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Für Menschenrechte auf der Straße: Aus dem Leben eines Face-to-Face-Fundraisers

14. April 2022
von Alexander Obermayr, ARGE AIWWF

Weil es mir ein Bedürfnis ist, mit den vielen Vorurteilen und seltsamen Mären, die sich um das Thema Face to Face Fundraising ranken, aufzuräumen – „Keiler, Nichtsnutz, Betrüger, Söldner, Zeck!“ – schreibe ich diesen Text. Face-to-Face-Fundraising ist mein Beruf und ich möchte hier teilen, warum ich selten so überzeugt von dem war, was ich tue, wie in den letzten zwanzig Jahren, in denen ich für die Menschenrechte auf den Straßen Österreichs unterwegs bin.

Heute habe ich nichts zu verkaufen

 „Geh, mach doch etwas Vernünftiges!“ „Arbeite und leiste einen Beitrag für die Gesellschaft, anstatt, dass du auf der Straße stehst bzw. von Tür zu Tür läufst und die Menschen nur nervst!“ „Sag hast du keinen Beruf, du Zeck!“Mich!!! Musst du nicht um eine Spende anbetteln!“. Allzu oft hören meine Kolleg*innen und ich Sätze wie diese – von Menschen auf der Straße, von so manchem Familienmitglied, von Freund*innen und Bekannten. Das ist nur ein kleiner Auszug aus der Liste an Reden, die ich mir in den vergangenen 20 Jahren als stolzer Face-to-Face-Fundraiser anhören musste. Stolzer Face-to-Face-Fundraiser ist nicht hochmütig gemeint, sondern im Gegenteil demütig. Denn ich darf meine Arbeit aus voller Überzeugung leisten. Davor war ich jahrelang im Profitvertrieb und musste Produkte verkaufen, von denen ich mehr oder weniger überzeugt war. War ich darauf stolz? Hat es mich erfüllt? Nein! Es ging lediglich darum, Geld zu verdienen. Heute verkaufe ich nichts, ganz im Gegenteil, heute sensibilisiere ich Menschen für wichtige Themen und rege sie dazu an, sich für unser aller Menschenrechte einzusetzen. Und ich darf im Rahmen unserer Arbeitsgemeinschaft AIWWF Menschen einen Beruf anbieten, den sie aus Überzeugung machen können.

Alexander Obermayr  AIWWF – Arbeitsgemeinschaft Amnesty International Österreich & Umweltverband WWF Österreich

Alex Obermayr beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Organisation und Umsetzung von Face-to-Face-Kampagnen. Er war Mitglied des Gründungsteams der ARGE AIWWF, das Face-to-Face-Inhouse-Programm von Amnesty International Österreich und dem WWF Österreich. Seit 2012 leitet er die ARGE AIWWF.

Aller Anfang ist schwer!

Zwanzig Jahre ist es heute schon her, dass mein bester Freund mich einlud, ihn bei einer Werbetour an Haustüren im 15. Wiener Gemeindebezirk zu begleiten und das Face-to-Face fundraisen zu versuchen. Schlichtweg: Es war katastrophal. Niemand wollte mir zuhören. So schnell die Wohnungstür sich öffnete, so schnell war sie auch wieder zu. Zweifel, ja massive Selbstzweifel machten sich bei mir breit. Bis ich erkannte und mir selbst sagte: „Hey Alex, an der Tür hast du keine Sache zu verkaufen, sondern erzähle den Menschen, was dich bewegt, warum du unterwegs bist, warum es dir wichtig ist und du nicht zum Schutz vor Wind und Wetter durch die Häuser streifst“.  

Siehe da – kein Erfolg am ersten Tag! Gewonnen habe ich jedoch die Erkenntnis, dass ich diese Arbeit machen möchte. Ich will Menschen bewegen, ich möchte sie dafür begeistern, sich für andere einzusetzen. Dieses Gefühl konnte ich dann bereits am zweiten Tag den Menschen vermitteln. So geschah es, dass ich meine ersten 5 Unterstützer*innen für eine gute Sache gewinnen konnte. Aus einem „Probier´s mal“ sind inzwischen 20 Jahre Face-to-Face-Fundraising geworden und wenn alles gut geht, bleibt es noch die kommenden 15 Jahre meine berufliche Heimat.

