Mit 17 Jahren moderierte Khadijatul Kubra 2020 als Studentin das Webinar einer Online-Talkshow namens "Humanity for Bangladesh". Nachdem in dem Webinar die Regierung kritisiert wurde, eröffnete die Staatsanwaltschaft zwei Verfahren nach dem Digital Security Act (DSA) gegen sie.
Die beiden Verfahren, die gegen Khadijatul Kubra eingeleitet wurden, waren sprachlich fast identisch und wurden im Abstand von einigen Tagen, am 11. und 19. Oktober 2020, von zwei verschiedenen Polizeibeamt*innen, die sich das Webinar im Live-Stream auf YouTube ansahen, auf unterschiedlichen Polizeistationen eingereicht. Sie beschuldigten Khadijatul Kubra, "die bestehende politische Situation zu verschleiern", "die Öffentlichkeit in regierungsfeindliche Aktivitäten zu verwickeln", "das Ansehen Bangladeschs in der internationalen Welt zu beeinträchtigen", "die rechtmäßige Regierung Bangladeschs zu stürzen" und "den Premierminister, die Regierungsbehörden und wichtige Persönlichkeiten des Staates zu beleidigen".
Berichten zufolge war sie Anfang des Jahres fast eine Woche lang mit zum Tode Verurteilten in einer Zelle untergebracht. Zudem leidet sie an Nierenproblemen und weiteren gesundheitlichen Problemen. Ihre Kautionsanträge wurden von den Gerichten in Dhaka mehrmals abgelehnt. Am 16. Februar 2023 bewilligte das Oberste Gericht eine Kaution für Khadijatul Kubra, die jedoch aufgrund eines Rechtsmittels des Staates wieder ausgesetzt wurde. Am 10. Juli vertagte die Berufungsabteilung des Obersten Gerichtshofs ihre Kautionsanhörung um vier Monate mit der Begründung, dass sie in der Lage sein sollte, die Verantwortung für in ihrer Talkshow geäußerte Ansichten zu übernehmen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Nach Angaben von Khadija Kubras Familie wusste sie mehrere Monate lang von den beiden gegen sie eingeleiteten Verfahren, erzählte dies aber nicht ihrer Familie. Ihr Vater arbeitet als Haushaltsangestellter in Kuwait und ist seit der Coronapandemie verschuldet. Khadijatul Kubra wusste, dass ihre Familie die hohen Kosten und Geldstrafen, die die nach dem DSA angeklagten Personen zu tragen haben, nicht aufbringen kann. Ihre Eltern erfuhren erst von den gegen ihre Tochter erhobenen Vorwürfe, als die Polizei vor ihrer Haustür stand, um sie festzunehmen.
Khadijatul Kubra ist nicht die einzige Minderjährige, die unter dem Gesetz über digitale Sicherheit als Erwachsene angeklagt ist. Dipti Rani Das, ein 17-jähriges Mädchen, das der hinduistischen Minderheit in Bangladesch angehört, wurde am 28. Oktober 2020 festgenommen und mehr als ein Jahr lang in einer Justizvollzugsanstalt festgehalten, weil sie "religiöse Gefühle verletzte" und "zur Verschlechterung von Recht und Ordnung beitrug". Ihr wurde am 17. Februar 2022 die Freilassung gegen Kaution bewilligt und am 15. März 2022 kam sie aus der Untersuchungshaft frei. Poritosh Sarkar, ein Hindu, wurde als Zehntklässler beschuldigt, mit einem abfälligen Beitrag in den sozialen Medien "die religiösen Gefühle" von Muslim*innen verletzt zu haben. Poritosh wurde festgenommen und acht Monate lang in Einzelhaft gehalten, bevor er schließlich zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, obwohl die Ermittlungen keine schlüssigen Beweise gegen ihn erbracht hatten. Mohammed Emon, ein 15-jähriger Gymnasiast, der im Rahmen des DSA angeklagt war, verbrachte 16 Tage in einer Jugendstrafanstalt in Gazipur, Bangladesch, bevor er gegen Kaution freigelassen wurde und in der Folge fast jeden Monat vor Gericht erscheinen musste, um sich registrieren zu lassen. Er hatte einen Facebook-Post geteilt, in dem er sich kritisch über einen hochrangigen Politiker Bangladeschs äußerte.
Am 7. August 2023 kündigte die Regierung von Bangladesch an, dass das Gesetz über die digitale Sicherheit aufgehoben und stattdessen ein neues Gesetz, das Cybersicherheitsgesetz, eingeführt werden soll. Die Verfahren nach dem Gesetz über die digitale Sicherheit werden jedoch fortgesetzt, obwohl Rechtsorganisationen seit Jahren immer wieder fordern, alle Personen freizulassen, die nur wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert sind. Es muss sichergestellt werden, dass neue Gesetze wie das Cybersicherheitsgesetz mit den internationalen Standards übereinstimmen, doch dürfen auch Fälle unter dem abgelösten DSA, die noch vor Gericht anhängig sind, nicht länger die Grundrechte der Menschen verletzen, die allein wegen der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung vor Gericht stehen.