegten Antiterror-Gesetzen verurteilt wurden, sind nun auch dazu verurteilt, sich mit der Aussicht auf eine Ansteckung durch diese tödliche Krankheit auseinanderzusetzen", sagt Milena Buyum, Türkei-Campaignerin bei Amnesty International.
Die überfüllten Gefängnisse in der Türkei sind besonders gefährlich für gefährdete Gefangene. Die neuen Maßnahmen lassen die Freilassung mehrerer Kategorien von Gefangenen nicht zu, dazu gehören
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Personen, die in Untersuchungshaft sind, d. h. jene, die noch nicht wegen eines Verbrechens verurteilt worden sind,
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Personen, die nach zu weit gefassten Antiterror-Gesetzen verurteilt worden sind, darunter Journalist*innen, Rechtsanwält*innen, politische Gefangene sowie Menschenrechtsverteidiger*innen, die in Haft sind, nur weil sie ihre Meinung geäußert haben,
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und sogar Personen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, darunter ältere Häftlinge und kranke Menschen, die nach Antiterror-Gesetzen verurteilt worden sind.
Am 13. April wurden die vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzes über Strafvollzug und Sicherheitsmaßnahmen im Parlament verabschiedet. Der Justizminister hatte zuvor bekannt gegeben, dass sich 17 Gefangene in fünf Gefängnissen mit dem Coronavirus angesteckt hatten, drei Gefangene waren gestorben.