Warum Face-to-Face-Fundraising Sinn macht

Face-to-Face-Fundraising trägt nicht nur dazu bei, dass Amnesty International unabhängige und seriöse Menschenrechtsarbeit machen kann, es ist außerdem auch ein sehr probates Mittel. Denn die Wirtschaftlichkeit ist im Vergleich zu anderen Werbemethoden sehr hoch. Das zeigen unter anderem die jährlich durchgeführten Überprüfungen unabhängiger Wirtschaftstreuhänder*innen im Rahmen des österreichischen Spendengütesiegels. Tausende Menschen jährlich entschließen sich im direkten Kontakt mit unseren Mitarbeiter*innen zu einer mittel- bzw. längerfristigen Unterstützung. Nur mit der Unterstützung einer großen Zahl einzelner Menschen können wir Menschenrechtsverletzungen seriös recherchieren, Unrecht aufdecken und von den Verantwortlichen mit Nachdruck Veränderung einfordern. Deshalb ist es so wichtig, dass meine Kolleg*innen und ich tagtäglich unsere Komfortzonen verlassen – und täglich viele neue Menschen ins Boot zu holen.

Nur mit der Unterstützung einer großen Zahl einzelner Menschen können wir Menschenrechtsverletzungen seriös recherchieren, Unrecht aufdecken und von den Verantwortlichen Veränderung einfordern. Deshalb ist es so wichtig, dass meine Kolleg*innen und ich tagtäglich unsere Komfortzonen verlassen.

Alexander Obermayr, AIWWF – Arbeitsgemeinschaft Amnesty International Österreich & Umweltverband WWF Österreich

Denn außerhalb dieser Zonen können wir verändern. Durch Face-to-Face-Fundraising erreichen wir eine Planbarkeit für Jahre und erhalten einen langen finanziellen Atem, der ein nachhaltiges, unabhängiges Arbeiten ermöglicht. Die Präsenz unserer Face-to-Face-Fundraiser*innen auf der Straße trägt zur Sichtbarkeit von Amnesty International im öffentlichen Raum bei und das individuelle und persönliche Gespräch gibt uns die Möglichkeit, direkt mit der Bevölkerung zu interagieren. Dabei ist uns außerdem sehr wichtig, mit der AIWWF als faire Arbeitgeberin zu agieren und dadurch zusätzlich einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft zu leisten. Mit der AIWWF betreiben wir unsere Face-to-Face-Aktivitäten selbst und überlassen diese für uns wichtige Repräsentanz in der Öffentlichkeit keiner externen Agentur, sondern nutzen Synergien, teilen Kosten und Risiken. Je ökonomischer wir arbeiten, umso mehr Budget fließt direkt unseren Vereinszwecken zu. Das bedeutet: 100% der durch die ARGE AIWWF geworbenen Unterstützungen kommen direkt Amnesty International und dem WWF zugute.

Am stärksten. Gemeinsam.

Und wie ist das jetzt mit dem Arbeiten außerhalb der Komfortzone? Auf meiner Couch zu lümmeln ist schon auch sehr fein – am feinsten ist das jedoch nach getaner Arbeit, mit dem Wissen, dass ich heute wieder Menschen bewegt habe, sich uns anzuschließen und für Menschenrechte einzutreten. Nicht jede*n können wir überzeugen – aber jede*r einzelne zählt. Nichts jedoch wäre ich ohne meine Kolleg*innen: Gleichgesinnt und gleichzeitig komplett verschieden, jung bis lebenserfahren, bunt bis grau, laut bis leise – einfach jede*r auf seine*ihre Art und Weise. Selbst an Tagen, an denen die Türen mal schnell zu gehen und die Kommentare auf der Straße rau sind: Aufeinander können wir uns immer verlassen. Am stärksten sind wir gemeinsam. Nur gemeinsam können wir Menschen und ihre Rechte schützen und viele Leben verändern. Ein Teil davon zu sein – darauf bin ich richtig stolz.

Unser Face-to-Face-Programm – jetzt bewerben!

Unsere Face-to-Face-Fundraiser*innen sind Botschafter*innen für Amnesty International. Sie informieren Menschen über Menschenrechtsarbeit und gewinnen langfristige Unterstützer*innen. Ihr Einsatz macht Menschenrechtsarbeit möglich.

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