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60 Jahre gemeinsam im Einsatz für mehr Menschlichkeit

28. Mai 2021

Seit der Gründung von Amnesty International im Jahr 1961 rufen wir Menschen wie dich dazu auf, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Zum 60-jährigen Jubiläum möchten wir dir exemplarisch einen kleinen Ausschnitt dessen zeigen, was du möglich gemacht hast.

Der Rechtsanwalt Peter Benenson hatte die Vision, dass gewöhnliche Menschen zusammen die Welt verändern können. Aus diesem Gedanken wurde Amnesty International 1961 gegründet. Heute steht Amnesty für eine internationale Menschenrechtsbewegung, die sich mit mehr als zehn Millionen Unterstützer*innen weltweit für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzt. Von London bis Santiago, von Sydney bis Kampala kommen Menschen zusammen, um den Schutz und die Achtung unser aller Menschenrechte einzufordern.

Veränderung kommt nicht von ungefähr. Es brauchte einen langen Atem und den Glauben an die Kraft der Menschlichkeit, etwas zu verändern. Die Ergebnisse? Die Freilassung Zehntausender Menschen, die aufgrund ihrer Überzeugungen in Haft kamen. Das Ende der Todesstrafe in Dutzenden von Ländern. Zuvor unantastbare Staatsoberhäupter wurden zur Rechenschaft gezogen, Gesetze reformiert und Leben verändert.

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“Sie können Ihre Zeitung an jedem x-beliebigen Tag der Woche aufschlagen, und Sie werden darin einen Bericht über jemanden finden, der inhaftiert, gefoltert oder hingerichtet wird, weil seine*ihre Ansichten oder Religion der Regierung nicht gefallen. Der*die Zeitungsleser*in empfindet eine krankmachende Hilflosigkeit. Wenn jedoch diese Empörung überall auf der Welt zu gemeinsamen Aktionen führen könnte, wäre es möglich, etwas Wirkungsvolles zu tun.“

Peter Benenson, Gründer von Amnesty International


Wie können wir messen, was unser gemeinsamer Einsatz für Menschen und ihre Rechte bewirkt?

Wie lässt sich das Ergebnis von 60 Jahren kollektiven Handelns messen? Es misst sich an Angeklagten, die ein faires Gerichtsverfahren erhalten. An Gefangenen im Todestrakt, die nicht hingerichtet werden. An Inhaftierten, die nicht weiter gefoltert werden. Es zeigt sich in Form von Aktivist*innen, die freigelassen werden und ihren Einsatz für die Menschenrechte fortsetzen können. Schulkindern, die im Klassenzimmer etwas über ihre Rechte lernen. Familien, die aus Flüchtlingslagern sicher nach Hause eskortiert werden. Und es wird deutlich, wenn marginalisierte Gruppen auf die Straße gehen, um das Ende ihrer Diskriminierung zu fordern. Wenn marginalisierte Gemeinschaften ihre Häuser vor der Zerstörung bewahren. Und es ändert das Leben einer Frau, deren Regierung endlich die Misshandlung unter Strafe stellt, die sie täglich erfährt. Heute, 60 Jahre später, kämpfen wir immer noch für eine Welt, in der die Menschenrechte für alle gelten – und wir werden nicht ruhen, bis wir dieses Ziel erreicht haben!

Menschlichkeit siegt: Was Wir Gemeinsam in den letzten 60 Jahren bewirkt Haben

1961

1961 stoßen zwei portugiesische Studenten auf die Freiheit an und werden daraufhin zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Als der britische Rechtsanwalt Peter Benenson davon erfährt, startet er die weltweite Aktion „Appeal for Amnesty“. Mit seinem Appellschreiben, das in zahlreichen Zeitungen auf der ganzen Welt veröffentlicht wird, ruft er zur Freilassung gewaltloser politischer Gefangener. Das ist der Beginn der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Dank der unermüdlichen Unterstützung von Menschen wie dir, die sich für eine bessere Welt einsetzen, wurden bis 1966 insgesamt 1.000 Häftlinge freigelassen.

Bild: Peter Benenson veröffentlicht am 28. Mai 1961 den Artikel "The Forgotten Prisoners" in der britischen Zeitung The Observer und startet damit die Aktion "Appeal for Amnesty".

