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© Illustrationen: Lea Berndorfer

Aus dem Magazin © Illustrationen: Lea Berndorfer

Liebe ist ein Menschenrecht

21. Dezember 2022

Liebe gehört zu den Menschenrechten wie das eine Herz zum anderen. Doch Liebe und Zwischenmenschlichkeit in all ihren Formen leben zu können, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Amnesty Redaktionen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz berichten über Herausforderungen im eigenen Land.

Österreich: Begegnungen im FrauenWohnZentrum

Raum für Begegnung, Austausch und Freundschaft – das ist für viele Menschen in Österreich nicht selbstverständlich. In einem Gespräch erzählt Elvira Loibl, Hausleiterin des FrauenWohnZentrums der Caritas in Wien, über die Wichtigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen in der Wohnungslosigkeit.

Alle Menschen brauchen Bezugspersonen, eine sichere Umgebung, einen Rückzugsort. Menschen, die Wohnungs- und Obdachlosigkeit erfahren, werden diese und andere grundlegende Bedürfnisse jedoch häufig abgesprochen. Dabei gewinnen zwischenmenschliche Beziehungen gerade in schwierigen Lebensphasen für uns alle an Bedeutung

Wir leben über sozialen Austausch, nicht über Ratschläge, sondern darüber, einander wohlgesonnen zu sein. Es geht auch um Grenzen und darum, sich in einem bestimmten Kontext wahrzunehmen.

lvira Loibl, Hausleiterin des FrauenWohnZentrums der Caritas in Wien
© Illustration: Lea Berndorfer

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Für Menschen, die wohnungs- oder obdachlos sind, stellen Tageszentren und andere Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe Orte der Begegnung dar, wo Beziehungen entstehen und Kontakte geknüpft werden. „Dort können sich Frauen austauschen und einander Tipps geben. Bei manchen Frauen entstehen sogar langjährige Freundschaften“, erklärt Elvira Loibl und betont, dass sich Frauen oft erst durch diesen Austausch trauen, weitere Angebote der Wohnungslosenhilfe anzunehmen.

Wie wichtig Zusammenhalt und Verständnis untereinander sein können, bestätigt auch Anita, die selbst Erfahrung in einer Wohnungslosenhilfeeinrichtung hat: „Dort hatte man immer jemanden zum Reden. Die Frauen haben alle eine ähnliche Geschichte.“ Trotz der schwierigen Zeit habe es „auch das Miteinander und Füreinander gegeben“.

Neben dem Austausch untereinander spielen Beziehungen zu Sozialarbeiter*innen in der Wohnungslosenhilfe eine besondere Rolle. „Es gibt Frauen, die wir seit 15 Jahren kennen. In diesen Fällen sind Bezugspersonen besonders wichtig, weil sie die Geschichten der Frauen kennen.“ Dabei ist laut Elvira Loibl der Aufbau von Vertrauen zueinander ein zentraler Aspekt. Es gehe auch darum, „Krisen zu durchlaufen“.

Welche Form eine zwischenmenschliche Beziehung auch annehmen mag, entscheidend sind Vertrauen und ein gegenseitiges Wohlwollen sowie Respekt. Elvira Loibl betont: „Es ist wichtig, dass wir uns Zeit miteinander geben, im Zuhören, im Hinschauen und Wertschätzen.“ Orte, die solches erlauben, sind dabei besonders zentral. Das FrauenWohnZentrum beweist die Notwendigkeit gruppenspezifischer Einrichtungen. Doch diese sind in Österreich nicht ausreichend vorhanden.

Amnesty International fordert mehr vielfältige und gruppenspezifische Angebote in der Wohnungslosenhilfe.

Unterschreibe die Petition

 

Deutschland: Zwischen Queerfeindlichkeit und Pride

Begehren dürfen, wen man will – das ist in Deutschland für LGBTQIA* Personen nicht selbstverständlich. Trotz gesetzlicher Gleichstellung und gesellschaftlicher Akzeptanz nehmen Hassverbrechen gegen queere Menschen zu.

3. Juli: Mehr als eine Million Menschen haben in Köln Europas größten Christopher Street Day (CSD) gefeiert und für Toleranz und Vielfalt demonstriert – so viele wie noch nie. 27. August: Der Transmann Malte C. ist auf dem CSD in Münster niedergeschlagen worden – er hatte sich zuvor lesbenfeindliche Beleidigungen mehrerer Frauen durch den Täter verbeten. Wenige Tage später erlag Malte C. seinen schweren Verletzungen.

Diese beiden Ereignisse des Sommers 2022 markieren die Pole, zwischen denen sich die lesbische, schwule, bisexuelle, trans-, intergeschlechtliche und queere (LGBTQIA*) Community in Deutschland bewegt: auf der einen Seite große öffentliche Akzeptanz, auf der anderen Seite unverhohlener Hass auf queere Menschen.

Gewalt und Intoleranz gegenüber LGBTQIA* Personen waren immer da, haben aber in jüngster Zeit in großem Ausmaß zugenommen.

