Irans Geiseldiplomatie
Amnesty International ist zutiefst besorgt darüber, dass der Gefangenenaustausch die iranischen Behörden dazu ermutigen könnte, weiterhin Geiselnahmen und andere Verbrechen nach internationalem Recht zu begehen. Um diese Risiken zu mindern, müssen die österreichischen Behörden dringend untersuchen, ob die Freiheitsberaubung von Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb das Verbrechen der Geiselnahme darstellt, und die Aufarbeitung sowohl durch öffentliche Erklärungen als auch durch die Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung der mutmaßlichen Täter*innen voranbringen.
Amnesty International fordert die österreichischen Behörden außerdem auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten und Haftbefehle gegen Beamte und andere Personen zu erlassen, gegen die ausreichende zulässige Beweise für die Verantwortlichkeit für Folter, Verschwindenlassen oder andere Verbrechen nach internationalem Recht an Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb vorliegen, und zwar auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips und der Gerichtsbarkeit aufgrund des besonderen Inlandsbezugs wegen der Nationalität des Opfers.
Amnesty International ruft erneut alle Staaten, die im Iran inhaftierte Staatsangehörige hatten oder haben, auf, unverzüglich zu prüfen, ob deren Freiheitsentzug einer Geiselnahme gleichkommt. Falls dies der Fall ist, müssen alle geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dazu gehört, dass bei Vorliegen ausreichender zulässiger Beweise Haftbefehle ausgestellt und die Auslieferung iranischer Beamter zur Strafverfolgung im Einklang mit den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren beantragt wird.
Amnesty International warnt davor, dass iranische Dissident*innen im Ausland einem erhöhten Risiko von Angriffen durch Agent*innen der Islamischen Republik Iran ausgesetzt sind, wenn die internationale Gemeinschaft, einschließlich Österreich und andere europäische Regierungen, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, schwere Menschenrechtsverletzungen der iranischen Behörden im Ausland ordnungsgemäß zu bestrafen. Versuchte außergerichtliche Hinrichtungen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen werden von den iranischen Behörden im Ausland begangen, um die freie Meinungsäußerung und friedlichen Dissens zu unterdrücken.
Hintergrundinformationen
Kamran Ghaderi wurde am 2. Jänner 2016 am Flughafen in Teheran verhaftet, als er seine Mutter und Verwandte im Iran besuchen wollte. Die Sicherheitskräfte folterten ihn und zwangen ihn durch Drohungen gegen Kamrans Familie und durch lange Isolationshaft dazu, falsche "Geständnisse" zu unterschreiben.
In einem grob unfairen Verfahren wurde Kamran Ghaderi im August 2016 auf Basis dieser erzwungenen "Geständnisse" wegen „Zusammenarbeit mit feindlichen Staaten gegen die islamische Republik“ zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die ersten sieben Monate in der Haft wurde Kamran der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert. Seinen Anwalt durfte er erst zwei Tage vor Verfahrensbeginn sehen.
Massud Mossaheb befand sich Anfang 2019 mit einer Delegation des medizinischen Projekts Med Austron in Teheran. Dort wurde er am 29. Jänner 2019 von Angehörigen des iranischen Geheimdienstes festgenommen und gefoltert, bis er erzwungene „Geständnisse“ unterschrieb. In einem grob unfairen Gerichtsverfahren verurteilte ihn das Gericht wegen vage formulierter Straftaten gegen die „Staatssicherheit“ zu 10 Jahren Gefängnis. Sein Strafausmaß wurde später auf acht Jahre reduziert.
Anfang September 2022 wurde bei Massud Mossaheb Prostatakrebs diagnostiziert. Am 23. November 2022 wurde er in den medizinischen Hafturlaub entlassen, um sich einer entsprechenden Behandlung zu unterziehen. Er musste jedoch regelmäßig im Gefängnis vorstellig werden und durfte das Land nicht verlassen.