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© Jurgen Schadeberg - www.jurgenschadeberg.com
© Jurgen Schadeberg - www.jurgenschadeberg.com

1962

1962 sendet Amnesty einen Anwalt nach Südafrika, um den Gerichtsprozess von Nelson Mandela zu beobachten. Mandela schrieb: „Seine bloße Anwesenheit sowie sein Beistand waren für uns eine Quelle wunderbarer Inspiration und Ermutigung.“

1973

1973 fordert Amnesty mit der ersten Urgent Action Aktivist*innen weltweit dazu auf, sich für die Freilassung des brasilianischen Universitätsprofessors Luiz Basilio Rossi in São Paulo einzusetzen. Für Basilio Rossi war das große Engagement der breiten Öffentlichkeit durch Appellschreiben der Grund für die Verbesserung seiner Haftbedingungen: „Als ich erfuhr, dass mein Fall öffentlich geworden war, wusste ich, dass sie mich nicht mehr töten konnten. Der Druck auf mich ließ nach und meine Haftbedingungen verbesserten sich.“

Seitdem setzen sich Amnesty-Unterstützer*innen weltweit für Einzelpersonen, Familien und Gruppen ein. Oft mit Erfolg! Und auch wenn eine Aktion anscheinend keinen Erfolg hat, gibt sie den Betroffenen doch Mut und Hoffnung.

Ich war sehr glücklich und gerührt, als ich diese schönen Briefe und ermutigenden Botschaften der Solidarität erhielt… Vielen Dank.

Elmer Salvador Gutiérrez Vásquez, gewaltloser politischer Gefangener, Peru
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1970er

In den 1970ern stimmt Chiles neue Regierung unter General Augusto Pinochet der Entsendung einer dreiköpfigen Amnesty-Delegation nach Chile zu. Die Delegation soll dort Ermittlungen wegen Vorwürfen schwerer Menschenrechtsverletzungen aufnehmen. Über 20 Jahre später ist Amnesty an einem Gerichtsverfahren beteiligt, das aufgrund der von Pinochet in Chile begangenen Straftaten zu seiner Festnahme in Großbritannien führt. 1979 veröffentlicht Amnesty International eine Liste mit 2.665 Fällen von Verschwindenlassen infolge des Militärputsches von Jorge Rafael Videla und hilft damit Freund*innen und Angehörigen der Verschwundenen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. 1977 wird Amnesty International für ihren Beitrag zur „Sicherung der Grundlagen für Freiheit, für Gerechtigkeit und damit auch für den Frieden in der Welt“ mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – eine bemerkenswerte Anerkennung für den Einsatz und die Entschlossenheit von Amnesty-Unterstützer*innen auf der ganzen Welt.

1984

Durch den unermüdlichen Einsatz von Amnesty-Unterstützer*innen verabschiedet die UN-Generalversammlung 1984 die UN-Antifolterkonvention, ein „Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“. Entsprechend dieser Konvention müssen die Vertragsstaaten auf völkerrechtlicher Ebene alle Maßnahmen treffen, um Folter auf ihrem Staatsgebiet zu verhindern – dazu gehört auch, die rechtswidrige Überstellung von Personen in andere Staaten zu unterlassen, in denen ihnen möglicherweise Folter oder andere Formen der Misshandlung drohen.

© Yann Arthus-Bertrand
© Yann Arthus-Bertrand

1990er

Infolge der Invasion des Irak in den 1990ern dokumentiert Amnesty International Menschrechtsverletzungen in Kuwait – das sorgt weltweit für Schlagzeilen. Gleichzeitig startet Amnesty eine Aktion gegen Folter und außergerichtliche Hinrichtungen in Brasilien. Präsident Fernando Collor reagiert sofort: „Wir können und werden nicht zulassen, dass unser Land noch einmal als ein Land der Gewalt bezeichnet wird”. Zusätzlich lenkt Amnesty International die weltweite Aufmerksamkeit auf 300.000 Kindersoldat*innen und schließt sich im Rahmen der Coalition to Stop the Use of Child Soldiers mit fünf weiteren Nichtregierungsorganisationen zusammen, um die Rekrutierung von Kindern durch militärische Organisationen zu verhindern.


2002

Dank des jahrelangen Einsatzes von Amnesty-Unterstützer*innen kann der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) 2002 seine Arbeit aufnehmen. Seine Aufgabe ist es, bei dem begründetem Verdacht eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit, Genozids, Kriegsverbrechens oder Verbrechens der Aggression gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen, unter anderem Staats- und Regierungschef*innen, Anführer*innen bewaffneter Gruppen und andere hochrangige Personen, zu ermitteln und sie strafrechtlich zu verfolgen.

