23 Erfolge für Menschen und ihre Rechte im ersten Halbjahr 2022
20. Juli 2022Die erste Jahreshälfte 2022 ist vorbei – und wir bei Amnesty International blicken auf eine herausfordernde und ereignisreiche Zeit zurück. Angesichts der vielen Menschenrechtsprobleme weltweit kann man leicht den Blick für die vielen positiven Veränderungen verlieren, die in den letzten sechs Monaten passiert sind.
Doch dank des unermüdlichen Einsatzes unserer Unterstützer*innen konnte Amnesty International dazu beitragen, zu Unrecht Inhaftierte zu befreien, ungerechte Gesetze zu ändern und die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen. In der folgenden Übersicht möchten wir dir von den Erfolgen für Menschen und ihre Rechte erzählen, die wir nach der ersten Jahreshälfte gemeinsam feiern können.
Diese 23 Erfolge geben uns Kraft und Motivation, weiter für Menschenrechte und gERECHTIGKEIT einzustehen
Jänner
Polen
Ein polnisches Gericht lehnte die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ab, die diese gegen den Freispruch von drei LGBTI-Aktivistinnen eingelegt hatte. Die drei Frauen waren der „Verletzung religiöser Gefühle“ angeklagt, weil sie Poster mit dem Motiv der Jungfrau Maria mit einem Heiligenschein in Regenbogenfarben plakatiert haben sollen. Amnesty-Unterstützer*innen weltweit hatten sich mit mehr als 276.000 Appellschreiben für die drei Frauen eingesetzt.
"Seit Beginn des Verfahrens gegen sie haben sich mehr als eine Viertelmillion Menschen dafür ausgesprochen, dass die Behörden die Anklage fallen lassen, in einem Fall, der zum Symbol für einige der beunruhigendsten Anti-Menschenrechtstrends in Polen geworden ist."
Catrinel Motoc, Senior Campaignerin im Europa-Regionalbüro von Amnesty International
Papua-Neuguinea
Der langjährige Einsatz von Amnesty International und anderen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe kann einen weiteren Erfolg verzeichnen: Papua-Neuguinea hat 30 Jahre nach ihrer Wiedereinführung im Jahr 1991 die Todesstrafe wieder abgeschafft.
USA
Das US-Verteidigungsministerium veröffentlichte die Ergebnisse einer von ihm bei der Denkfabrik RAND Corporation in Auftrag gegebenen unabhängigen Untersuchung. Die Studie hat untersucht in welcher Weise das Pentagon Vorwürfe über von ihm zu verantwortende zivile Opfer überprüft. Zu dieser Untersuchung kam es u. a. durch die Berichterstattung von Amnesty über die zivilen Opfer durch die Hand von US- und Koalitionstruppen in Raqqa, Syrien, im Jahr 2017. Unsere Multimedia-Untersuchung War in Raqqa: Rhetoric versus Reality wird in dem RAND-Bericht vielfach zitiert.
Ghana
Das Parlament in Ghana hat einen Gesetzentwurf abgelehnt, der Menschen der LGBTI-Community in noch größerem Maße kriminalisiert hätte. Der Entwurf sah Gefängnisstrafen für alle diejenigen vor, die ihre Unterstützung oder Sympathie für LGBTI+ zum Ausdruck bringen, außerdem hätte er Umwandlungstherapien und „Geschlechtsangleichungen“ bei Kindern eingeführt. Kritik an der Gesetzesvorlage kam unter anderem von Amnesty International; wir forderten das Parlament auf, den Entwurf zurückzuziehen.
Afghanistan
In Afghanistan wurde Professor Faizullah Jalal, der von den Taliban willkürlich festgenommen und inhaftiert worden war, im Zuge des Einsatzes von Amnesty International und anderen Organisationen freigelassen. Seine Tochter sagte, dass seine Freilassung ohne die Bemühungen von Amnesty International nicht möglich gewesen wäre.
Februar
Slowenien
Nachdem Amnesty International in Slowenien seit beinahe 30 Jahren Gerechtigkeit für Tausende Menschen aus anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken fordert, die im Zuge der slowenischen Unabhängigkeit im Jahr 1992 ihren Aufenthaltsstatus verloren hatten, entschuldigte sich der Präsident nun endlich öffentlich bei den Betroffenen. Im Zuge der Streichung aus dem Bevölkerungsregister verloren etwa 26.000 Menschen, die sogenannten „Izbrisani“ (die Gelöschten), ihr Aufenthaltsrecht sowie ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte in Slowenien, u. a. auch ihre Ansprüche auf Gesundheits- und Sozialleistungen.