Rupert Haag, Sprecher von QueerAmnesty
© Illustration: Lea Berndorfer

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Im Jahr 2021 erfasste das Bundeskriminalamt 870 Straftaten wegen „sexueller Orientierung“ und 340 Delikte im Bereich „Geschlecht/sexuelle Identität“. Das entspricht einem Anstieg um 50 bzw. 66 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die tatsächliche Lage ist dramatischer, das Bundesinnenministerium geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Das korrespondiert mit einer Umfrage der European Union Agency for Fundamental Rights aus dem Jahr 2020. Damals gab knapp die Hälfte der befragten LGBTQIA* Personen an, diskriminiert zu werden. Zehn Prozent hatten körperliche Angriffe erlitten, bei den Transpersonen waren es gar 20 Prozent. Doch nur 14 Prozent der Befragten hatten sich an die Polizei gewandt.

Der Queerbeauftragte der Bundesregierung – den Posten gibt es erst seit 2022 – hat Ende August den Entwurf eines „Nationalen Aktionsplans für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ vorgelegt. Dieser sieht unter anderem ein Diskriminierungsverbot von queeren Menschen im Grundgesetz und eine queersensible Ausbildung von Pädagog*innen vor. Zudem sollen Gewaltschutzprojekte sowie Opferbetreuungen gefördert und Hassverbrechen separat erfasst werden. Das Bundesinnenministerium hat ein Expert*innengremium mit der „Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt“ beauftragt.

QueerAmnesty begrüßt die Vorhaben. „Wenn sie umgesetzt würden, wäre das ein großer Schritt für die Rechte von queeren Menschen in Deutschland. Bleibt nur zu hoffen, dass die Durchführung zügig und unbürokratisch erfolgt.“ Queere Menschen hätten in der Vergangenheit oft genug unter der Verzögerung von Projekten gelitten, etwa bei der Entschädigung von nach Paragraf 175 verurteilten Schwulen im Nachkriegsdeutschland.

Schweiz: Ehe – unter Bedingungen

Heiraten dürfen, wen man will – das ist in der Schweiz nicht für alle binationalen Paare möglich. Kann die oder der ausländische Partner*in nicht den legalen Aufenthaltsstatus nachweisen, droht statt der Hochzeit gar die Abschiebung.

Liebe über die Grenzen hinweg – in der Schweiz ist das nicht immer einfach. Tatsächlich gibt es für eine Heirat von binationalen Paaren auch heute noch einiges an Hindernissen, wenn auch nicht mehr so viele wie früher – vorausgesetzt, es gelingt den Heiratswilligen, die vom Standesamt verlangten Dokumente im Herkunftsland zu beschaffen und die Eheabsicht glaubhaft darzulegen.

Es ist nicht so lange her, dass die Heirat mit einem Ausländer für Schweizerinnen den Verlust ihrer Schweizer Staatsbürgerschaft bedeutete. „Erst 1953 hat das Land hier die Stellung der Frau als Staatsbürgerin verbessert“, sagt Heidi Kolly, Therapeutin der Schweizer Organisation Frabina, die Beratungen für binationale Paare anbietet. Ab 1953 durfte eine Schweizerin, die einen Ausländer heiratete, den Schweizer Pass behalten – sofern sie dies beantragte. Erst seit 1992 behalten Schweizerinnen ihre Staatsbürgerschaft „trotz“ Heirat mit einem Ausländer antragslos. Damals wurde auch die automatische Einbürgerung von ausländischen Frauen, die mit einem Schweizer verheiratet waren, abgeschafft. Seitdem müssen ausländische Frauen ebenso wie Ehemänner von Schweizerinnen drei Jahre verheiratet sein, bevor sie erleichtert eingebürgert werden können. Die Kinder von Schweizerinnen, die mit einem Ausländer verheiratet sind, erhalten die Staatsbürgerschaft erst seit 1978 automatisch.

Während der Schweizer Staat bei den Einbürgerungen einerseits Erleichterungen geschaffen hat, hat er andererseits das Eherecht mit Einwanderungsbestimmungen verknüpft und stellt binationale Paare – insbesondere, wenn es sich um nicht-europäische Partner*innen handelt – nicht selten unter Generalverdacht. Das Zivilgesetzbuch sieht ausdrücklich vor, dass Standesbeamt*innen auf das Eheschließungsgesuch nicht eintreten, wenn der Verdacht besteht, das Paar könne sich durch die Heirat eine Niederlassung erschleichen wollen. Das Paar muss dann das Gegenteil beweisen.

Ein weiteres Hindernis stellen die von der ausländischen Person vorzulegenden Dokumente dar, die oft schwer zu beschaffen und zu übersetzen sind – für Geflüchtete oft ein unmögliches und sogar gefährliches Unterfangen. Der Versuch, „missbräuchliche Ehen“ zu verhindern, geht so weit, dass die Standesämter seit 2011 auf die Daten der Migrationsbehörden zugreifen dürfen – um so „illegal Anwesenden“ die Heirat zu verwehren. Die Zivilstandsämter sind sogar verpflichtet, Paare, die ihren legalen Aufenthaltsstatus nicht nachweisen können, den zuständigen Behörden zu melden.  

© Illustration: Lea Berndorfer

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