#BringBackOurGirls: Neun Jahre nach Entführung aus Chibok – Immer noch 98 der Schülerinnen in Boko-Haram-Gefangenschaft
14. April 2023Zusammenfassung
- 98 von Boko Haram entführte Schülerinnen aus Chibok sind noch immer nicht frei
- Weiterhin Entführungen von Kindern – Behörden sind unfähig, Kinder zu schützen
- Dass niemand für Verbrechen gegen Kinder zur Rechenschaft gezogen wird, fördert die Straflosigkeit
Neun Jahre nach der Entführung von 276 Schülerinnen einer Mädchenschule in Chibok befinden sich 98 von ihnen noch immer in den Händen der bewaffneten Gruppe Boko Haram. Außerdem hat es seitdem eine Reihe von Entführungen gegeben, die zeigen, dass die nigerianischen Behörden aus dem Drama von Chibok nichts gelernt haben und letztlich unfähig sind, Kinder zu schützen.
Seit der Entführung der Schülerinnen aus Chibok durch Boko Haram wurden zahlreiche Schulen angegriffen und die Schülerinnen entführt, vergewaltigt, getötet oder zur „Ehe“ gezwungen. Die nigerianischen Behörden haben jedoch bisher keine einzige glaubwürdige Untersuchung zu den Sicherheitsmängeln durchgeführt, die dazu geführt haben, dass die Kinder den Gräueltaten von Boko Haram und bewaffneten Männern ausgeliefert waren.
Die Eltern der 98 noch immer von Boko Haram festgehaltenen Chibok-Schülerinnen und anderer Kinder, die von Bewaffneten entführt wurden, leben in Angst und Schrecken, da sie wissen, dass sich ihre Kinder in den Händen von skrupellosen Menschen befinden, die ihnen grausame Gewalt antun.
Isa Sanusi, stellvertretender Direktor von Amnesty International Nigeria
„Die nigerianischen Behörden hätten längst wirksame Maßnahmen ergreifen müssen, um gegen bewaffnete Gruppen wie Boko Haram vorzugehen. Nigeria ist verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz aller Kinder zu ergreifen, und die fehlende Rechenschaftspflicht für diese grausamen Verbrechen fördert die Straflosigkeit. Die vermissten Chibok-Schülerinnen müssen zu ihren Familien zurückgebracht werden und alle, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, vor Gericht gestellt werden,“ sagt Isa Sanusi, stellvertretender Direktor von Amnesty International Nigeria.
Zwischen Dezember 2020 und März 2021 wurden im Norden Nigerias mindestens fünf Entführungsfälle gemeldet, unter anderem aus Schulen in Kankara, Kagara, Jangebe, Damishi Kaduna, Tegina und Yawuri. Die Gefahr weiterer Angriffe hat zur Schließung von über 600 Schulen im Norden des Landes geführt.
Keine Kommunikation – vermisste Chibok-Schülerinnen und Familien von den Behörden im Stich gelassen
Ende März befragte Amnesty International fünf Chibok-Schülerinnen, die Boko Haram entkommen waren, und ihre Eltern. Sie gaben an, fast alle Hoffnung aufgegeben zu haben, dass die anderen 98 Mädchen je gerettet würden.
Ein Mädchen sagte Amnesty International: „Die nigerianischen Regierung darf die übrigen 98 Mädchen nicht vergessen. Sie müssen gerettet werden. Jeden Morgen beim Aufwachen denke ich daran, in welcher Verfassung ich sie zurückgelassen habe. Ich weine und habe Mitleid mit ihnen. Neun Jahre sind zu lang für einen so erbärmlichen Zustand. Die Regierung muss ihr Versprechen, alle Mädchen zu befreien, einlösen.“
Die Eltern der Opfer sind in Sorge, dass die Mädchen, die sich weigern, von Boko Haram „verheiratet“ zu werden, jeden Tag Gewalt angetan wird.
Unser Schmerz ist unermesslich, denn 14 der Mädchen sind mit 24 Kindern zurückgekommen. Bei uns sind Enkel, deren Väter wir nicht kennen. Unsere Last hat sich vervielfacht, denn wir haben nicht genügend Geld, um die zusätzliche Belastung der Ernährung, Bildung und gesundheitlichen Versorgung unserer heimgekehrten Kinder und Enkelkinder tragen zu können. Hinzu kommt die gesellschaftliche Ablehnung und Stigmatisierung, mit der wir alle konfrontiert sind. Unsere Lage ist einfach hoffnungslos!
Ein Elternteil gegenüber Amnesty International
Eltern von Schülerinnen aus Chibok, die sich noch immer in den Händen von Boko Haram befinden, teilten Amnesty International mit, dass die nigerianischen Behörden nicht mehr mit ihnen kommunizieren und sie letztlich im Stich gelassen haben.
Weitere Angriffe, Entführungen und Schulschließungen
Seit Februar 2021 gab es im Norden Nigerias wiederholte Angriffe auf Schulen und religiöse Einrichtungen. Von mehr als 780 Kindern, die zur Erpressung von Lösegeld entführt wurden, befinden sich mehr als 61 auch zwei Jahre nach ihrer Entführung durch bewaffnete Männer noch immer in Gefangenschaft. Viele Schulen in der Region wurden aufgrund der zunehmend kritischeren Sicherheitslage geschlossen – und sind es geblieben.
„Die Rettung der verbliebenen Chibok-Schülerinnen muss höchste Priorität haben; die Aufgabe, sie zu finden, darf kein weiteres gescheitertes Projekt der Regierung werden. Die scheidende nigerianische Regierung muss alles in ihrer Macht Stehende tut, um diese Mädchen -–wie auch alle anderen Kinder, die von diversen bewaffneten Gruppen festgehalten werden – zurück zu ihren Familien zu bringen“, sagte Isa Sanusi.
Hintergrund: Entführung von 276 Schüler*innen aus Chikbok im Jahr 2014
Im April 2014 wurden 276 Schülerinnen einer staatlichen weiterführenden Schule in der Stadt Chibok im Bundesstaat Borno entführt. Einige der Schülerinnen konnten aus eigener Kraft entkommen, andere wurden später nach intensiven Bemühungen durch zivilgesellschaftliche Organisationen und Verhandlungen durch die Regierung freigelassen. Von den anfänglich entführten Schülerinnen befinden sich jedoch 98 nach wie vor in Gefangenschaft. Auch bei späteren Angriffen wurden Kinder entführt. Amnesty International dokumentiert die Gräueltaten von Boko Haram und deren Angriffe auf Schulen seit 2012. Im Mai 2020 hat Amnesty International außerdem einen Bericht zu den schrecklichen Folgen des Konflikts im Nordosten Nigerias für Kinder veröffentlicht.