Kuwait
Das Verfassungsgericht in Kuwait hob ein Gesetz zur Kriminalisierung der „Nachahmung des anderen Geschlechts“ auf, das zuvor im Jahresbericht von Amnesty International kritisiert worden war.
Kolumbien
In Kolumbien wurden nach jahrelanger Kampagnenarbeit durch Amnesty International und andere zivilgesellschaftliche Organisationen Schwangerschaftsabbrüche in den ersten 24 Schwangerschaftswochen entkriminalisiert. Dies ist ein weiterer wichtiger Sieg für sexuelle und reproduktive Rechte in ganz Lateinamerika, nach der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Argentinien im Jahr 2020 und der Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Mexiko im Jahr 2021.
Honduras
In Honduras sind die „Guapinol Acht”, acht Umweltschützer und gewaltlose politische Gefangene, nach zweieinhalb Jahren in Haft endlich bedingungslos freigelassen worden. Amnesty International setzte sich mehr als ein Jahr lang mittels Medien- und Kampagnenarbeit für die Freilassung der Männer ein.
Bangladesch
In Bangladesch wurde die 17-jährige Dipti Rani Das, die der hinduistischen Minderheit angehört, wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie musste aufgrund eines Facebook-Posts mehr als 16 Monate im Gefängnis verbringen. Amnesty International gab eine Urgent Action für sie heraus und stellte Unterstützung für ihre Gerichtskosten bereit.
März
Gutemala und Südsudan
Im März wurden zwei Inhaftierte freigelassen, für die sich Amnesty International unter anderem im Rahmen des Briefmarathons eingesetzt hatte: In Guatemala wurde der indigene Umweltschützer und gewaltlose politische Gefangene Bernardo Caal Xol freigelassen, nachdem er wegen seines Aktivismus inhaftiert worden war. Im Südsudan kam Magai Matiop Ngong frei, der 2017 als 15-Jähriger zum Tode verurteilt worden war. Das Hohe Gericht ordnete seine Freilassung an, da er zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt noch minderjährig war.
Es ist eine großartige Nachricht für Bernardo, seine Familie und die indigenen Q'eqchi'-Gemeinschaften Guatemalas, dass er das Gefängnis verlassen und nach mehr als vier Jahren als politischer Gefangener wieder mit seinen Angehörigen zusammen sein kann.
Erika Guevara-Rosas, Direktorin für Nord- und Südamerika bei Amnesty International
Der UN-Menschenrechtsrat erneuerte das Mandat der Menschenrechtskommission im Südsudan – derzeit der einzige unabhängige Mechanismus, um Beweise für künftige Strafverfolgungen zusammenzutragen. Amnesty International setzte sich aktiv für die Mandatsverlängerung ein, so z. B. durch gemeinsame Offene Briefe an die Mitgliedstaaten des Menschenrechtsrats, bilaterale Treffen mit diesen Mitgliedstaaten sowie Bemühungen einzelner Amnesty-Sektionen auf höchster Ebene.
April
Norwegen
Im Jahr 2018 startete Amnesty International eine Kampagne für Tayebe Abassi, die damals 18 Jahre alt war und deren Familie die Abschiebung aus Norwegen – wo die Familie seit 2012 lebte – nach Afghanistan drohte. Im April erhielt ihre Mutter endlich eine Aufenthaltserlaubnis und somit das Recht, mit ihren Kindern in Norwegen zu bleiben. Zum Dank für die Unterstützung schickte Tayebe Abassi die untenstehende Nachricht an Amnesty International.
„Ich möchte meinen Dank an Amnesty International aussprechen sowie an alle, die mich und meine Familie in dieser schwierigen Zeit unterstützt haben. Wenn ich zurückblicke, fühle ich, dass ich stark bin und etwas bewirken kann; ich habe alle Postkarten gekriegt, die mir Amnesty-Mitglieder aus aller Welt geschickt haben“
Tayebe Abassi
Libyen
In Libyen wurde der Journalist und Blogger Mansour Atti, Vorsitzender des Rothalbmond-Komitees sowie der Zivilgesellschaftlichen Kommission in Ajdabiya, zehn Monate nach seinem Verschwindenlassen freigelassen. Amnesty International veröffentlichte zu seinem Fall eine Urgent Action, eine Stellungnahme und eine Pressemitteilung und rief Mitglieder und Unterstützer*innen auf, Petitionen zu unterzeichnen, Briefe zu schreiben und sich in den Sozialen Medien für seine umgehende und bedingungslose Freilassung einzusetzen.