2010

Durch den engagierten Einsatz einer wachsenden Zahl von Aktivist*innen verzeichnen wir seit 2010 eine immer größere Zahl an Erfolgen. Unter anderem arbeitet Amnesty International 2010 mit der indigenen Gemeinschaft der Dongria Kondh im indischen Bundesstaat Odisha (früher Orissa) zusammen, um zu verhindern, dass die britisch-indische Bergbaugesellschaft Vedanta Resources sie von ihrem angestammten Land vertreibt. Daraufhin entscheidet die indische Regierung, das Bergbauprojekt zu stoppen.

2013

2013 schafft Papua-Neuguinea den umstrittenen Sorcery Act ab, ein Gesetz, das geringere Haftstrafen für diejenigen vorsieht, die eine der Hexerei beschuldigte Person töten. Diese Entscheidung ist ein Durchbruch im Kampf für das Ende der Gewalt gegen Frauen in einem Land, in dem das Bezichtigen der Hexerei oft als Vorwand benutzt wurde, um Frauen zu schlagen, zu foltern und zu töten. Im selben Jahr wird dort ein weiterer Erfolg verzeichnet: die Unterzeichnung des Family Protection Act, ein Gesetz gegen die häusliche Gewalt.

2013

2013 schafft Papua-Neuguinea den umstrittenen Sorcery Act ab, ein Gesetz, das geringere Haftstrafen für diejenigen vorsieht, die eine der Hexerei beschuldigte Person töten. Diese Entscheidung ist ein Durchbruch im Kampf für das Ende der Gewalt gegen Frauen in einem Land, in dem das Bezichtigen der Hexerei oft als Vorwand benutzt wurde, um Frauen zu schlagen, zu foltern und zu töten. Im selben Jahr wird dort ein weiterer Erfolg verzeichnet: die Unterzeichnung des Family Protection Act, ein Gesetz gegen die häusliche Gewalt.

2015

Nach jahrelangem Einsatz von Amnesty und Unterstützer*innen verkündet die nigerianische Tochtergesellschaft des Ölkonzerns Shell 2015 eine Entschädigungszahlung von umgerechnet 70 Millionen Euro an 15.600 Bäuer*innen und Fischer*innen in Bodo, Nigeria, wegen zwei verheerender Lecks an einer Ölpipeline im Jahr 2008. Diese Entscheidung ebnet den Weg für weitere Klagen von anderen nigerianischen Gemeinden, die die Konsequenzen dieser Fahrlässigkeit tragen. 2021 entscheidet der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs, dass zwei weitere Gemeinden im Nigerdelta den Öl-Konzern wegen jahrelanger Ölverschmutzungen verklagen können. Auf dem Bild zu sehen: Omotola Jalade Ekeinde, nigerianische Sängerin und Schauspielerin, fordert Gerechtigkeit für die Menschen in den Fischergemeinden in der Bodo-Region des Niger-Deltas.

Infolge des Drucks zahlreicher NGOs, darunter auch Amnesty International, überarbeitet die UN 2015 die Bestimmungen zur Behandlung von Gefangenen. In den neuen Mindestgrundsätzen werden die Menschenrechte inhaftierter Personen besser geschützt. Sie zielen auf die gesellschaftliche Wiedereingliederung ab, sollen die Gefangenen vor Folter schützen, den Zugang zur medizinischen Grundversorgung verbessern und den Einsatz von Disziplinarstrafen, darunter auch Isolationshaft, einschränken.

2015 führt Irland als erstes Land der Welt über einen Volksentscheid die Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare Colm O’Gorman, Direktor von Amnesty International Irland, erklärte: „Diese Entscheidung signalisiert LGBTI [Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen] auf der ganzen Welt, dass ihre Beziehungen und ihre Familien dieselbe Daseinsberechtigung haben wie andere auch.“ Nach jahrelanger Kampagnenarbeit legalisiert Taiwan 2019 als erstes asiatisches Land die gleichgeschlechtliche Ehe.