Weltweit
Nach monatelanger Kampagnenarbeit durch Amnesty International und andere zivilgesellschaftliche Organisationen hat die Europäische Union eine politische Einigung über das Digitale-Dienste-Gesetz (Digital Services Act – DSA) erzielt. Dieses wegweisende Regelwerk bedeutet unter anderem, dass Tech-Giganten die systemischen Risiken ihrer Dienstleistungen bewerten und ausräumen müssen, beispielsweise bezüglich Hassreden und Verbreitung von Fehlinformationen auf ihren Plattformen.
Mali
In Mali begannen die Behörden infolge von Recherchen durch Amnesty International und Partnerorganisationen mit der Untersuchung eines ‚Antiterroreinsatzes‘ in der Stadt Moura im März 2022 durch Angehörige der Streitkräfte und russische Söldner der „Gruppe Wagner“ bei dem mindestens 203 Menschen getötet wurden. Die Recherchen basierten auf Aussagen von Augenzeug*innen und kamen zu dem Schluss, dass während des Einsatzes Dutzende Zivilpersonen getötet wurden, viele von ihnen rechtswidrig.
Mai
Spanien
Die Frauenbewegung in Spanien sowie Aktivist*innen von Amnesty International errangen einen wichtigen Sieg: Das spanische Unterhaus billigte eine Gesetzesvorlage über Maßnahmen zur Verhinderung und Strafverfolgung von Vergewaltigung. Das Gesetz stellt das Zustimmungsprinzip ins Zentrum der Debatte um sexualisierte Gewalt und definiert sexuelle Handlungen ohne ausdrückliches beiderseitiges Einverständnis als Vergewaltigung.
Südsudan
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das Waffenembargo für das Territorium des Südsudan um ein weiteres Jahr verlängert. Amnesty International hat durch Recherchen und gezielten Einsatz zu diesem Ergebnis beigetragen, u. a. durch bilaterale Treffen mit Angehörigen des UN-Sicherheitsrates in New York im April.
"Die Verlängerung des Waffenembargos ist ein Schritt in die richtige Richtung und von entscheidender Bedeutung, um den Zustrom von Waffen einzudämmen, die zur Begehung oder Erleichterung von Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Missbrauch, einschließlich konfliktbedingter sexueller Gewalt, verwendet wurden."
Deprose Muchena, Regionaldirektor für das östliche und südliche Afrika bei Amnesty International
Sambia
Einen Tag nach der Veröffentlichung des alljährlichen Amnesty-Berichts über die Todesstrafe kündigte der Präsident von Sambia an, die Todesstrafe im Land abschaffen zu wollen.
Guinea
In Guinea wurden strafrechtliche Untersuchungen gegen ehemalige Führungskräfte in Politik und Polizei eingeleitet, denen vorgeworfen wird, im Nachgang der Verfassungskrise von 2020 Verstöße gegen das Recht auf Leben sowie Verschwindenlassen, willkürliche Inhaftierungen und Folter begangen zu haben. Amnesty International fordert seit einiger Zeit ein Ende der Straflosigkeit für diese Verstöße, u. a. in einem Bericht und mehreren weiteren Veröffentlichungen, in denen die rechtswidrige Tötung zahlreicher Demonstrierender sowie die willkürliche Inhaftierung Dutzender politischer Aktivist*innen und zivilgesellschaftlich engagierter Personen angeprangert wird.
Indien
In einem positiven Schritt für das Recht auf freie Meinungsäußerung in Indien hat der Oberste Gerichtshof des Landes das 152 Jahre alte Gesetz über staatsgefährdende Aktivitäten ausgesetzt.
Juni
Weltweit
In Genf kamen Vertreter*innen verschiedener Staaten, internationaler Organisationen und der Zivilgesellschaft zusammen, um eine politische Erklärung über den besseren Schutz von Zivilpersonen vor Explosivwaffen in dichtbesiedelten Gebieten zu formulieren. Für diesen Schritt setzt sich Amnesty International seit Langem ein. Es wird erwartet, dass die politische Erklärung gegen Ende des Jahres von zahlreichen Staaten unterzeichnet wird.
Malaysia
Die Amnesty-Kampagne gegen die Todesstrafe errang einen weiteren Sieg: Die Regierung von Malaysia kündigte an, damit beginnen zu wollen, die obligatorische Verhängung von Todesurteilen für elf verschiedene Straftaten abzuschaffen.