© Amnesty International (Photo: Toma Jablon)
© Amnesty International (Photo: Toma Jablon)
© AIUK
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2016

Der afroamerikanische Aktivist Albert Woodfox wird 2016 nach jahrelangem Druck durch Amnesty-Unterstützer*innen und fast 44 Jahren Einzelhaft in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Louisiana endlich freigelassen. Es war wohl die längste Zeit, die ein Gefangener jemals in Isolationshaft in den USA verbracht hat. „Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, Briefe von Menschen auf der ganzen Welt zu bekommen. Es gab mir Kraft – und zeigte mir, dass das, was ich tat, richtig war“, so Woodfox.


Am 30. Mai 2016 wird der ehemalige Präsident des Tschad, Hissène Habré, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Folter zwischen 1982 und 1990 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt – ein Meilenstein für die internationale Rechtsprechung. Die Staatsanwaltschaft legt unter anderem Berichte von Amnesty International aus den 1980er-Jahren vor und ein ehemaliger Mitarbeiter von Amnesty sagt als Experte vor Gericht aus.

2017

2017 entscheidet das Hohe Gericht Kenias, dass Dadaab, das weltweit größte Flüchtlingslager, nicht geschlossen werden darf. Dieses Urteil ist die Reaktion auf die einseitige Entscheidung der kenianischen Regierung, das Flüchtlingslager zu schließen. Amnesty International hatte zwei kenianische Menschenrechtsorganisationen bei einer Klage gegen die Schließung unterstützt. Die Auflösung Dadaabs hätte für mehr als 260.000 somalische Flüchtlinge das Risiko einer erzwungenen Rückkehr nach Somalia, ein von bewaffneten Konflikten geschütteltes Land, bedeutet.

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2018

2018 kommt Teodora del Carmen Vasquez nach zehn Jahren Haft in El Salvador Nachdem sie eine Totgeburt erlitt, wurde sie der Abtreibung beschuldigt. Schwangerschaftsabbrüche sind in El Salvador verboten. Daraufhin hatte man sie zu 30 Jahren Haft verurteilt. Teodora kam vorzeitig frei, als ein Gericht ihre Haftstrafe heruntersetzte. Seit 2015 hatten sich Amnesty-Unterstützer*innen mit Petitionen und Protestaktionen für Teodoras Freilassung eingesetzt.


In einem Referendum kippt die irische Bevölkerung 2018 das Abtreibungsverbot – ein bedeutender Fortschritt für die Frauenrechte und das Ergebnis von jahrelangem Einsatz, unter anderem durch Amnesty International. 2020 verabschiedet Argentinien Gesetze zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen – ein Sieg für die Frauenrechtsbewegung und Amnesty-Unterstützer*innen, die sich jahrzehntelang für die Legalisierung eingesetzt hatten. Diese Entscheidung dient weiteren Ländern in der Region und auf der ganzen Welt als Inspiration, sich für den Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen einzusetzen.

Im Jahr 2018 stellt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte fest, dass das massenhafte Abhören von Millionen privater Nachrichten durch die britischen Geheimdienste gegen die Menschenrechte verstößt. Das bahnbrechende Urteil wurde von der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Jahr 2021 noch erweitert. Es stellt klar, dass die uneingeschränkte Überwachung das Recht der Menschen auf Privatsphäre und freie Meinungsäußerung verletzt und die Einrichtung solider Schutzvorkehrungen gegen Missbrauch erforderlich ist.

© Astrid Chitou/Amnesty International
© Astrid Chitou/Amnesty International

2019

2019 hebt Sierra Leone endlich ein Verbot auf, das schwangeren Mädchen den Schulbesuch untersagt. Ein Gericht urteilte, dass das Verbot diskriminierend sei. Amnesty hatte sich für die Aufhebung des Verbots eingesetzt und sich dabei auf eigene Recherchen zum Thema sowie auf das Völkerrecht bezogen. Diese Entscheidung sendet eine klare Botschaft an andere afrikanische Länder, die solche Verbote haben oder in Erwägung ziehen.

2020

 

2019 und 2020 kommt es zu Gesetzesänderungen in Dänemark, Schweden und Griechenland, die Sex ohne Zustimmung endlich als Vergewaltigung einstufen. Es ist das Ergebnis des jahrelangen Engagements von Frauenrechtler*innen und Betroffenen sowie der Amnesty-Kampagne Let’s Talk About Yes. Auch Spanien kündigt einen Gesetzesentwurf an, der entsprechend der internationalen Menschenrechtsstandards Sex ohne Zustimmung als Vergewaltigung definiert.

Bild: Proteste in Dänemark.

© Jonas Persson
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